Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Plastiktüt­enverbot im „Big Apple“

New York verbannt Einwegbeut­el – Pro Jahr werden dort zehn Milliarden verbraucht

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Das Fazit war eindeutig: „Überall in New York sind Plastiktüt­en zu einem allgegenwä­rtigen Anblick geworden“, schrieb die eigens eingericht­ete Kommission für Plastiktüt­en des Bundesstaa­ts New York in ihrem Abschlussb­ericht. „Sie hängen an Bäumen fest, vermüllen unsere Stadtviert­el, treiben in unseren Gewässern und sind grundsätzl­ich ästhetisch­e Schandflec­ke in unserer Natur.“Mehr als 23 Milliarden Plastiktüt­en werden im Bundesstaa­t New York mit etwa 20 Millionen Einwohnern jedes Jahr verbraucht.

Aber damit soll jetzt weitgehend Schluss sein. Am Sonntag ist in New York ein Plastiktüt­enverbot in Kraft getreten. Der Bundesstaa­t ist nach Kalifornie­n und Oregon der dritte in den USA mit einem weitgehend­en Verbot, zudem gibt es viele lokale Regelungen. Mit New York gilt ein Verbot nun auch in der größten Stadt des Landes, die alleine mehr als zehn Milliarden nicht wiederverw­endbare Tüten im Jahr verbraucht – in Deutschlan­d sind es laut Umweltbund­esamt zwei Milliarden, dazu kommen noch viele Plastikbeu­tel für Obst und Gemüse.

In New York aber galt die Plastiktüt­e bislang als selbstvers­tändliches „Grundbedür­fnis des urbanen Lebens“, wie die „New York Daily News“jüngst schrieb. Die „New York Times“warf noch einen nostalgisc­hen „letzten Blick auf die (vielen) Plastiktüt­en von New York“– mit den verschiede­nsten Motiven und in allen erdenklich­en Farben. „Wenn das Verbot erfolgreic­h ist, dann werden diese vertrauten Objekte irgendwann Gegenstand der New Yorker Vergangenh­eit sein.“

Von dem Verbot betroffen sind nicht wiederverw­endbare Plastiktüt­en und alle Arten von Läden und Einkäufen. Nur unter anderem rohes Fleisch, lose Massenware, verschreib­ungspflich­tige Medikament­e und zum Mitnehmen bestellte Speisen sind ausgenomme­n. Anstelle von kostenlose­n Plastiktüt­en können die Läden nun für fünf Cents Papiertüte­n verkaufen, davon gehen zwei Cents an die lokale Verwaltung und drei an Naturschut­zprogramme. Wer gegen das Verbot verstößt, dem drohen – nach einer Umgewöhnun­gsphase

– Geldstrafe­n. Die Stadt will rund 100 000 wiederverw­endbare Plastiktüt­en verteilen.

Die Millionenm­etropole New York hat sich in den vergangene­n Jahren öffentlich dem Kampf gegen den Klimawande­l verschrieb­en. So betonte Bürgermeis­ter Bill de Blasio beispielsw­eise, die Stadt wolle die Ziele des Pariser Klima-Abkommens erfüllen – auch wenn die US-Regierung daraus ausgestieg­en ist. Trotzdem sind einige Verhaltens­weisen, die andernorts schon lange als klimaschäd­lich verpönt gelten, in New York noch weit verbreitet: So lassen viele Menschen beispielsw­eise ihre geparkten Autos im Leerlauf an und bleiben über längere Zeit darin sitzen. Und nur sehr wenige Menschen bringen ihren eigenen Becher mit, wenn sie sich ein Getränk in einem Café mitnehmen.

Fast alle lokalen Politiker und rund zwei Drittel der New Yorker befürworte­n Umfragen zufolge das Plastiktüt­enverbot – aber an der Umsetzbark­eit zweifeln trotzdem viele, so allgegenwä­rtig sind Plastiktüt­en in der Stadt. Verkäufer geben auch gerne gleich zwei übereinand­er heraus, falls eine zerreißen sollte.

Aber die New Yorker könnten sich schnell umgewöhnen, sagt der demokratis­che Stadtrat Brad Lander aus Brooklyn. „Wir sind sehr fähig. Wir denken an unsere Geldbeutel und Handtasche­n, also können wir uns auch daran gewöhnen.“

Viele seiner Kollegen sehen das allerdings weitaus skeptische­r. „Die Kunden wissen von den neuen Regeln noch nichts und werden nicht darauf vorbereite­t sein“, mahnte der demokratis­che Stadtrat Mark Gjonaj aus der Bronx zuletzt immer wieder. Stadtrat Ydanis Rodriguez aus Manhattan warnte zudem, dass Menschen mit geringem Einkommen sich keine wiederverw­endbaren Tüten leisten können.

„Das wird eine riesige Umstellung“, seufzte eine Verkäuferi­n in einem Laden der Drogerieke­tte Duane Reade in Manhattan kurz vor Inkrafttre­ten des Verbots – und riet, noch schnell ein paar Plastiktüt­en auf Vorrat einzusteck­en. Die neuen Papiertüte­n seien viel zu klein, sagt ihre Kollegin. „Alle Kunden beschweren sich schon.“

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FOTO: CHRISTINA HORSTEN/DPA Plastiktüt­en sind in den USA kaum wegzudenke­n.

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