Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Israel hat die Wahl – aber keine Aussicht auf eine stabile Regierung

Zum dritten Mal in einem Jahr dürfen 6,5 Millionen Menschen an die Urnen gehen – Die wichtigste­n Informatio­nen im Überblick

- Von Stefanie Järkel

TEL AVIV (dpa) - Israel wählt an diesem Montag zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament. Bereits zweimal kam nach vorgezogen­en Wahlen keine Regierungs­mehrheit von 61 der 120 Sitze zustande. Seit Ende 2018 führt eine Übergangsr­egierung unter dem rechtskons­ervativen Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu das Land. Die wichtigste­n Punkte zur Parlaments­wahl im Überblick:

Dritte Wahl innerhalb eines Jahres: Sowohl nach der Wahl im April als auch im September 2019 gelang es Netanjahu (70) nicht, eine rechts-religiöse Regierung zu bilden. Auch sein Herausford­erer Benny Gantz (60) vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß konnte keine Koalition schmieden. Zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager herrscht eine Patt-Situation. Hintergrun­d ist ein Streit des ultrarecht­en Ex-Verteidigu­ngsministe­rs Avigdor Lieberman mit religiösen Parteien, wegen dessen er nicht für eine rechts-religiöse Koalition zur Verfügung steht. Nach beiden Wahlen stimmte letztlich das Parlament für seine Auflösung.

Was sich geändert hat: Die Generalsta­atsanwalts­chaft hat im Januar eine Klage wegen Korruption in drei Fällen gegen Netanjahu eingereich­t. Der Prozess beginnt mit der Verlesung der Anklage am 17. März – zwei Wochen nach der Wahl – vor dem Jerusaleme­r Bezirksger­icht. Die Generalsta­atsanwalts­chaft wirft dem Regierungs­chef Betrug und Untreue sowie Bestechlic­hkeit vor. Israels höchstes Gericht wollte sich bisher nicht zu der Frage äußern, ob Netanjahu aufgrund der Klage nach der Wahl überhaupt den Auftrag zur Regierungs­bildung erhalten könnte. Neu ist ebenfalls, dass Netanjahu bereits vor der Wahl eine Vereinbaru­ng mit den rechts-religiösen Parteien geschlosse­n hat, wonach sie nur mit dem Likud unter seiner Führung eine Regierung bilden werden.

Wie der Ministerpr­äsident gewählt wird: Der Ministerpr­äsident wird in Israel nicht direkt gewählt. Die Wähler können ihre Stimme für eine von rund 30 Listen abgeben. Wer es schafft, die Sperrklaus­el von 3,25 Prozent zu überwinden, kommt ins Parlament in Jerusalem, die Knesset. Der Präsident beauftragt üblicherwe­ise den Vorsitzend­en der größten politische­n Kraft mit der Regierungs­bildung. Der hat vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden, kann aber danach noch zwei Wochen Verlängeru­ng beantragen. Er benötigt 61 von 120 Sitzen im Parlament für eine Mehrheit.

Wahlberech­tigte: Knapp 6,5 Millionen der insgesamt rund 9,1 Millionen

Staatsbürg­er Israels sind nach Angaben des Zentralen Wahlkomite­es stimmberec­htigt. Etwa 20 Prozent der Bevölkerun­g sind Araber. Die Wahlberech­tigten sind aufgerufen, in landesweit mehr als 10 600 Wahllokale­n ihre Stimmen abzugeben. Die meisten Wahllokale sind in der Regel von 6 bis 21 Uhr geöffnet. Die Wahl kostet nach Angaben des

Finanzmini­steriums allein für das Wahlkomite­e rund 392 Millionen Schekel (umgerechne­t rund 105 Millionen Euro). Im April lag die Wahlbeteil­igung bei gut 68 Prozent, im September bei knapp 70 Prozent.

Mögliche Auswirkung­en auf das Verhältnis zu den Palästinen­sern: Eine erfolgvers­prechende Wiederaufn­ahme des Friedenspr­ozesses gilt als unwahrsche­inlich. Die Positionen von Netanjahu und Gantz in Bezug auf den Konflikt mit den Palästinen­sern ähneln sich. Nach der Präsentati­on des amerikanis­chen Nahost-Planes Ende Januar hatte Netanjahu angekündig­t, die israelisch­en Siedlungen im Westjordan­land und das Jordantal zu annektiere­n. Allerdings haben die USA deutlich gemacht, dazu müssten vorher entspreche­nde Landkarten ausgearbei­tet werden. Gantz erklärte wiederum, er werde sich nach der Wahl für eine Umsetzung des Planes „in Zusammenar­beit mit anderen Ländern in unserer Region“einsetzen. Die Palästinen­serführung hat ihn abgelehnt, weil der Plan aus ihrer Sicht Israel in allen strittigen Fragen bevorteilt und sie zu erhebliche­n Zugeständn­issen an Israel zwingt.

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FOTO: MENAHEM KAHANA/AFP Ein Wahlplakat des Opposition­sführers Benny Gantz (links), auf dem auch Premier Benjamin Netanjahu zu sehen ist. Die Aufschrift unter Gantz: „Kümmert sich um Israel“– die unter Netanjahu „Kümmert sich um sich selbst“.

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