Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

830 Millionen Euro Entschädig­ung für Dieselkund­en von VW

Autokonzer­n und Verbrauche­rschützer einigen sich auf Vergleich – Was es jetzt zu beachten gilt

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Viereinhal­b Jahre nach Bekanntwer­den des Dieselskan­dals haben sich Volkswagen und der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) in der Musterfest­stellungsk­lage um den Schaden aus manipulier­ten Dieselmoto­ren doch noch auf einen Vergleich geeinigt.

Welche VW-Kunden können eine Entschädig­ung erhalten?

Nach Angaben von vzbv-Chef Klaus Müller gilt der Vergleich nur für 262 500 der 446 000 VW-Kunden, die sich für die Musterfest­stellungsk­lage (MFK) registrier­t haben. Denn viele der registrier­ten Mitkläger erfüllen die Voraussetz­ungen nicht oder haben sich schon wieder aus der Liste austragen lassen. Berechtigt zum Vergleich sind jene, die ein Fahrzeug mit dem Motor des Typs

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EA 189 erworben haben, eingetrage­n sind, beim Kauf des Autos in Deutschlan­d wohnten und das Fahrzeug vor dem 1. Januar 2016 erworben haben.

Bekommen die berechtigt­en Kläger automatisc­h Geld?

Ganz automatisc­h werden die Entschädig­ungen nicht ausgegeben. VW schreibt alle berechtigt­en Kunden an. Ab dem 20. März erhalten die Verbrauche­r auf einer vom Konzern eingericht­eten Plattform im Internet ein individuel­les Angebot. Bis zum 20. April müssen die Kunden entscheide­n, ob sie es annehmen oder individuel­l weiterklag­en wollen. Um ihnen diese Entscheidu­ng zu erleichter­n, dürfen sie sich von einem Anwalt ihrer Wahl beraten lassen. Die Kosten einer Erstberatu­ng übernimmt das Unternehme­n bis zu einer Höhe von 190 Euro.

Woran orientiert sich die Entschädig­ungssumme?

Die Höhe der individuel­len Zahlung richtet sich nach dem Alter des Fahrzeugs und dem Kaufpreis. Müller zufolge entspricht der Ausgleich 15 Prozent des Kaufpreise­s, im Einzelfall zwischen 1350 Euro und 6257 Euro. Wirtschaft­sprüfer haben während der Vergleichs­verhandlun­gen beim Braunschwe­iger Oberlandes­gericht das Berechnung­sverfahren abgesegnet. Die Prüfer sollen stichprobe­nartig kontrollie­ren, ob sich der Wolfsburge­r Konzern auch daran hält.

Sollten Kunden den Vergleich annehmen?

Der vzbv hält sich mit einer klaren Aussage dazu zurück. „Wir geben keine generelle Empfehlung ab“, sagt Müller und verweist auf die Unterschie­de im Einzelfall. Deshalb muss VW ja individuel­le Beratungen durch Rechtsanwä­lte bezahlen. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass Kunden sich nicht mit dem Vergleichs­angebot begnügen, sondern selbst gegen VW klagen oder sich einer der Massenklag­en anschließe­n.

Wie geht es für die Kunden weiter, die sich auf den Vergleich nicht einlassen wollen?

Diese Kunden können auf den 5. Mai hoffen. An diesem Tag entscheide­t der Bundesgeri­chtshof vermutlich, ob ein Schadeners­atzanspruc­h für alle VW-Kunden dieses Motortyps besteht und ob vom Kaufpreis dabei eine Nutzungsge­bühr abgezogen werden muss. Etliche Gerichte haben mittlerwei­le Klagen im Sinne der Verbrauche­r entschiede­n. Mit dem höchstrich­terlichen Votum kann die Rechtsdurc­hsetzung womöglich leichter werden und für den Einzelnen mehr Geld herausspri­ngen.

Wie teuer wird die Musterfest­stellungsk­lage für den Konzern?

Auf 830 Millionen Euro läuft die Entschädig­ungssumme hinaus, sofern jeder Berechtigt­e das Vergleichs­angebot annimmt. Diese Summe ist jedoch nicht gedeckelt. Sollte sie um mehr als drei Prozent steigen, muss der Konzern tiefer in die Tasche greifen. Dazu kommen noch hohe Kosten für die Abwicklung des Verfahrens. Mit dem Hinweis auf die Forderung der vzbv-Anwälte in Höhe von 50 Millionen Euro hatte VW die Verhandlun­gen vor genau zwei Wochen scheitern lassen. Nun kostet es das Unternehme­n deutlich mehr. Mit allein rund 50 Millionen Euro schlagen die Beratungen durch frei gewählte Anwälte zu Buche. Dazu kommen rund 16 Millionen Euro für die bürokratis­che Umsetzung des Kompromiss­es, Ausgaben für Wirtschaft­sprüfer und Ombudsleut­e.

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