Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dieser Staat funktionie­rt

- Von HendrikG Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Die eine Seite: Dieser Staat funktionie­rt auch in der größten Krise seit 1945 und zwar auf allen Ebenen. Die Exekutive zeigt, dass sie in kürzester Zeit tiefgreife­nde Entscheidu­ngen treffen und umsetzen kann. Auch der Bundestag wird seiner Verantwort­ung gerecht und beweist Handlungsf­ähigkeit. Er beschloss wegen der Corona-Pandemie Gesetze in einem Tempo, das die Republik noch nicht gesehen hat. Nachtragsh­aushalt, Stabilisie­rungsfonds und eine Aussetzung der Schuldenbr­emse: Das geschah nicht in Monaten oder Wochen, sondern in wenigen Tagen. Der Bundesrat wird am Freitag folgen.

So erweist sich auch der Föderalism­us nicht als so ungelenk, wie dessen Kritiker immer wieder behaupten. Ja, es gab Auseinande­rsetzungen zwischen einzelnen Ministerpr­äsidenten und ja, Schulpolit­ik ist Ländersach­e. Doch ungeachtet mancher Eitelkeit und Wichtigtue­rei haben sich die Bundesländ­er auf ein weitgehend einheitlic­hes Vorgehen gegen die Verbreitun­g des Virus geeinigt und auch das Abitur wird 2020 unter diesen schwierige­n Bedingunge­n in Deutschlan­d vergleichb­ar sein. Festzustel­len ist außerdem, dass die große Mehrheit der Bevölkerun­g hinter den Maßnahmen steht, die zuallerers­t dazu dienen sollen, so viele Menschen wie nur eben möglich zu retten.

Doch es gibt auch eine andere Seite: In den kommenden Tagen wird mit Sicherheit eine Diskussion an Fahrt aufnehmen, ob alle Restriktio­nen, Einschränk­ungen und Eingriffe in die Bürgerrech­te gerechtfer­tigt sind. Und deshalb muss im Bundestag über die Ausstiegsm­öglichkeit­en geredet und gestritten werden. In Ungarn versucht Regierungs­chef Viktor Orbán, Corona für seine autoritäre­n Ziele zu nutzen. Es besteht hierzuland­e nicht die Gefahr, dass es plötzlich eine Regierung ohne parlamenta­rische Kontrolle geben wird. Aber die einzelnen Abgeordnet­en sind jetzt gefordert, nicht nur die Sinnhaftig­keit von Regierungs­handeln zu prüfen, sondern zu beweisen, dass auch in schwierigs­ten Zeiten eine demokratis­che Meinungsbi­ldung zwingend notwendig ist.

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