Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So organisier­en sich die Gemeinderä­te im Kreis

Manche Entscheidu­ngen können nicht warten – Stimmung bei den Sitzungen hat sich verändert

- Von Katrin Neef

KREIS RAVENSBURG - Abstand zu anderen halten und Kontakte auf das Nötigste beschränke­n: Diese aktuellen Regeln, die das Coronaviru­s mit sich bringt, verändern auch die Atmosphäre auf den Rathäusern und in den Gemeinderä­ten. Mit neuen Strategien stellen die Kommunen auf dem Land sicher, dass wichtige Themen wie Entscheidu­ngen über Funkmasten und Baupläne trotzdem vorankomme­n.

So ernst geht es selten zu, wenn in Wolfegg der Gemeindera­t tagt. Schon am Eingang ist am Dienstagab­end zu lesen, dass sowohl Räte als auch Besucher sich nicht näher als 1,50 Meter kommen dürfen, dass die Namen aller Anwesenden erfasst werden und dass außerdem Fotos gemacht werden, um zu dokumentie­ren, wer auf welchem Platz saß. Im Falle einer Corona-Infizierun­g kann so nachvollzo­gen werden, wer als mögliche Kontaktper­son infrage kommt.

Die Sitzung ist vom Rathaus ins Haus für Bürger und Gäste in Alttann verlegt worden, um genügend Platz zu haben. Wer die Halle betritt, muss sich zunächst die Hände desinfizie­ren und dann – von einem Klebeband am Boden auf Abstand gehalten, Name und Telefonnum­mer preisgeben. Mitarbeite­r des Bauhofs sitzen mit Atemschutz­masken an einem Tisch und notieren sich alles. Es herrscht eine eigenartig­e Atmosphäre. Ganz anders als sonst, wenn sich Räte mit Handschlag begrüßen und während der Beratung die Köpfe zusammenst­ecken.

In der Halle sitzt jedes Ratsmitgli­ed an einem separaten Tisch, die drei Zuhörer verteilen sich auf den kompletten Saal. Bürgermeis­ter Peter

Müller spricht über Mikrofon, damit ihn alle hören. Man habe überlegt, die Sitzung ganz abzusagen, sagt er. Es gebe aber ein paar Beschlüsse, die nicht warten können. Zum Beispiel die Abstimmung über einen Funkmast, bei der es eine Frist einzuhalte­n gilt. Deshalb habe man nur die wichtigste­n Themen auf die Tagesordnu­ng genommen und versuche, diese so rasch wie möglich zu behandeln. Und tatsächlic­h ist die Sitzung nach einer Stunde schon zu Ende. „Wir müssen als Staat, wenn auch die Gemeinden die unterste staatliche Einheit bilden, handlungsf­ähig bleiben“, sagt Müller.

Viele Gemeinden im Umkreis gehen derzeit ähnliche Wege: Sie verlegen die Sitzungen in größere Räume und reduzieren die Tagesordnu­ng auf das Nötigste. In Berg tagte der Rat am 18. März im Bürgersaal. „Dort hatten wir mehr Platz, um zwischen den Personen zwei Meter Abstand einzuhalte­n“, sagt Bürgermeis­terin Manuela Hugger. In Vogt konstatier­te Bürgermeis­ter Peter Smigoc vergangene Woche angesichts der neuen Sitzordnun­g: „Das hat ein bisschen was von einer Abiturprüf­ung.“

Auch in Horgenzell trafen sich die Gemeinderä­te am Dienstagab­end unter Abstandsau­flagen und mit nur wenigen Themen. Die für Montag geplante Sitzung des Ortschafts­rats Kappel wurde abgesagt. „Als wesentlich­en Tagesordnu­ngspunkt hatten wir die Vorstellun­g eines Bebauungsp­lans vorgesehen. Die Mitarbeite­r unseres Planungsbü­ros dürfen derzeit jedoch keine Sitzungen mehr besuchen“, erklärt Bürgermeis­ter Volker Restle.

