Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Aufschub bei Düngeregeln
Bundesregierung will Novelle erst 2021 umsetzen
BERLIN - Im Streit um die geplante Verschärfung der Düngeverordnung bittet die Bundesregierung die EU um eine längere Frist zur Umsetzung der neuen Regeln. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bestätigten gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“, dass man sich für den Umsetzungstermin 1. Januar 2021 einsetze. Bisher war der Herbst dieses Jahres vorgesehen. Vor allem für die Festlegung besonders nitratbelasteter Gewässer, sogenannter „roter Gebiete“, wolle man mehr Zeit. „Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen“, erklärten die Ministerinnen am Mittwochabend. Die Zeit drängt, am Freitag soll der Bundesrat das Paket verabschieden. Entsprechend hektisch wird verhandelt.
Erst am Dienstag hatten die Agrarminister von Bayern, BadenWürttemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um Aufschub gebeten. Eine umgehende Umsetzung sei „in der aktuellen Lage den landwirtschaftlichen Betrieben in keiner Weise verständlich zu machen“, warnen die Minister in dem der „Schwäbischen Zeitung“vorliegenden Brief. „Die landwirtschaftliche Produktion ist ein systemrelevanter Bereich der europäischen Infrastruktur und viele Betriebe sind durch die Pandemie stark betroffen“, heißt es weiter. Tatsächlich drohen nicht nur Corona-Folgen. Landwirte und Krisenstäbe haben auch andere Sorgen: Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist in Polen nahe an die deutsche Grenze herangerückt. Ein Übergreifen dürfte den Schweinefleischmarkt einbrechen lassen. Und in Norddeutschland
ist überdies die Geflügelpest ausgebrochen.
Die EU-Kommission drängt Deutschland bisher auf eine Verabschiedung im April und eine Umsetzung ab Herbst. Andernfalls drohen Deutschland Strafen von mehr als 800 000 Euro pro Tag. Wegen der Corona-Krise hat der Bundesrat die möglicherweise entscheidende Abstimmung um eine Woche auf diesen Freitag vorverlegt.
Die Landwirtschaft läuft seit Monaten Sturm gegen die von der EU zum Gewässerschutz geforderte Verschärfung. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied warnte davor, die „unausgegorenen und fachlich fehlerhaften“Regeln „durchzuwinken“. Gleichwohl stellte er klar, die Bauern würden weiter Lebensmittel produzieren. Rukwied reagierte damit auf Berichte, die Bauern-Protestbewegung „Land schafft Verbindung“drohe mit Produktionsstopp.
In der Länderkammer gibt es Unmut über die geplante Verschärfung. Mehrere Bundesländer drängen darauf, die Entscheidung auf eine spätere Bundesratssitzung zu vertagen. Das rot-schwarz regierte Niedersachsen will nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“einen entsprechenden Antrag stellen. Bayern und Nordrhein-Westfalen liebäugeln mit Unterstützung. Das dürfte aber nicht ausreichen, zumal sich das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg wohl enthalten wird, denn CDU und Grüne sind uneins. „Ein Jahr vor der Landtagswahl rechnen wir nicht mehr mit Stuttgart“, sagte ein Verschiebungsbefürworter.
Wie der Bundesrat entscheidet, ist noch offen. Derzeit wird viel telefoniert zwischen Bund und den Ländern. Eine Entscheidung könnte erst in der Sitzung am Freitag fallen.