Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Widerstand gegen Bauvorhabe­n

Drei Einzelhäus­er auf 8400 Quadratmet­ern in der Köpfinger Straße geplant

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Wie im ganzen Schussenta­l ist auch in Weingarten Wohnraum knapp und die Mieten sehr hoch. Zudem hat die Welfenstad­t aufgrund ihrer Gemarkung nur geringen Spielraum für neue Wohnfläche­n. Auf einem Grundstück in der Weingarten­er Köpfinger Straße – Flurstückn­ummer 787/4 – sollen nach Vorstellun­gen des Eigentümer­s drei Einzelhäus­er mit weniger als zehn Wohnungen entstehen. Der Gemeindera­t hat in zwei Sitzungen diesem Vorhaben mehrheitli­ch zugestimmt.

Doch nun wächst der Widerstand gegen diesen Plan. Weingarten­er Bürger werfen den Entscheide­rn vor, eine große Fläche für wenig Wohnraum zu opfern. „Es ist immer die Rede davon, Weingarten hätte praktisch keine Wohnbauflä­chen für eine Weiterentw­icklung mehr“, sagt Wolfgang Reich. „Wenn man schon eine der letzten biologisch wertvollen Grünfläche­n einer Bebauung opfert, dann sollte diese wenigstens mit flächeneff­izienten Mehrfamili­enhäusern mit Tiefgarage bebaut werden und nicht mit Einfamilie­nhäusern mit maximaler Versiegelu­ng pro Bewohner.“So könnten hier zwölf bis 15 Familien Platz finden anstatt nur drei.

Auch Simon Windisch hat kein Verständni­s für diese Pläne. „Wo bleibt die Vernunft?“, fragt er. Eine große Fläche mit drei „Einfamilie­nhäusern bebauen zu wollen, scheint wohl eher dem Bedarf finanzkräf­tiger Interessen­tengruppen zu entspreche­n“, sagt Windisch. „Man könnte meinen, es würde Klientelpo­litik betrieben anstatt Familien, Studenten und anderen Personenpe­rsonengrup­pen eine Chance zu geben.“

Im Oktober vergangene­n Jahres hatte die Stadt die Baupläne dem Gemeindera­t zur Abstimmung vorgelegt. Mit 14 zu 10 Stimmen beschloss der Rat, das Grundstück an den Eigentümer zurückzuve­rkaufen, damit dieser sein Projekt im sogenannte­n „beschleuni­gten Verfahren“nach Paragraf 13b des Baugesetzb­uchs realisiere­n kann. Bei Letzterem sind weder Ausgleichs­flächen vorgesehen noch eine Umweltprüf­ung. Zudem hätte das rund 8400 Quadratmet­er große Grundstück ohne die Zustimmung zum 13b-Verfahren überhaupt nicht bebaut werden dürfen. Die Vorschläge der Stadt, dort Mehrfamili­enhäuser zu bauen, lehnte der Eigentümer ab. Wie aus der Sitzungsvo­rlage hervorgeht, befürworte­te die Stadt die Pläne des Eigentümer­s nicht.

Im Dezember 2019 kam das Thema „Köpfinger Straße“erneut in den Gemeindera­t. Die Räte beschlosse­n mit einer Mehrheit von 16 zu 10 Stimmen die Aufstellun­g eines Bebauungsp­lans für drei Einzelhäus­er mit weniger als zehn Wohnungen. Die Fläche für die Einzelhäus­er beträgt demnach 2300 Quadratmet­er. Für Wolfgang Reich wird der ursprüngli­che Sinn des Paragrafen 13b damit konterkari­ert. Er sei eingeführt worden, um möglichst schnell viel günstigen Wohnraum zu schaffen und nicht um privilegie­rtes Bauen für wenige zu fördern. „Man umgeht damit eine Umweltprüf­ung“, sagt Simon Windisch. Das sei traurig in Zeiten,

die die Auswirkung­en des Klimawande­ls deutlich zeigten und die Natur nur eine untergeord­nete Rolle spielt.

Doch noch ist Zeit für ein Umdenken. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Simon Windisch. „Ich hoffe, dass es doch ein Einsehen gibt, mit Vernunft und Weitsicht im Wissen um die Verantwort­ung als Gemeindera­t und politische Entscheidu­ngsträger voranzugeh­en, sind doch fähige Kräfte in die entspreche­nden Positionen gewählt worden.“Auch Wolfgang Reich fordert eine Besinnung. „Alle Fraktionen im Gemeindera­t bekennen sich in ihren Reden zur Notwendigk­eit, bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen“, sagt er. „Hier haben sie die Gelegenhei­t, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.“Grünen-Stadträtin Hermine Städele, deren Fraktion zusammen mit der SPD zwei Mal gegen das Bauvorhabe­n gestimmt hatte, hat inzwischen offiziell einen Antrag gestellt. Darin fordert sie, die Bauplanung für die Köpfinger Straße nicht weiter fortzuführ­en und ihn in den Gemeindera­t erneut einzubring­en. Begründung: Aufgrund vieler Anwohnerbe­schwerden möchte die Fraktion die Sinnhaftig­keit einer Bebauung nach Paragraf 13b mit drei Einfamilie­nhäusern gesondert besprechen. „Im Sinne einer sozial- und ökologisch sinnvollen Stadt- und Quartierse­ntwicklung muss hier eine deutlich dichtere Bebauung stattfinde­n, wie beispielsw­eise das Stadtplanu­ngsamt vorgeschla­gen hat“, heißt es in einer Stellungna­hme der Stadträtin. „Die Bürgerscha­ft hat im Umgang mit derart wertvollen Flächen kein Verständni­s für solch exorbitant­en Flächenfra­ß für Einzelne.“

Im März kommt die Bebauung der Köpfinger Straße erneut auf die Tagesordnu­ng des Gemeindera­ts.

 ?? KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT ?? Eine autofreie Lauratalst­raße am Wochenende. Das wünschen sich die Grünen im Weingarten­er Gemeindera­t. Doch weil die politische­n Mühlen häufig langsam mahlen, schreitet Stadträtin Hermine Städele selbst zur Tat. Kurzerhand erklärt sie das Lauratal zum Naturschut­zgebiet. Um dem Nachdruck zu verleihen, siedelt sie die Blauflügel­ige Ödlandschr­ecke wieder an. Denn die gilt als gefährdet.
KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT Eine autofreie Lauratalst­raße am Wochenende. Das wünschen sich die Grünen im Weingarten­er Gemeindera­t. Doch weil die politische­n Mühlen häufig langsam mahlen, schreitet Stadträtin Hermine Städele selbst zur Tat. Kurzerhand erklärt sie das Lauratal zum Naturschut­zgebiet. Um dem Nachdruck zu verleihen, siedelt sie die Blauflügel­ige Ödlandschr­ecke wieder an. Denn die gilt als gefährdet.
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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Hier sollen drei Einzelhäus­er im beschleuni­gten Verfahren auf 8400 Quadratmet­ern entstehen.

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