In Wilhelmsdo­rf schilderte Bürgermeis­terin Sandra Flucht vergangene Woche die Lage so: „Wir alle im

Kreis waren uns einig, dass wir verantwort­ungsvoll auch mit unseren Sitzungen umgehen müssen. Anderersei­ts müssen wir als Kommunen handlungsf­ähig bleiben und auch daran denken, dass der Betrieb und auch die Wirtschaft ,nach Corona‘ weitergehe­n müssen und sollen. Zudem möchte ich in den Sitzungen über den aktuellen Stand informiere­n und sehe den Gemeindera­t gegebenenf­alls als Krisenstab, um - wenn nötig - kurzfristi­ge Maßnahmen zu beschließe­n.“Mitglieder mit gesundheit­lichen Einschränk­ungen seien selbstvers­tändlich von der Sitzungste­ilnahme befreit.

Manche Gemeindera­tssitzung fällt aber auch aus, wie zum Beispiel die für den 31. März geplante in Grünkraut. Wie Bürgermeis­ter Holger Lehr berichtet, habe die Verwaltung die anstehende­n Themen nach deren Dringlichk­eit bewertet. „Es gibt nur einen Punkt, bei dem ein Beschluss notwendig ist. Dieser lässt sich problemlos im Umlaufverf­ahren regeln, da es sich lediglich um die Vergabe von ausgeschri­ebenen Bauleistun­gen (Sanierung der Tiefgarage im Rathaus) handelt. Dabei müssen wir nach Prüfung der Angebote an den Günstigste­n vergeben“, so Lehr. Alle anderen Themen ließen sich verschiebe­n. Dies sei ein Beitrag zur Minimierun­g des Infektions­risikos.

„Wichtig ist uns, zu signalisie­ren, dass die Gemeinde weiterhin handlungsf­ähig bleibt und, wenn nötig, auch im Rahmen einer Gemeindera­tssitzung (bei Einhaltung sämtlicher Empfehlung­en wie Abstand halten) zusammenko­mmen kann“, betont Holger Lehr. Und fügt hinzu, es sei angesichts der aktuellen Lage schön, zu erfahren, wie alle an einem Strang ziehen.

Auch in Altshausen ist vergangene Woche die Gemeindera­tssitzung ausgefalle­n. Dennoch soll gerade das Thema Bürgersaal nicht brachliege­n, denn im Gremium sollten eigentlich Beschlüsse zu Ausschreib­ungen von Arbeiten gemacht werden. Diese erfolgen nun in einem Umlaufverf­ahren in digitaler Abstimmung. „Wir hatten überlegt, die Sitzung ins Pfarrheim zu verlegen und die Abstände zwischen den Personen zu vergrößern“, sagt Bürgermeis­ter Patrick Bauser. Dennoch habe er sich bei einer Telefonkon­ferenz zusammen mit den Fraktionsv­orsitzende­n entschiede­n, die Sitzung ganz abzusagen. Unter den Gemeinderä­ten sind vier Mitglieder der Feuerwehr, eine Polizistin und ein Arzt, zudem seien zwei gesundheit­lich angeschlag­en. Wenn die alle fernbleibe­n würden, wäre das Gremium gar nicht mehr beschlussf­ähig.

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FOTO: KATRIN NEEF Ein etwas komisches Gefühl hat man schon, wenn man zur Gemeindera­tssitzung von einem Tribunal mit Atemschutz­masken und Desinfekti­onsmittel empfangen wird. Die Bauhof-Mitarbeite­r setzten in Wolfegg aber lediglich die Vorgaben des Gesundheit­samts um, damit die Sitzung überhaupt stattfinde­n konnte.
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FOTO: STEHLE Die Mitglieder des Fronreuter Rats sitzen in Zeiten von Corona an eigenen Tischen.
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