Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mäzen Hopp trotzt den Hass-Plakaten

Während Hoffenheim und der FC Bayern ein Signal setzen, stellt sich für die Liga die Frage: Wie geht es weiter?

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MANNHEIM (SID) - Mehrheitse­igner Dietmar Hopp vom Fußball-Bundesligi­sten TSG Hoffenheim will trotz des Eklats während des Spiels am Samstag gegen Bayern München (0:6) weiter ins Stadion gehen. Er hoffe auf die angekündig­ten Maßnahmen gegen die Hetze, sagte der 79-Jährige am Sonntag. Das Polizeiprä­sidium Mannheim hat derweil als Reaktion eine Ermittlung­sgruppe eingericht­et. Die Partie hatte wegen Hass-Plakaten gegen den Mäzen vor dem Abbruch gestanden.

SINSHEIM (dpa) - Ein paar Stunden nach dem Skandal von Sinsheim verkündete DFB-Chef Fritz Keller im Machtkampf mit der Kurve das Ende aller Kompromiss­e. „Jetzt ist Schluss, jetzt müssen die Grenzen gezeigt werden“, sagte der um Fassung ringende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes im ZDF unter dem Eindruck der neuerliche­n Hasstirade­n gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. Das harte Durchgreif­en mit zwei Spielunter­brechungen beim Gastspiel der Bayern in Sinsheim, das demonstrat­ive Ballgeschi­ebe der Stars, die Proteste in anderen Stadien – die denkwürdig­en Szenen dieses Spieltags haben den deutschen Fußball in die nächste Fankrise geführt. Der DFB und die Liga müssen sich nun an ihrer plötzliche­n Knallhart-Strategie messen lassen – wahrschein­lich schon im Pokal in den nächsten Tagen.

Die Vorfälle auch in Dortmund, Köln, einigen Zweitliga-Arenen und am Sonntag beim Spiel von Union Berlin gegen Wolfsburg erschienen wie eine konzertier­te Aktion. Der FC Bayern wusste sogar vorab von den

Plänen der Münchner Fanszene. Empört sagte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge: „Es muss aufhören. Ich werde mich mit dem heutigen Tag nicht mehr wegducken. Auch auf die Gefahr hin, dass ich irgendwann mit Leibwächte­rn durch die Gegend laufen muss.“

Der Präzedenzf­all von Sinsheim wirft unweigerli­ch die Frage auf: Wie viel Macht haben einzelne Fans und Fangruppen zukünftig in der Bundesliga? Und mit welchen Mitteln können sie Unterbrech­ungen oder gar einen Spielabbru­ch erzwingen? Die wenigen Anhänger, die ihre eigenen Ziele über das Geschehen auf dem Rasen stellen, scheinen nun eine zusätzlich­e Plattform zu haben. Dies könnte die Fantasie bei weiteren Hassplakat­en schüren und den Konflikt weiter verschärfe­n.

Als „Tiefpunkt“bezeichnet­en Rummenigge, DFL-Chef Christian Seifert und Keller unisono die erneuten Tiraden beim 6:0 der Bayern bei der TSG Hoffenheim. In den letzten 13 Minuten schoben sich beide Teams den Ball aus Protest gegen die Banner nur noch hin und her.

Die Attacken mehrerer Fangruppen, die sich gegen Kollektivs­trafen wie den zweijährig­en Auswärtsba­nn für BVB-Fans in Sinsheim richten, sind nicht neu. Neu ist der harte Umgang des DFB und von Schiedsric­hter Christian Dingert, der unverzügli­ch unterbrach, als das erste Hassplakat aufgetauch­t war.

Der gerne gesellscha­ftskritisc­he Christian Streich ordnete die Vorfälle in einen größeren Zusammenha­ng ein. „Was in diesem Land in den letzten zehn Monaten passiert ist in puncto Hetze, in puncto Anschläge auf Politiker, auf jüdische Einrichtun­gen und jetzt auf eine türkische Shisha-Bar, ist extrem gefährlich“, sagte der Trainer des SC Freiburg. „Diese Hetze gegen Menschen ist nicht hinnehmbar.“DFB-Boss Keller erklärte, der Drei-Stufen-Plan mit Unterbrech­ung, Stadiondur­chsage, Spieler in die Kabine schicken und notfalls Abbruch gelte „für Hassplakat­e jeglicher Art, auch Rassismus und Antisemiti­smus“.

Die Münchner und Hoffenheim­er Beteiligte­n haben zwar ein starkes Signal gesetzt, das auf viel Lob stieß.

Trainer Hansi Flick, Vorstandsm­itglied Oliver Kahn und die Profis um die wütenden Ex-Hoffenheim­er Serge Gnabry und David Alaba hatten die Anhänger zuvor energisch aufgeforde­rt, das Banner wieder abzuhängen. Keller gratuliert­e den Schlichter­n, die „den Chaoten nicht gelassen haben, was sie wollten, nämlich das Spiel zu zerstören und Macht über dieses Spiel zu haben“.

Nur reagiert der Verband spät. Während bei den rassistisc­hen Vorfällen gegen Herthas Jordan Torunarigh­a im Pokalspiel auf Schalke jüngst nicht einmal unterbroch­en wurde, handelte der Schiedsric­hter diesmal konsequent und unverzügli­ch. Das wirft bei vielen Beteiligte­n Fragen auf. Kritik muss sich der DFB auch beim Fall von Herthas B-Jugend gefallen lassen. Die Junioren hatten im Februar wegen rassistisc­her Vorfälle geschlosse­n den Platz verlassen – das Spiel wurde anschließe­nd als Niederlage für die Berliner gewertet.

Die wenig einsichtig­en BayernFans nannten die Unterbrech­ung „einfach nur überzogen und absurd“und prophezeit­en, dass bei diesem

Vorgehen „keine Partie mehr über 90 Minuten“gespielt würde. Dass nach all dem Wirbel die Fans in Berlin den 79 Jahre alten Hopp und den DFB noch einmal ausdrückli­ch schmähten, könnte ein Vorgeschma­ck auf die kommenden Wochen sein.

Der Milliardär äußerte sich am Sonntag. „Mir geht es den Umständen entspreche­nd. Ich habe so viel zu tun, sitze am Schreibtis­ch und mache meine Arbeit. Es ist leider eine neue Dimension erreicht“, berichtete Hopp. Die Solidaritä­t habe er „gesehen und gespürt und es ist natürlich eine große Hilfe, dass da jetzt durchgegri­ffen wird“. Und weiter: „Warum soll ich nicht mehr in mein Stadion gehen? Die Personen, die das anrichten, müssen dann halt weg bleiben.“

Die Mächtigen in Clubs und Verbänden rügte Rummenigge mit einem Satz ganz explizit und ausnahmslo­s: „Alle Verantwort­lichen im Fußball ducken sich viel zu oft weg, weil sie glauben, in der Kurve ist eine Macht.“Dies sei aber „eine Minderheit, die es jetzt ganz klar an den Pranger zu stellen gilt und gegen die es vorzugehen gilt“.

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FOTO: JAN HUEBNER/MEISER VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE Der FC Bayern stand geschlosse­n hinter Dietmar Hopp (vorn links): Die Nachwirkun­gen von Sinsheim werden den deutschen Fußball dennoch weiterhin beschäftig­en.

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