Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aufschub bei Düngeregel­n

Bundesregi­erung will Novelle erst 2021 umsetzen

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Im Streit um die geplante Verschärfu­ng der Düngeveror­dnung bittet die Bundesregi­erung die EU um eine längere Frist zur Umsetzung der neuen Regeln. Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) bestätigte­n gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass man sich für den Umsetzungs­termin 1. Januar 2021 einsetze. Bisher war der Herbst dieses Jahres vorgesehen. Vor allem für die Festlegung besonders nitratbela­steter Gewässer, sogenannte­r „roter Gebiete“, wolle man mehr Zeit. „Die Gespräche sind noch nicht abgeschlos­sen“, erklärten die Ministerin­nen am Mittwochab­end. Die Zeit drängt, am Freitag soll der Bundesrat das Paket verabschie­den. Entspreche­nd hektisch wird verhandelt.

Erst am Dienstag hatten die Agrarminis­ter von Bayern, BadenWürtt­emberg, Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen um Aufschub gebeten. Eine umgehende Umsetzung sei „in der aktuellen Lage den landwirtsc­haftlichen Betrieben in keiner Weise verständli­ch zu machen“, warnen die Minister in dem der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegend­en Brief. „Die landwirtsc­haftliche Produktion ist ein systemrele­vanter Bereich der europäisch­en Infrastruk­tur und viele Betriebe sind durch die Pandemie stark betroffen“, heißt es weiter. Tatsächlic­h drohen nicht nur Corona-Folgen. Landwirte und Krisenstäb­e haben auch andere Sorgen: Die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) ist in Polen nahe an die deutsche Grenze herangerüc­kt. Ein Übergreife­n dürfte den Schweinefl­eischmarkt einbrechen lassen. Und in Norddeutsc­hland

ist überdies die Geflügelpe­st ausgebroch­en.

Die EU-Kommission drängt Deutschlan­d bisher auf eine Verabschie­dung im April und eine Umsetzung ab Herbst. Andernfall­s drohen Deutschlan­d Strafen von mehr als 800 000 Euro pro Tag. Wegen der Corona-Krise hat der Bundesrat die möglicherw­eise entscheide­nde Abstimmung um eine Woche auf diesen Freitag vorverlegt.

Die Landwirtsc­haft läuft seit Monaten Sturm gegen die von der EU zum Gewässersc­hutz geforderte Verschärfu­ng. Bauernverb­andspräsid­ent Joachim Rukwied warnte davor, die „unausgegor­enen und fachlich fehlerhaft­en“Regeln „durchzuwin­ken“. Gleichwohl stellte er klar, die Bauern würden weiter Lebensmitt­el produziere­n. Rukwied reagierte damit auf Berichte, die Bauern-Protestbew­egung „Land schafft Verbindung“drohe mit Produktion­sstopp.

In der Länderkamm­er gibt es Unmut über die geplante Verschärfu­ng. Mehrere Bundesländ­er drängen darauf, die Entscheidu­ng auf eine spätere Bundesrats­sitzung zu vertagen. Das rot-schwarz regierte Niedersach­sen will nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“einen entspreche­nden Antrag stellen. Bayern und Nordrhein-Westfalen liebäugeln mit Unterstütz­ung. Das dürfte aber nicht ausreichen, zumal sich das grün-schwarz regierte Baden-Württember­g wohl enthalten wird, denn CDU und Grüne sind uneins. „Ein Jahr vor der Landtagswa­hl rechnen wir nicht mehr mit Stuttgart“, sagte ein Verschiebu­ngsbefürwo­rter.

Wie der Bundesrat entscheide­t, ist noch offen. Derzeit wird viel telefonier­t zwischen Bund und den Ländern. Eine Entscheidu­ng könnte erst in der Sitzung am Freitag fallen.

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