Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Leere Regale und beschimpfte Apotheker
Leere Regale und beschimpfte Apotheker: Mittlerweile ist die Angst vor dem Virus auch in der Region zu spüren
Das Coronavirus und seine Auswirkungen auf Ravensburg.
RAVENSBURG - Die Angst vor dem Coronavirus ist mittlerweile auch in Ravensburg und der Region zu spüren. Hamsterkäufe von haltbaren Lebensmitteln, Desinfektionsmitteln und Atemschutzmasken bereiten Discountern und Apotheken mittlerweile erste Probleme.
Leere Regale bei der Filiale des Drogeriemarktes dm in der Ravensburger Ziegelstraße. Eine Verkäuferin erzählt am Montag, dass die Kunden Lebensmittel so schnell leer kaufen, dass der Drogeriemarkt mit der Anlieferung neuer Produkte nicht hinterherkommt. Produkte wie Nudeln, Mehl, Müsli und haltbare Brotaufstriche fehlen in den Regalen momentan.
Bei Aldi und Kaufland sind die Regale mit haltbaren Lebensmitteln und Konserven gut gefüllt. Dennoch merken die Mitarbeiter stark, dass sich Menschen in Ravensburg und der Region mit Hamsterkäufen absichern.
Das gilt auch für die Aldi-Filiale in der Ziegelstraße, wie ein Mitarbeiter erzählt. Im aktuellen Statement von Aldi Süd heißt es, dass es „in vereinzelten Filialen eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten wie beispielsweise Konserven“gibt, doch die Versorgungslage sei nicht beeinträchtigt.
„Seit letztem Mittwoch“, erzählt ein Mitarbeiter von Kaufland in der Südstadt, seien die Hamsterkäufe deutlich spürbar. Am vergangenen Mittwoch gab es die Meldung, dass die erste Person in Baden-Württemberg erkrankt ist.
Hamsterkäufe sind ein bekanntes Phänomen in solchen Situationen. Jan-Marc Hodek, Studiendekan des Bachelorstudiengangs Gesundheitsökonomie an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, beschreibt das Hamstern von Einkäufen als selbstverstärkenden Prozess. „Das Herdenverhalten kann reale negative Folgen haben, wenn es dann in der Konsequenz Einschränkungen bei der Warenverfügbarkeit
gibt. Kurz gesagt: Diejenigen, die wirklich etwas benötigen, können ihren Bedarf nicht mehr befriedigen.“
Manchmal liegen mittlerweile auch die Nerven blank. Eine Mitarbeiterin der Apotheke im Kaufland berichtet auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass Kunden ihren Kollegen gegenüber bereits vermehrt ausfallend wurden. Grund dafür sei, dass die Apotheke Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken nicht mehr vom Großhändler beziehen könne, da die Artikel ausverkauft sind. Nun werde versucht, die Produkte direkt vom Hersteller zu beziehen, dies werde allerdings etwa zwei Wochen dauern.
In der Vetter-Apotheke in der Ravensburger Innenstadt sieht es schon anders aus. Hier werden Waren wie Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken mittlerweile direkt vom Hersteller bezogen. „Wir müssen ein bisschen kreativ werden“, so eine Mitarbeiterin. Große Flaschen Desinfektionsmittel werden in kleinere Flaschen umgefüllt, damit „für jeden etwas da ist“.
Die Landesregierung Baden-Württemberg empfiehlt, dass Personen die sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet aufgehalten haben, unabhängig von Symptomen, Kontakte vermeiden und vorläufig zu
Hause bleiben sollen. Das gelte auch für Kindergarten- und Schulkinder. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“fehlen auch nach den Fasnetsferien an der Grundschule Weststadt, dem Schulzentrum St. Konrad, dem Montessori Kinderhaus Ravensburg, dem Albert-Einstein-Gymnasium und der Talschule Weingarten nicht mehr Kinder als üblich.
Zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Virus werden weltweit Massenveranstaltungen wie Konzerte und Messen abgesagt. In Baden-Württemberg wurde beispielsweise die Internationale Fachmesse in Karlsruhe abgesagt, die in der aktuellen Woche hätte stattfinden sollen.
Willi Schaugg, der Geschäftsführer der Live-in-Ravensburg GmbH, ist zuversichtlich, dass kommende Veranstaltungen in Ravensburg nicht betroffen sein werden. Der Grund dafür sei, dass die Messen nur mit recht überschaubaren Besucherzahlen geplant wären und dadurch kein erhöhtes Risiko bestehe. Dennoch werde die Situation beobachtet und es stünden „übliche Präventionsmaßnahmen“wie Desinfektionsmittel bereit. Die Besucher werden mittels Aushängen zum Händewaschen aufgefordert.
Unternehmen in der Region wappnen sich unterschiedlich gegen das Coronavirus. Während Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen Befragungen
von Mitarbeitern am Werkstor durchführt, hat der Maschinenbau-Konzern DMG Mori das Werk in Pfronten bis mindestens Dienstag komplett geschlossen, nachdem ein Mitarbeiter am Coronavirus erkrankt ist.
Bei der Unternehmensgruppe Ravensburger gibt es keine Einlasskontrollen der Mitarbeiter. Laut Michaela Magin, PR-Managerin von Ravensburger, werden Informationen zu Hygienemaßnahmen über das Intranet und Aushänge weitergegeben. Die Mitarbeiter sind dazu angehalten, Geschäftsreisen nur dann anzutreten, wenn diese unvermeidbar sind. Externe Besucher werden mit einem Merkblatt auf den Umgang mit dem Coronavirus in der Firma Ravensburger hingewiesen. Dieses Merkblatt müssen die Besucher unterschreiben. Sie versichern damit auch, dass sie Ravensburger bei einer im Nachhinein festgestellten Erkrankung informieren.
Auch bei Rafi in Berg finden derzeit keine Dienstreisen in Risikogebiete statt. Mitarbeiter, die sich in solchen aufgehalten haben, werden aufgefordert, Zu Hause zu bleiben. Der Personalleiter Markus Folz sagt, es hätte in den Vorjahren Unterweisungen zu allgemeinem Infektionsschutz gegeben, auf die nun erneut hingewiesen wird.