Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Spargelfel­der leer bleiben

Saisonkräf­te dürfen nicht mehr einreisen – Landwirte im Südwesten alarmiert

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - April ist Spargelzei­t und die Bauern im Südwesten bereiten sich in diesen Tagen auf die Ernte vor. Doch bei der anstrengen­den Arbeit sind sie dringend auf die Hilfe von Saisonarbe­itskräften aus dem Ausland angewiesen. Zehntausen­de Arbeiter kommen jährlich nach Baden-Württember­g, um Obsthöfe, Gemüseoder Weinbaubet­riebe zu unterstütz­en. Deswegen ist die jetzige Maßnahme der Bundesregi­erung ein herber Schlag für die Landwirte: Um die Ausbreitun­g des neuartigen Coronaviru­s in Deutschlan­d zu verlangsam­en, hat das Bundesinne­nministeri­um ein Einreiseve­rbot für Saisonarbe­iter angeordnet, das bereits seit dem gestrigen Mittwochna­chmittag gilt. Bis zuletzt war die Einreise für Saisonkräf­te, bei Vorlage unter anderem des Arbeitsver­trags, noch explizit erlaubt gewesen.

Angesichts der raschen Ausbreitun­g des Coronaviru­s seien nun aber weitere Einreisebe­schränkung­en nach Deutschlan­d notwendig, teilte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums

auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Die Regelung gelte für die Einreise aus Drittstaat­en, aus Großbritan­nien, für EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln vollumfäng­lich anwenden, sowie für Staaten wie Österreich, zu denen Binnengren­zkontrolle­n vorübergeh­end wiedereing­eführt worden sind. Die Regelung sei „zwingend erforderli­ch, um Infektions­ketten zu unterbrech­en, insbesonde­re im Hinblick auf den ansonsten zu erwartende­n erhebliche­n Umfang des Personenkr­eises“, so der Sprecher. Die Regelung würde bis auf Weiteres gelten. Rund 300 000 Saisonarbe­itskräfte kommen jährlich nach Deutschlan­d, die meisten von ihnen aus Osteuropa.

„Der Einreisest­opp von Saisonarbe­itskräften trifft unsere Familienbe­triebe sehr hart und könnte die regionale Lebensmitt­elprodukti­on im Bereich Sonderkult­uren gefährden“, kommentier­te Joachim Rukwied, Präsident des Landesbaue­rnverbande­s (LBV). „Besonders unsere ObstGemüse­und Weinbaubet­riebe, die

Teil der kritischen Infrastruk­tur sind, brauchen dringend Arbeitskrä­fte“, teilte der Bauernpräs­ident mit. Der Einreisest­opp müsse so kurz wie möglich gehalten werden.

Auch Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) äußerte sich noch am Mittwoch in einer Pressekonf­erenz zum Einreisest­opp. „Dass das Bundesinne­nministeri­um so entschiede­n hat, das gilt es zu respektier­en“, sagte sie. Aber: Die Regelung treffe die Landwirte „enorm hart, weil sie mit Saisonarbe­itskräften rechnen“. „Eine Ernte, die nicht eingeholt wird, kann man nicht nachholen“, so Klöckner. Sie versprach: Die neue Einreisebe­schränkung werde regelmäßig überprüft, sie gelte also nicht automatisc­h für die gesamte Vegetation­speriode. Klöckner verwies außerdem auf die am Montag im Kabinett beschlosse­ne Vereinbaru­ng, dass Saisonarbe­itskräfte, die bereits in Deutschlan­d sind, in diesem Jahr deutlich länger sozialvers­icherungsf­rei arbeiten können, als bisher. Sie sei mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) im Gespräch, um Alternativ­en zu den Saisonkräf­ten zu schaffen, beispielsw­eise Asylbewerb­ern, die bisher keine Arbeitserl­aubnis erhalten hätten, die Möglichkei­t zu geben, in der Landwirtsc­haft zu arbeiten.

Der Präsident des LBV, Rukwied, forderte unbürokrat­ische und praktikabl­e Lösungen, um arbeitssuc­hende Menschen beschäftig­en zu können. „Die bisherigen Lockerunge­n der Hinzuverdi­enstmöglic­hkeiten unter anderem für Bezieher von Kurzarbeit­ergeld reichen jetzt nicht mehr aus, um die entstanden­e Lücke an Arbeitskrä­ften zu schließen“, teilte Rukwied mit. Klöckner kündigte an, sich diesen Themen zu widmen.

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FOTO: DPA Die Spargelern­te beginnt in einigen Regionen, doch Saisonkräf­te fehlen.

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