Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Plastiktütenverbot im „Big Apple“
New York verbannt Einwegbeutel – Pro Jahr werden dort zehn Milliarden verbraucht
NEW YORK (dpa) - Das Fazit war eindeutig: „Überall in New York sind Plastiktüten zu einem allgegenwärtigen Anblick geworden“, schrieb die eigens eingerichtete Kommission für Plastiktüten des Bundesstaats New York in ihrem Abschlussbericht. „Sie hängen an Bäumen fest, vermüllen unsere Stadtviertel, treiben in unseren Gewässern und sind grundsätzlich ästhetische Schandflecke in unserer Natur.“Mehr als 23 Milliarden Plastiktüten werden im Bundesstaat New York mit etwa 20 Millionen Einwohnern jedes Jahr verbraucht.
Aber damit soll jetzt weitgehend Schluss sein. Am Sonntag ist in New York ein Plastiktütenverbot in Kraft getreten. Der Bundesstaat ist nach Kalifornien und Oregon der dritte in den USA mit einem weitgehenden Verbot, zudem gibt es viele lokale Regelungen. Mit New York gilt ein Verbot nun auch in der größten Stadt des Landes, die alleine mehr als zehn Milliarden nicht wiederverwendbare Tüten im Jahr verbraucht – in Deutschland sind es laut Umweltbundesamt zwei Milliarden, dazu kommen noch viele Plastikbeutel für Obst und Gemüse.
In New York aber galt die Plastiktüte bislang als selbstverständliches „Grundbedürfnis des urbanen Lebens“, wie die „New York Daily News“jüngst schrieb. Die „New York Times“warf noch einen nostalgischen „letzten Blick auf die (vielen) Plastiktüten von New York“– mit den verschiedensten Motiven und in allen erdenklichen Farben. „Wenn das Verbot erfolgreich ist, dann werden diese vertrauten Objekte irgendwann Gegenstand der New Yorker Vergangenheit sein.“
Von dem Verbot betroffen sind nicht wiederverwendbare Plastiktüten und alle Arten von Läden und Einkäufen. Nur unter anderem rohes Fleisch, lose Massenware, verschreibungspflichtige Medikamente und zum Mitnehmen bestellte Speisen sind ausgenommen. Anstelle von kostenlosen Plastiktüten können die Läden nun für fünf Cents Papiertüten verkaufen, davon gehen zwei Cents an die lokale Verwaltung und drei an Naturschutzprogramme. Wer gegen das Verbot verstößt, dem drohen – nach einer Umgewöhnungsphase
– Geldstrafen. Die Stadt will rund 100 000 wiederverwendbare Plastiktüten verteilen.
Die Millionenmetropole New York hat sich in den vergangenen Jahren öffentlich dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. So betonte Bürgermeister Bill de Blasio beispielsweise, die Stadt wolle die Ziele des Pariser Klima-Abkommens erfüllen – auch wenn die US-Regierung daraus ausgestiegen ist. Trotzdem sind einige Verhaltensweisen, die andernorts schon lange als klimaschädlich verpönt gelten, in New York noch weit verbreitet: So lassen viele Menschen beispielsweise ihre geparkten Autos im Leerlauf an und bleiben über längere Zeit darin sitzen. Und nur sehr wenige Menschen bringen ihren eigenen Becher mit, wenn sie sich ein Getränk in einem Café mitnehmen.
Fast alle lokalen Politiker und rund zwei Drittel der New Yorker befürworten Umfragen zufolge das Plastiktütenverbot – aber an der Umsetzbarkeit zweifeln trotzdem viele, so allgegenwärtig sind Plastiktüten in der Stadt. Verkäufer geben auch gerne gleich zwei übereinander heraus, falls eine zerreißen sollte.
Aber die New Yorker könnten sich schnell umgewöhnen, sagt der demokratische Stadtrat Brad Lander aus Brooklyn. „Wir sind sehr fähig. Wir denken an unsere Geldbeutel und Handtaschen, also können wir uns auch daran gewöhnen.“
Viele seiner Kollegen sehen das allerdings weitaus skeptischer. „Die Kunden wissen von den neuen Regeln noch nichts und werden nicht darauf vorbereitet sein“, mahnte der demokratische Stadtrat Mark Gjonaj aus der Bronx zuletzt immer wieder. Stadtrat Ydanis Rodriguez aus Manhattan warnte zudem, dass Menschen mit geringem Einkommen sich keine wiederverwendbaren Tüten leisten können.
„Das wird eine riesige Umstellung“, seufzte eine Verkäuferin in einem Laden der Drogeriekette Duane Reade in Manhattan kurz vor Inkrafttreten des Verbots – und riet, noch schnell ein paar Plastiktüten auf Vorrat einzustecken. Die neuen Papiertüten seien viel zu klein, sagt ihre Kollegin. „Alle Kunden beschweren sich schon.“