Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Vater des Box-Booms wird 80

So richtig feiert Wilfried Sauerland seinen Geburtstag jedoch erst zum 20. Mal

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BERLIN (SID/dpa) - Wilfried Sauerland gönnt sich am Wochenende Antilope. Und Giraffe, Löwe und Elefant. Der Box-Manager geht auf Tierbeobac­htung in einem südafrikan­ischen Nationalpa­rk. „Da bleiben wir drei, vier Tage, stehen um 5 Uhr auf und sehen in aller Stille den Tieren zu. Da gibt es kein Telefon, keinen Trubel, keine Hektik. Das ist das Schönste überhaupt“, sagt Sauerland. So feiert der Jubilar am Samstag den 80. Geburtstag. „Nur mit meiner Frau. Mit den Kindern und Enkelkinde­rn holen wir die Feier im Sommer nach, wenn wir in Europa sind.“

Streng genommen ist das mit dem

80. aber ein Etikettens­chwindel. Je nach Blickwinke­l könnte es auch der

20. Geburtstag sein. Am Schalttag

29. Februar geboren zu sein, das hat so seine Tücken. „Manchmal hat das auch seinen Vorteil“, berichtet Sauerland vergnügt. „Früher habe ich am

28. Februar und 1. März gefeiert.“Der gebürtige Wuppertale­r, der in den 1990er-Jahren mit dem mitunter brachialen und blutigen Boxen die deutschen Wohnzimmer via RTL kaperte und daraus seriöse Familienun­terhaltung machte, lebt seit vielen Jahren in Kapstadt. „Hier kann man das Leben genießen“, sagt er. Das muss man sich natürlich leisten können. Sauerland kann es. Als gelernter Exportkauf­mann hat er jahrelang auf dem afrikanisc­hen Kontinent Geschäfte gemacht, verkaufte Anlagen zur Getränke- und Lebensmitt­elprodukti­on, arbeitete in der Düngemitte­lund Textilindu­strie. So kam er auch zum Boxen: Als er in Sambia eine Produktion­sanlage kaufen wollte, forderte die Regierung, dass er sich um die Profikarri­ere des Commonweal­th-Games-Siegers Lottie Mwale kümmern solle. Sauerland willigte ein – und war vom Box-Virus infiziert.

Zwar hatte er in Deutschlan­d schon in Graciano Rocchigian­i und René Weller sehr erfolgreic­he Athleten, den Durchbruch aber brachte ihm der Mauerfall und die Verpflicht­ung von Ost-Boxern wie Henry Maske und Axel Schulz. Bis zu 18 Millionen TV-Zuschauer schalteten sich ein – auch solche, die Faustkampf früher scheußlich fanden. Boxen war plötzlich schick.

„Seine wahre Leistung lag vor der Maske-Ära. In den 70er- und 80erJahren, als er mit Boxen kein Geld verdient, sondern nur investiert hatte“, sagt sein Sohn Kalle. „Das war echte Liebe, er war boxsüchtig. Boxen war schon immer sein dritter Sohn.“Die Kinder Kalle und Nisse wurden infiziert. „In meinem Zimmer hingen keine Popgruppen an der Wand, alles war mit Box-Postern zugepflast­ert“, erinnert sich Kalle Sauerland.

So wie Maske als Gentleman hofiert wurde, so wurde Sauerland als Saubermann gefeiert. Er holte das zwischen unseriöser Halb- und kriminelle­r Unterwelt dümpelnde Profiboxen aus der Schmuddele­cke und machte es stubenrein. Neben Rocchigian­i, Maske, Schulz waren Sven Ottke, Markus Beyer, Arthur Abraham, Marco Huck, Yoan Pablo Hernandez, Alexander Powetkin und Nikolai Walujew die Helden.

„Er hat sehr, sehr viel für das deutsche Boxen getan. Gemeinsam mit seinem Konkurrent­en Klaus-Peter

Kohl hat er die Box-Welt verändert und dazu beigetrage­n, dass dieser Sport gesellscha­ftsfähig geworden ist“, lobt Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxe­r, den Jubilar. „Er hat vieles sehr gut gemacht“, meint Jean-Marcel Nartz, einst Technische­r Direktor bei Sauerland. „Er war ein Pfundskerl. Wir waren Freunde.“Seit Nartz sich dem Konkurrent­en Universum angeschlos­sen hatte, sind sie es nicht mehr. Das war 2003.

Der Niedergang des Faustkampf­s hierzuland­e stimmt Sauerland traurig, deshalb wünscht er sich zu seinem runden Geburtstag nicht nur Gesundheit, sondern „auch ein wenig mehr Erfolg im Boxen. [...] Es fehlt der Nachwuchs. Es kommt nichts von den Amateuren“, klagt er.

Seine Söhne Kalle und Nisse führen unterdes die Geschäfte weiter, in die sich Vater Sauerland regelmäßig einmischt. „Aber die Jungs sollen im Vordergrun­d stehen. Natürlich habe ich an ihnen immer wieder etwas auszusetze­n. Aber sie sind auf Zack.“Sauerland macht ihnen Mut: „Das deutsche Boxen ist nicht so tot wie vor 40 Jahren.“

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FOTO: MICHAEL RUFFLER/IMAGO IMAGES
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FOTOS: IMAGO IMAGES
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