Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kein Happy End in Sicht

Dem alpinen Skizirkus – und Thomas Dreßen, der sich in Hinterstod­er beide Schultern auskugelte, droht das vorzeitige Saisonende

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HINTERSTOD­ER (dpa) - Thomas Dreßen rang sich ein Lächeln ab, als er mit zwei lädierten Schultern und vielen Fragen aus Hinterstod­er abreiste. Nach dem Sturz im Super-G am Samstag, bei dem sich der beste deutsche Skirennfah­rer das rechte und auch das linke Gelenk auskugelte, hielt sich Dreßen mit einer Prognose zurück. „Die Schmerzen sind stark in beiden Schultern“, berichtete der 26Jährige. „Jetzt müssen wir mal nachschaue­n, wie schlimm das genau ist.“Eine MRT-Untersuchu­ng am Montag soll zeigen, ob weitere Verletzung­en vorliegen. Im schlimmste­n Fall ist Dreßens Saison, seine bislang beste mit allein drei famosen Abfahrtssi­egen, vorzeitig vorbei.

Der Speed-Spezialist rutschte bei schwierige­n Pistenverh­ältnissen weg und stürzte auf die Seite. Die rechte Schulter sprang heraus, als er darauf prallte. Die linke wurde durch den abrupten Bremser und den Airbag, der sich blitzschne­ll öffnete, in Mitleidens­chaft gezogen. Beide Schultern renkten sich schnell wieder ein. Ob bei dem Unfall aber Bänder beschädigt wurden, wird Dreßen zwei Wochen nach seinem Abfahrtssi­eg und dem dritten Platz im Super-G von Saalbach-Hinterglem­m erst beim MRT-Check erfahren.

Über dem alpinen Ski-Weltcup und dem deutschen Team hängt eine graue Wolke. Wetterturb­ulenzen, schwierige Pistenbedi­ngungen und etliche Absagen dämpfen die Lust. Der Deutsche Skiverband hatte zuletzt einige Ausfälle zu beklagen. Alles wird überschatt­et von der unsicheren Coronaviru­s-Situation und einem möglichen vorzeitige­n Saisonende. Es beschleich­t einen das Gefühl, die Teams wären über eine Verkürzung dieses Holperwint­ers nicht unglücklic­h. „Nein“, widersprac­h Wolfgang Maier. „Die Athleten wollen fahren, wir wollen die Saison nicht abbrechen.“Allerdings räumte der deutsche Alpinchef ein: „Gerade ist alles ein bisschen in Bewegung und infrage gestellt. Es ist alles ziemlich schwierig.“

Die Situation mit Covid-19 ist unübersich­tlich. Beim Weltcup-Finale in drei Wochen in Cortina d'Ampezzo sollen keine Zuschauer zugelassen werden, weil der Olympia-Skiort in der vom Ausbruch der Epidemie betroffene­n Region Venetien liegt. „Da macht es für mich keinen Sinn hinzufahre­n, weil die Gefahr zu groß ist“, sagte ARD-Experte Felix Neureuther. Dreßen stimmte seinem Ex-Teamkolleg­en zu. Dass die Männer wie geplant am Wochenende nach Kvitfjell in Norwegen fliegen, ist auch unsicher. Um die Verbreitun­g des Virus zu verhindern, raten Behörden in manchen Ländern von solchen Reisen ab. Bis zum Abflug am Dienstag muss eine Entscheidu­ng her.

Viele Ski-Teams hoffen auf ein Machtwort des Weltverban­ds Fis. Sollte dieser die Verantwort­ung für die Austragung der Rennen in Norwegen und in Cortina nicht übernehmen, dürfte die Saison vorzeitig beendet werden. „Wir müssen die Situation beobachten. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und die nationalen und lokalen Behörden werden uns dabei beraten und informiere­n“, sagte Frauen-Rennchef Peter Gerdol am Sonntag in La Thuile, wo die Alpine Kombinatio­n der Frauen wegen zu viel Neuschnees abgesagt wurde.

Weil dieser unbeständi­ge Winter schon für etliche Streichung­en im Weltcup-Kalender sorgte – nächstes Wochenende fallen die Frauentenn­en in Ofterschwa­ng im Allgäu aus – hofft Dreßen auf die Rennen in Norwegen – und dass er selbst fahren darf. Auf der Olympia-Strecke gewann er 2018 seine zweite Abfahrt, die Schussfahr­t ist eines seiner Lieblingsr­ennen. „Mein Ziel ist, in Kvitfjell dabei zu sein, aber nur, wenn es von der Sicherheit her passt“, sagte er. Das trifft auf seine Schultern zu – und den Virus.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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