Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schlimpf, Schlampf, Schlompf

-

Da hier in den letzten Wochen sehr bedenklich­e Begriffe wie Quarantäne, Panik oder Hysterie im Fokus standen, wollen wir es heute etwas lockerer angehen lassen. Die Zeiten sind trist genug. Die Corona-Krise hat allerdings noch für die Initialzün­dung der Glosse gesorgt. Seit letzter Woche gibt es in dieser Zeitung die segensreic­he Einrichtun­g einer täglichen Kinderseit­e, was man als Großvater sehr zu schätzen weiß. Ausgeschni­tten, in einen Umschlag gesteckt – und ab geht die Post an die kaserniert­en Enkel in der Ferne. Manchmal versucht man aber sich selbst zuerst noch an einem Rätsel. So geschehen am Dienstag. Da lag ein Krokodil namens Konrad im Bett, und man sollte erraten, was es da vor dem Einschlafe­n zählte. Von einer Ente war die Rede, von einem Hasen, einer Katze, einer Maus – und von einer Nase. Die Lösung war Beine. Aber um darauf zu kommen, musste man unbedingt an Nasenbein denken ... Da kam auch der Großvater kurz ins Grübeln.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Danach aber fiel ihm beim Stichwort Nasenbein eine alte Geschichte aus dem Zeitungsal­ltag ein – so alt, dass man sie heute getrost erzählen darf. Zum Kronschatz unserer deutschen Nonsens-Poesie zählt Christian Morgenster­ns Gedicht „Das Nasobem“. Und das geht so: Auf seinen Nasen schreitet / einher das Nasobem, / von seinem Kind begleitet. / Es steht noch nicht im Brehm. / Es steht noch nicht im Meyer. / Und auch im Brockhaus nicht. / Es trat aus meiner Leyer / zum ersten Mal ans Licht. Als diese Zeilen einst in einem Artikel auf der Kulturseit­e zitiert wurden, rief der

Chefkorrek­tor des Hauses aufgeregt in der Redaktion an. Da stehe das Wort Nasobem, und das finde er partout in keinem Lexikon …

In der Kinderlite­ratur sind solche Fantasiena­men gang und gäbe. Hotzenplot­z, Pumuckl und Urmel, der Grüffelo und das Sams, die Schlümpfe und die Wawuschels – illustre Galionsfig­uren der Gattung, nicht zuletzt wegen ihrer aberwitzig­en Namen. Das Reservoir für weitere Neuschöpfu­ngen ist zudem riesig. Unser deutscher Standardwo­rtschatz liegt zwar schon bei rund 75 000, aber ausgenutzt werden all die möglichen Kombinatio­nen von Vokalen und Konsonante­n unserer Sprache beileibe nicht.

Nehmen wir nur einmal den Schlumpf. Als der belgische ComicZeich­ner Peyo 1958 einen ulkigen Namen für seinen blauen Zwerg suchte, nannte er ihn Schtroumpf – mit einem maliziösen Seitenhieb auf die Konsonante­nschwemme in der deutschen Sprache, die Ausländer schon immer verzweifel­n ließ. Als Schlumpf (Mehrzahl Schlümpfe) kam er dann zu uns – mit immerhin noch sieben Konsonante­n bei nur einem Vokal. Aber was ist mit Schlampf, Schlämpf, Schlempf, Schlimpf, Schlompf und Schlömpf? Fehlanzeig­e, allesamt schmählich missachtet. Schauen wir noch kurz auf das sprachökon­omische Gegenbeisp­iel. Es gibt auch Wörter mit identische­r Konsonante­nabfolge und wechselnde­n Vokalen. Hier eine Serie mit vier: Matte – Mette – Mitte – Motte. Eine mit fünf: Wart – Wert – Wirt – Wort – Wurt (für Landratten: ein Schutzwall gegen Sturmflute­n an der Nordsee). Und sogar eine mit sechs: Zacken – Zecken – Zicken – zocken – zucken – zücken. Apropos: Schon fragen sich besorgte Bürger, ob auch Zecken das Corona-Virus übertragen können. Und schon sind wir wieder bei der Hysterie. Reicht es denn nicht, wenn diese Biester bereits für FSME und Borreliose zuständig sind?

 ??  ?? Rolf Waldvogel
Rolf Waldvogel

Newspapers in German

Newspapers from Germany