Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wohnungslosenhilfe immer gefragter
Anlaufstelle in Ravensburg hat 2019 erneut mit mehr Menschen zu tun als im Vorjahr
RAVENSBURG - Nach mehr als 35 Jahren im Betrieb ist die einzige Einrichtung der ambulanten Wohnungslosenhilfe im Kreis Ravensburg, der Württemberger Hof in Ravensburg, saniert worden. Das Angebot wird offenbar auch dringend gebraucht. Die Hilfe wurde im Jahr 2019 so stark in Anspruch genommen wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.
Im Jahr 2010 hatten 114 Männer und Frauen bei einer Stichtagserhebung Kontakt zu der Einrichtung – entweder weil sie Fachberatungsstelle, Tagesstätte, Aufnahmehaus oder Betreutes Wohnen in Anspruch nahmen. Seitdem sind die Zahlen fast jedes Jahr gestiegen – bis 2019 insgesamt um 74 Prozent. Im vergangenen Jahr hatten laut entsprechender Stichtagszählung 198 Männer und Frauen Hilfe im Württemberger Hof gesucht. Bei der Erhebung werden alle Personen gezählt, die im Monat der Abfrage das Hilfeangebot nutzen und am Stichtag noch im Hilfesystem waren.
Zu den steigenden Fallzahlen sagt Einrichtungsleiterin Gabriele Weiß, der angespannte Wohnungsmarkt mache sich bemerkbar. „Wer seine Wohnung verliert, kommt nicht mehr so leicht an eine neue ran.“
Über die Tagesstätte und Fachberatungsstelle kommt es häufig zu einem ersten Kontakt – zum Beispiel weil Sozialhilfeempfänger ohne Meldeadresse vom Jobcenter dorthin geschickt werden. Im Durchschnitt hatten pro Monat im vergangenen Jahr 75 Menschen ihre Postadresse beim Württemberger Hof. Wer wohnungslos sei, sei nicht zwingend obdachlos, erklärt Weiß. Viele Betroffene lebten – manchmal wechselnd – bei Freunden oder Familie, wo sie sich aber nicht melden könnten.
„Es wäre toll, man hätte mehr Sozialarbeiter für Tagesstätte und Fachberatungsstelle“, sagt die Pressesprecherin der Trägervereinigung Dornahof mit Sitz in Altshausen, Alexandra Freund-Gobs. Der Bereich sei angesichts der Nachfrage unterfinanziert.
Auch die Notübernachtungsstelle in der Florianstraße, die der Dornahof im Auftrag der Stadt betreibt, war 2019 deutlich stärker belegt als noch im Vorjahr. Die rund 90 Personen (Vorjahr 89), die keinen anderen Platz zum Schlafen hatten, fragten dort offenbar häufiger um ein Bett. Obwohl die Zahl der übernachtenden Personen nicht deutlich gestiegen ist, gab es 2019 gleich sechs Monate
mit jeweils mehr als 100 Übernachtungen (Januar, Februar, März, Mai, November, Dezember). Im Jahr 2018 war die stärkste Auslastung im Oktober mit 95 Übernachtungen registriert worden.
Dass Menschen zum Teil längere Zeit in der Notübernachtungsstelle schlafen, könnte auch damit zu tun haben, dass sie auf einen frei werdenden Platz im Aufnahmehaus Württemberger Hof warten – für insgesamt 14 Obdachlose, die in der Notübernachtungsstelle waren, erfüllte sich diese Hoffnung und sie konnten im Lauf des Jahres in einem Zimmer in dem Gebäude nahe des Bahnhofs unterkommen. Die gut ein Dutzend möblierten Zimmer dort werden manchmal nur wenige Wochen belegt, recht häufig aber auch länger als drei Monate. Insgesamt 43 verschiedene Personen lebten dort für einige Zeit im Jahr 2019. Die Sozialarbeiter versuchen, die Betroffenen ins zur Einrichtung gehörende Betreute Wohnen zu vermitteln (gleich nebenan) – das ist in zehn Fällen gelungen. Oder sie versuchen, eine Wohnung am freien Markt für die Wohnungslosen zu finden, was im vergangenen Jahr allerdings nur fünf Mal geklappt hat.
An Weihnachten 1982 war es recht plötzlich mit der ambulanten Hilfe für Wohnungslose in Ravensburg losgegangen: Weil damals ein Obdachloser in Ravensburg erfroren ist, wurde die Einrichtung in dem ehemaligen Gasthof in der Nähe des Ravensburger Bahnhofes viel früher eröffnet als eigentlich geplant. So musste die erste Sanierung in den Jahren 1983/84 schon im laufenden Betrieb geschultert werden, wie auch jetzt wieder.
Die aktuelle Sanierung hat ebenfalls zwei Jahre gedauert und 800 000 Euro gekostet, wovon der Diakonische Einrichtungsverbund Dornahof 15 Prozent bezahlen muss, das entspricht 120 000 Euro. Spender sowie Beiträge des Landes , des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales und der Stiftung Wohnhilfe haben nach Angaben des Dornahofs die Sanierung mit ermöglicht. Mit Geldspenden sollen in nächster Zeit weitere Zimmer neu möbliert werden.
Über die Arbeit der Einrichtung können sich Bürger beim Tag der offenen Tür informieren. Dabei wird es erstmals Führungen durchs Haus geben. Weiß betont, man wolle niemanden vorführen, im Wohnbereich würden nur wenige Zimmer nach Absprache gezeigt. Den Bewohnern sei es freigestellt, ob sie anwesend sein wollen.
„Wer seine Wohnung verliert, kommt nicht mehr so leicht an eine neue ran.“
Gabriele Weiß, Leiterin des Württemberger Hofs in Ravensburg