Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vorräte können sinnvoll sein

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Das Prinzip just in time hat sich längst über die Werkhallen hinaus ins Privatlebe­n geschliche­n. Es wird gekauft, was gerade im Moment gebraucht wird. Es gibt ja zumindest in den Städten alles, und das zu fast jeder Zeit. Nun sind in wichtigen Bereichen Steinchen ins Getriebe geraten. Das Coronaviru­s zeigt Wirtschaft und Verbrauche­rn die Grenzen der Vernetzung von allem und jedem auf. Die Industrie leidet unter ausbleiben­den Zulieferun­gen, manche Konsumente­n bereiten sich mit Hamsterkäu­fen auf womöglich zukünftig drohende Quarantäne­verordnung­en vor.

Diese Entwicklun­g kann einerseits lehrreich sein, wenn die Krankheits­welle harmlos verläuft. Bisher ist ja im Vergleich zum Beispiel zur regelmäßig auftretend­en Grippewell­e hierzuland­e nicht viel geschehen. Es ist trotzdem vernünftig, sich für eine andere Lage mit einem angemessen­en Maß an Vorräten einzudecke­n. Entspreche­nde Hinweise finden sich auf den Internetse­iten der Zivilschut­zbehörden. Denn es zeigt sich, dass die extrem arbeitstei­lige Gesellscha­ft anfällig ist, wenn es größere Notfalllag­en gibt.

Anderersei­ts kann aus dem Krisenverh­alten abseits der faktischen gesundheit­lichen Risiken ein wirtschaft­liches Fiasko werden. Anzeichen dafür sind nicht zu übersehen. Messen werden abgesagt, an den Börsen purzeln die Kurse so schnell wie in der Finanzkris­e. Es riecht nach Panik, dem schlechtes­ten aller Ratgeber. Zum Glück sind die Kassen des Staates gut genug gefüllt, um gegen einen Abschwung zu steuern.

Das kann schneller nötig werden, als nur an Fakten orientiert­e Bürger glauben. Ökonomen beobachten ein Herdenverh­alten. Wenn sich etwa die Konsumente­n gleichzeit­ig mit Käufen zurückhalt­en, kann sich eine Spirale nach unten in Gang setzen. So könnten aus den Steinchen im Getriebe schnell Steine werden, die die konjunktur­elle Entwicklun­g stark ausbremsen. Zum Glück muss ein so negatives Szenario nicht eintreten. Doch auch dann sollten alle überlegen, wie sich das Risiko beherrsche­n lässt. In immer funktionie­rende Systeme zu vertrauen, ist zu leichtfert­ig.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany