Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
So organisieren sich die Gemeinderäte im Kreis
Manche Entscheidungen können nicht warten – Stimmung bei den Sitzungen hat sich verändert
KREIS RAVENSBURG - Abstand zu anderen halten und Kontakte auf das Nötigste beschränken: Diese aktuellen Regeln, die das Coronavirus mit sich bringt, verändern auch die Atmosphäre auf den Rathäusern und in den Gemeinderäten. Mit neuen Strategien stellen die Kommunen auf dem Land sicher, dass wichtige Themen wie Entscheidungen über Funkmasten und Baupläne trotzdem vorankommen.
So ernst geht es selten zu, wenn in Wolfegg der Gemeinderat tagt. Schon am Eingang ist am Dienstagabend zu lesen, dass sowohl Räte als auch Besucher sich nicht näher als 1,50 Meter kommen dürfen, dass die Namen aller Anwesenden erfasst werden und dass außerdem Fotos gemacht werden, um zu dokumentieren, wer auf welchem Platz saß. Im Falle einer Corona-Infizierung kann so nachvollzogen werden, wer als mögliche Kontaktperson infrage kommt.
Die Sitzung ist vom Rathaus ins Haus für Bürger und Gäste in Alttann verlegt worden, um genügend Platz zu haben. Wer die Halle betritt, muss sich zunächst die Hände desinfizieren und dann – von einem Klebeband am Boden auf Abstand gehalten, Name und Telefonnummer preisgeben. Mitarbeiter des Bauhofs sitzen mit Atemschutzmasken an einem Tisch und notieren sich alles. Es herrscht eine eigenartige Atmosphäre. Ganz anders als sonst, wenn sich Räte mit Handschlag begrüßen und während der Beratung die Köpfe zusammenstecken.
In der Halle sitzt jedes Ratsmitglied an einem separaten Tisch, die drei Zuhörer verteilen sich auf den kompletten Saal. Bürgermeister Peter
Müller spricht über Mikrofon, damit ihn alle hören. Man habe überlegt, die Sitzung ganz abzusagen, sagt er. Es gebe aber ein paar Beschlüsse, die nicht warten können. Zum Beispiel die Abstimmung über einen Funkmast, bei der es eine Frist einzuhalten gilt. Deshalb habe man nur die wichtigsten Themen auf die Tagesordnung genommen und versuche, diese so rasch wie möglich zu behandeln. Und tatsächlich ist die Sitzung nach einer Stunde schon zu Ende. „Wir müssen als Staat, wenn auch die Gemeinden die unterste staatliche Einheit bilden, handlungsfähig bleiben“, sagt Müller.
Viele Gemeinden im Umkreis gehen derzeit ähnliche Wege: Sie verlegen die Sitzungen in größere Räume und reduzieren die Tagesordnung auf das Nötigste. In Berg tagte der Rat am 18. März im Bürgersaal. „Dort hatten wir mehr Platz, um zwischen den Personen zwei Meter Abstand einzuhalten“, sagt Bürgermeisterin Manuela Hugger. In Vogt konstatierte Bürgermeister Peter Smigoc vergangene Woche angesichts der neuen Sitzordnung: „Das hat ein bisschen was von einer Abiturprüfung.“
Auch in Horgenzell trafen sich die Gemeinderäte am Dienstagabend unter Abstandsauflagen und mit nur wenigen Themen. Die für Montag geplante Sitzung des Ortschaftsrats Kappel wurde abgesagt. „Als wesentlichen Tagesordnungspunkt hatten wir die Vorstellung eines Bebauungsplans vorgesehen. Die Mitarbeiter unseres Planungsbüros dürfen derzeit jedoch keine Sitzungen mehr besuchen“, erklärt Bürgermeister Volker Restle.
In Wilhelmsdorf schilderte Bürgermeisterin Sandra Flucht vergangene Woche die Lage so: „Wir alle im
Kreis waren uns einig, dass wir verantwortungsvoll auch mit unseren Sitzungen umgehen müssen. Andererseits müssen wir als Kommunen handlungsfähig bleiben und auch daran denken, dass der Betrieb und auch die Wirtschaft ,nach Corona‘ weitergehen müssen und sollen. Zudem möchte ich in den Sitzungen über den aktuellen Stand informieren und sehe den Gemeinderat gegebenenfalls als Krisenstab, um - wenn nötig - kurzfristige Maßnahmen zu beschließen.“Mitglieder mit gesundheitlichen Einschränkungen seien selbstverständlich von der Sitzungsteilnahme befreit.
Manche Gemeinderatssitzung fällt aber auch aus, wie zum Beispiel die für den 31. März geplante in Grünkraut. Wie Bürgermeister Holger Lehr berichtet, habe die Verwaltung die anstehenden Themen nach deren Dringlichkeit bewertet. „Es gibt nur einen Punkt, bei dem ein Beschluss notwendig ist. Dieser lässt sich problemlos im Umlaufverfahren regeln, da es sich lediglich um die Vergabe von ausgeschriebenen Bauleistungen (Sanierung der Tiefgarage im Rathaus) handelt. Dabei müssen wir nach Prüfung der Angebote an den Günstigsten vergeben“, so Lehr. Alle anderen Themen ließen sich verschieben. Dies sei ein Beitrag zur Minimierung des Infektionsrisikos.
„Wichtig ist uns, zu signalisieren, dass die Gemeinde weiterhin handlungsfähig bleibt und, wenn nötig, auch im Rahmen einer Gemeinderatssitzung (bei Einhaltung sämtlicher Empfehlungen wie Abstand halten) zusammenkommen kann“, betont Holger Lehr. Und fügt hinzu, es sei angesichts der aktuellen Lage schön, zu erfahren, wie alle an einem Strang ziehen.
Auch in Altshausen ist vergangene Woche die Gemeinderatssitzung ausgefallen. Dennoch soll gerade das Thema Bürgersaal nicht brachliegen, denn im Gremium sollten eigentlich Beschlüsse zu Ausschreibungen von Arbeiten gemacht werden. Diese erfolgen nun in einem Umlaufverfahren in digitaler Abstimmung. „Wir hatten überlegt, die Sitzung ins Pfarrheim zu verlegen und die Abstände zwischen den Personen zu vergrößern“, sagt Bürgermeister Patrick Bauser. Dennoch habe er sich bei einer Telefonkonferenz zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden entschieden, die Sitzung ganz abzusagen. Unter den Gemeinderäten sind vier Mitglieder der Feuerwehr, eine Polizistin und ein Arzt, zudem seien zwei gesundheitlich angeschlagen. Wenn die alle fernbleiben würden, wäre das Gremium gar nicht mehr beschlussfähig.