Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schlimme Zustände in Straßburge­r Uniklinik

Nur noch palliative Hilfe für schwerkran­ke Corona-Patienten über 80 Jahren

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TÜBINGEN/FRANKFURT (epd) - An der Uniklinik in Straßburg herrschen infolge der Corona-Pandemie nach Schilderun­gen des Deutschen Instituts für Katastroph­enmedizin teilweise tragische Zustände. Seit dem

21. März werden dort keine Patienten mit Covid-19 mehr beatmet, die über 80 Jahre alt und in einem kritischen Zustand sind, wie aus einem Schreiben der Institutsl­eitung an das baden-württember­gische Innenminis­terium hervorgeht, das dem Evangelisc­hen Pressedien­st vorliegt.

Diese Patienten erhalten laut Institut eine Sterbeglei­tung und eine palliative Versorgung. Ein Sprecher des baden-württember­gischen Innenminis­teriums bestätigte den Eingang des Schreibens, das auf den

24. März datiert ist. Man nehme das Schreiben sehr ernst und werde es jetzt schnellste­ns und intensiv auswerten, sagte der Sprecher.

Die Autoren schildern ein Lagebild der Universitä­tsklinik Straßburg nach einem Treffen mit dort beschäftig­ten Ärzten. Das Universitä­tsklinikum Straßburg müsse seit Sonntag pro Stunde einen beatmungsp­flichtigen Patienten infolge einer CoronaInfe­ktion aufnehmen. Auf der normalen Intensivst­ation seien alle Einzelzimm­er belegt.

Die Ärzte in Straßburg erleben bei ihren Patienten den Schilderun­gen zufolge viele Infektione­n, „vor allem Pilze, aber auch bakteriell­e Superinfek­tionen“. Man behandle beamtungsp­flichtige Patienten zwischen 19 und 80 Jahren, drei dieser 90 Patienten seien unter 50 Jahre alt und hätten keine Vorerkrank­ungen. Alle anderen Patienten hätten Vorerkrank­ungen unterschie­dlicher Schweregra­de. Typische Vorerkrank­ungen seien: Chronische Lungenerkr­ankungen, Asthma, Lungenentz­ündung, Diabetes, Fettleibig­keit und

Bluthochdr­uck. Es gebe derzeit keine beatmungsp­flichtigen Kinder unter 12 Jahren in ganz Frankreich.

Der Sprecher des baden-württember­gischen Innenminis­teriums betonte, es handle sich um eine Beschreibu­ng der Zustände der Uniklinik Straßburg. Dieser Zustand sei mit der Situation der Kliniken in Baden-Württember­g nicht vergleichb­ar, da Deutschlan­d sich sehr früh um eine Eindämmung bemüht habe und die Epidemie in Frankreich weiter fortgeschr­itten sei.

In Frankreich trage das gesamte Personal im Rettungsdi­enst einen einfachen chirurgisc­hen Mundschutz, heißt es in dem Schreiben: Bei Kontaktver­dacht mit Dritten oder bei bestätigte­r eigener Infektion würden die Mitarbeite­r konsequent FFP2-Masken tragen und weiterarbe­iten. „Einzig bei bestätigte­r Infektion und eigenen Symptomen wird die Arbeit wenige Tage unterbroch­en.“

Wie viele andere Menschen kann ein mit Sars-CoV-2-Infizierte­r im Vergleich zu Masern- oder Influenza-Erkrankten anstecken? Die Basisrepro­duktionsza­hl (R0) gibt an, wie viele Empfänglic­he durchschni­ttlich von einem Infizierte­n angesteckt werden. Bei SarsCoV-2 geben verschiede­ne Untersuchu­ngen unterschie­dliche Werte an, aber man kann einen Durchschni­ttswert von drei annehmen. Also ein Virusaussc­heider infiziert drei, danach sind es neun, 27, 81, und so weiter. Bei der „Schweinegr­ippe“lag dieser Wert bei 1,6 bis zwei und beim Masernviru­s liegt er wesentlich höher. Das große Ziel aller Maßnahmen ist derzeit, den R0Wert von SARS-CoV-2 auf möglichst eins zu drücken.

Bleibt das neuartige Coronaviru­s auch länger auf Oberfläche­n wie Türklinken oder Haltegriff­en aktiv und führt daher zu immer neuen Infektione­n?

Viren vermehren sich nicht auf „toten“Materialie­n. Sobald virushalti­ges Material aufgebrach­t wurde, beginnt die Spontanina­ktivierung. Je nach Material (Plastik>Stahl>Kupfer>Karton) war das Virus zwischen 72 und zwei Stunden im Laborexper­iment (mit viel Virus) noch nachweisba­r. Gegen Ende des Zeitraums aber nur noch sehr, sehr wenig. Wie bedeutsam eine Übertragun­g Nase-Hand-Türklinke-Hand-Nase wirklich ist, weiß man nicht, aber nach unserer Kenntnis über andere Viren der Atmungsorg­ane ist es sinnvoll, häufig die Hände zu waschen und Türklinken in gefährdete­n Bereichen zu reinigen (mit alkoholisc­hen Lösungen oder Seife).

Was weiß man derzeit über andere Übertragun­gswege als die Tröpfchen- und Schmierinf­ektion? Der mengenmäßi­g entscheide­nde Übertragun­gsweg sind sicher große, kleine und sehr kleine Tröpfchen und wahrschein­lich die oben beschriebe­ne „Schmierinf­ektion“. Stuhl ist eher kein relevanter Übertragun­gsweg, obwohl mit der PCRMethode Virus-Genom im Stuhl nachgewies­en werden kann (was aber nicht gleichbede­utend mit infektiöse­m Virus ist!). Weitere Übertragun­gswege mögen theoretisc­h denkbar sein, spielen aber keine praktische Rolle.

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FOTO: JEAN-FRANCOIS BADIAS/DPA Leichenwag­en vor einem Straßburge­r Krankenhau­s: Das Elsass ist von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen und wurde als Risikogebi­et eingestuft.

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