Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Widerstand gegen Bauvorhaben
Drei Einzelhäuser auf 8400 Quadratmetern in der Köpfinger Straße geplant
WEINGARTEN - Wie im ganzen Schussental ist auch in Weingarten Wohnraum knapp und die Mieten sehr hoch. Zudem hat die Welfenstadt aufgrund ihrer Gemarkung nur geringen Spielraum für neue Wohnflächen. Auf einem Grundstück in der Weingartener Köpfinger Straße – Flurstücknummer 787/4 – sollen nach Vorstellungen des Eigentümers drei Einzelhäuser mit weniger als zehn Wohnungen entstehen. Der Gemeinderat hat in zwei Sitzungen diesem Vorhaben mehrheitlich zugestimmt.
Doch nun wächst der Widerstand gegen diesen Plan. Weingartener Bürger werfen den Entscheidern vor, eine große Fläche für wenig Wohnraum zu opfern. „Es ist immer die Rede davon, Weingarten hätte praktisch keine Wohnbauflächen für eine Weiterentwicklung mehr“, sagt Wolfgang Reich. „Wenn man schon eine der letzten biologisch wertvollen Grünflächen einer Bebauung opfert, dann sollte diese wenigstens mit flächeneffizienten Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage bebaut werden und nicht mit Einfamilienhäusern mit maximaler Versiegelung pro Bewohner.“So könnten hier zwölf bis 15 Familien Platz finden anstatt nur drei.
Auch Simon Windisch hat kein Verständnis für diese Pläne. „Wo bleibt die Vernunft?“, fragt er. Eine große Fläche mit drei „Einfamilienhäusern bebauen zu wollen, scheint wohl eher dem Bedarf finanzkräftiger Interessentengruppen zu entsprechen“, sagt Windisch. „Man könnte meinen, es würde Klientelpolitik betrieben anstatt Familien, Studenten und anderen Personenpersonengruppen eine Chance zu geben.“
Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Stadt die Baupläne dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt. Mit 14 zu 10 Stimmen beschloss der Rat, das Grundstück an den Eigentümer zurückzuverkaufen, damit dieser sein Projekt im sogenannten „beschleunigten Verfahren“nach Paragraf 13b des Baugesetzbuchs realisieren kann. Bei Letzterem sind weder Ausgleichsflächen vorgesehen noch eine Umweltprüfung. Zudem hätte das rund 8400 Quadratmeter große Grundstück ohne die Zustimmung zum 13b-Verfahren überhaupt nicht bebaut werden dürfen. Die Vorschläge der Stadt, dort Mehrfamilienhäuser zu bauen, lehnte der Eigentümer ab. Wie aus der Sitzungsvorlage hervorgeht, befürwortete die Stadt die Pläne des Eigentümers nicht.
Im Dezember 2019 kam das Thema „Köpfinger Straße“erneut in den Gemeinderat. Die Räte beschlossen mit einer Mehrheit von 16 zu 10 Stimmen die Aufstellung eines Bebauungsplans für drei Einzelhäuser mit weniger als zehn Wohnungen. Die Fläche für die Einzelhäuser beträgt demnach 2300 Quadratmeter. Für Wolfgang Reich wird der ursprüngliche Sinn des Paragrafen 13b damit konterkariert. Er sei eingeführt worden, um möglichst schnell viel günstigen Wohnraum zu schaffen und nicht um privilegiertes Bauen für wenige zu fördern. „Man umgeht damit eine Umweltprüfung“, sagt Simon Windisch. Das sei traurig in Zeiten,
die die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zeigten und die Natur nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Doch noch ist Zeit für ein Umdenken. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Simon Windisch. „Ich hoffe, dass es doch ein Einsehen gibt, mit Vernunft und Weitsicht im Wissen um die Verantwortung als Gemeinderat und politische Entscheidungsträger voranzugehen, sind doch fähige Kräfte in die entsprechenden Positionen gewählt worden.“Auch Wolfgang Reich fordert eine Besinnung. „Alle Fraktionen im Gemeinderat bekennen sich in ihren Reden zur Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt er. „Hier haben sie die Gelegenheit, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.“Grünen-Stadträtin Hermine Städele, deren Fraktion zusammen mit der SPD zwei Mal gegen das Bauvorhaben gestimmt hatte, hat inzwischen offiziell einen Antrag gestellt. Darin fordert sie, die Bauplanung für die Köpfinger Straße nicht weiter fortzuführen und ihn in den Gemeinderat erneut einzubringen. Begründung: Aufgrund vieler Anwohnerbeschwerden möchte die Fraktion die Sinnhaftigkeit einer Bebauung nach Paragraf 13b mit drei Einfamilienhäusern gesondert besprechen. „Im Sinne einer sozial- und ökologisch sinnvollen Stadt- und Quartiersentwicklung muss hier eine deutlich dichtere Bebauung stattfinden, wie beispielsweise das Stadtplanungsamt vorgeschlagen hat“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadträtin. „Die Bürgerschaft hat im Umgang mit derart wertvollen Flächen kein Verständnis für solch exorbitanten Flächenfraß für Einzelne.“
Im März kommt die Bebauung der Köpfinger Straße erneut auf die Tagesordnung des Gemeinderats.