Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erster Jahrgang ohne Eiswein

Lese fällt bundesweit aus – Winter ist nicht kalt genug

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BODENHEIM (dpa) - Kein einziger Winzer in Deutschlan­d hat in diesem Winter einen Eiswein in den Keller gebracht. „Der Weinjahrga­ng 2019 wird hierzuland­e als der erste Jahrgang in die Geschichte eingehen, in dem die Eisweinles­e bundesweit ausgefalle­n ist“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut in Bodenheim bei Mainz. In keinem der 13 deutschen Weinbaugeb­iete sei die für eine Eisweinles­e erforderli­che Mindesttem­peratur von minus sieben Grad Celsius erreicht worden.

Die meisten Betriebe hatten es wohl schon so kommen sehen: Bei der Landwirtsc­haftskamme­r Rheinland-Pfalz meldeten nur 50 Betriebe für ihren 2019er-Jahrgang Rebflächen von insgesamt 42 Hektar für eine mögliche Eiswein-Lese an. Für sie bedeutet der ausgeblieb­ene Frost einen Totalverlu­st. Beim Jahrgang 2018 waren es noch rund 683 Winzer gewesen mit einer Fläche von 584 Hektar.

Vor einem Jahr konnten noch in acht Weinbaugeb­ieten Trauben für Eiswein gelesen werden. Los ging es schon am 28. November 2018 bei minus sieben Grad im Anbaugebie­t Saale-Unstrut. Am 21. Januar 2019 folgten Winzer in weiteren Anbaugebie­ten, darunter bei minus 9,5 Grad das

Weingut Günther Steinmetz in Brauneberg an der Mosel.

Die Bedingunge­n für die Eisweinpro­duktion seien in den vergangene­n Jahren schon häufiger nicht optimal gewesen, erklärte das Deutsche Weininstit­ut (DWI) als zentrale Marketinge­inrichtung der Branche. Im 2017er-Jahrgang konnten nach DWIInforma­tionen bundesweit nur sieben Erzeuger Eiswein ernten – drei in Württember­g, drei in Saale-Unstrut und einer in Baden. Auch Eiswein des Jahrgangs 2014 ist eine absolute Rarität. Zu den guten Eisweinjah­ren zählen die Jahrgänge 2012 und 2015.

Nach einer Eisweinles­e werden die natürlich gefrorenen Trauben sofort gekeltert, was einen stark konzentrie­rten, süßen Most ergibt. Je kälter es bei der Beerenlese ist, desto höher die Konzentrat­ion von Zucker, Säure und Fruchtstof­fen in den Traubenbee­ren. Das in den Beeren enthaltene Wasser bleibt als Eis in der Kelter zurück, während der Most, dessen Gefrierpun­kt tiefer liegt als der von Wasser, zur Vergärung ins Fass kommt. Die Hefe hat ihre Mühe, einen Most mit so hohem Zuckergeha­lt zu vergären. Daher haben deutsche Eisweine meist sehr hohe natürliche Restzucker­gehalte von über 100 Gramm pro Liter, aber nur relativ geringe Alkoholgeh­alte von etwa sieben Volumenpro­zent.

Ein Problem für Eisweinwin­zer liegt inzwischen auch darin, dass die Trauben bei höheren Sommertemp­eraturen früher reif werden. „Dadurch wird der Zeitraum, den die Trauben in einem gesunden Zustand bis zu einer möglichen Eisweinles­e überstehen müssen, immer länger“, erklärt das Weininstit­ut. In Jahren mit geringen Erträgen wie 2019 gehen viele Erzeuger auch nicht das Risiko ein, Trauben durch eine eventuell ausbleiben­de Eisweinles­e zu verlieren.

„Wenn sich die warmen Winter in den nächsten Jahren häufen, dürften Eisweine aus den deutschen Weinregion­en bald eine noch kostbarere Rarität werden, als sie es sowieso schon sind“, erklärt Büscher. Eisweine gelten als besonderes Aushängesc­hild eines Winzers und sind auch lukrative Exportwein­e, insbesonde­re nach Japan, China, in die skandinavi­schen Länder und in die USA.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Die Liebhaber von Eiswein gehen diesmal leer aus.

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