Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten­erin hat Krebs schon zweimal besiegt

Pina Giaffreda unterstütz­t andere Betroffene mit der Aktion „Onkomütze“

- Von Stefanie Keppeler

WEINGARTEN - Bereits zweimal hat Pina Giaffreda in ihrem Leben den Krebs besiegt. Mit 18 Jahren erhielt die gebürtige Ravensburg­erin damals die Diagnose: Krebs, Stadium 3. Doch sie kämpfte, besiegte den Krebs und lebte knapp 20 Jahre krebsfrei. Im April 2018 wird Giaffreda erneut mit der Diagnose Krebs konfrontie­rt. „Ich wusste sofort, noch bevor ich zum Arzt ging, dass der Krebs zurück ist“, so die 49-Jährige, die mit ihrer Familie in Weingarten lebt. Die Diagnose lautete Brustkrebs, beidseitig. Es folgte eine sofortige OP mit anschließe­nder Chemothera­pie und Bestrahlun­g. „In dem Moment zieht es dir schon den Boden unter den Füßen weg.“Bei ihrer ersten Krebserkra­nkung sei sie leichter damit umgegangen, habe sich keine großen Gedanken gemacht. Dieses Mal sei es anders. „Ich habe Angst. Aber Aufgeben gilt nicht. Ich bin dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen, dann eben noch ein zweites Mal,“erzählt sie. Als ihr durch die Therapie Büschel von Haaren auf dem Kopf ausfallen, lässt sie sich kurzentsch­lossen die Haare abrasieren. Ihr 19-jähriger Sohn schneidet sich daraufhin ebenfalls eine Glatze, als Zeichen des Zusammenha­lts.

Während der Therapie sei es ihr körperlich nicht gut gegangen. Giaffreda kämpft wie viele Betroffene mit den Nebenwirku­ngen der Therapie. Starkes Schwitzen, dauernde Übelkeit. Sie berichtet, dass sie trotzdem in dieser Zeit von Bekannten angesproch­en wurde, wie gut sie aussehe, man ihr die Krankheit ja eigentlich gar nicht direkt ansehen würde. Ihre Antwort: „Na ja, ich habe den Krebs ja auch nicht im Gesicht!“So sei sie. Offen, positiv und humorvoll. Schwierig sei es trotzdem oft gewesen. Neugierige Blicke, teilweise hätten Menschen sie regelrecht angestarrt. Eine Mütze zu tragen, vermittle ein Gefühl der Sicherheit, auch wenn die Krankheit trotzdem offen“sichtlich“sei. Giaffreda ist derzeit noch arbeitsunf­ähig. „Ich habe mein Leben lang gearbeitet, war immer aktiv. Mir fällt es schwer, aber ich kämpfe mich jeden Tag einen Schritt zurück in mein altes Leben“, sagt sie.

Um sich von der Krankheit abzulenken, stöbert sie Ende vergangene­n Jahres im Internet und stößt durch Zufall auf die Facebook-Gruppe „Onkomütze“. Eine im September 2019 erstellte Gruppe, die aktuell deutschlan­dweit über 2800 registrier­te Mitglieder verzeichne­t und Betroffene unterstütz­t. Das Motto der Interessen­gemeinscha­ft: „Gebt dem Krebs eins auf die Mütze.“Die Gruppe Onkomütze besteht aus Menschen, die gerne nähen, stricken und häkeln. Aus gespendete­n Stoffen und Wolle fertigen sie für an Krebs erkrankte Menschen kostenlos maßgeferti­gte Mützen an. Die Mützen oder Beanies dienen nicht nur dazu, die oft ausfallend­en Haare bei der

Chemothera­pie zu verbergen und den Kopf zu schützen, sondern sollen auch ein Zeichen der Solidaritä­t setzen, so die Interessen­gemeinscha­ft.

Betroffene können an bestimmten Orten wie beispielsw­eise in Krankenhäu­sern oder beim Onkologen einen Gutschein für jeweils eine Onkomütze erhalten. Farben, Muster und Motive können individuel­l gewählt werden. Giaffreda ist von der Idee begeistert, fühlt sich sofort angesproch­en und beginnt direkt, Onkomützen zu stricken. „Das Stricken ist eine Form der Therapie für mich geworden. Es lenkt mich von negativen Gedanken ab“, erzählt sie. Durch Zufall trifft sie innerhalb der regionalen Onkomütze-Gruppe auf Ulrike Eger aus Bad Waldsee. Die beiden Frauen verabreden sich kurzerhand zum Kaffee in Weingarten. „Wir haben uns sofort super verstanden“, so Ulrike

Eger. Die 59-Jährige ist selbst nicht von Krebs betroffen, aber seit jeher sozial engagiert. Die Mutter von fünf mittlerwei­le erwachsene­n Kindern hat ihre Mutter an Krebs verloren und befasst sich beruflich seit über 20 Jahren mit Sterbebegl­eitung. Sie ist derzeit ebenfalls krankheits­bedingt arbeitsunf­ähig und suchte sich deshalb wie Giaffreda eine sinnvolle Aufgabe. Ihr gemeinsame­s Ziel stand nach etlichen Kaffees fest: die Interessen­gemeinscha­ft Onkomütze in der Region bekannter machen, Menschen für die Aktion gewinnen und auf Spenden aufmerksam machen. „Die Gruppe ist auf Woll- und Stoffspend­en sowie auf Portospend­er, sogenannte Portopaten, angewiesen“, so Eger. Die Mitglieder der Gruppe engagieren sich ehrenamtli­ch. Eger hat bereits über 150 Mützen genäht. Die gesamte Onkomütze-Gruppe Deutschlan­d hat seit Oktober 2019 über 5000 Mützen kostenlos an Betroffene ausgegeben. „Die Gruppe kommt kaum mit der Produktion hinterher. Wir benötigen dringend Stoff- und Wollspende­n“, so Giaffreda.

Es gehe einem schon sehr ans Herz, vor allem, wenn Aufträge für Baby- oder Kindermütz­en eingehen, da sind sich beide einig. Das Positive an der ganzen Aktion überwiege aber. „Wir geben dem Krebs eins auf die Mütze und freuen uns auf Spenden und Menschen, die bei Onkomütze mitmachen möchten“, so die beiden Frauen.

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FOTO: STEFANIE KEPPELER Ulrike Eger (links) und Pina Giaffreda bei der Herstellun­g der Onkomützen.

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