Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mangelware: Preis für Masken schnellt nach oben
8,50 statt 0,59 Euro – Wie das lokale Unternehmen trifft und was Händler auf dem Markt erleben
KREIS RAVENSBURG - Als Tanja Rudeck-Schneider sich das Angebot näher angeschaut hat, traute sie ihren Augen nicht: Normalerweise, so sagt sie, kostet eine FFP2-Schutzmaske 0,59 Euro, jetzt steht da 8,50 Euro pro Stück auf dem Papier. Der Grund für den hohen Preis sind die aktuellen Lieferengpässe für die Masken, weil der gleiche Typ für den Schutz vor dem Coronavirus gebraucht wird. Die hohen Preise treffen derzeit auch viele lokale Unternehmen im produzierenden Gewerbe – wie etwa die Firma Farbpunkt aus Grünkraut.
Tanja Rudeck-Schneider ist eine von zwei Geschäftsführern von Farbpunkt. Das Grünkrauter Unternehmen bietet Dienstleistungen im Bereich der Industrielackierung und Pulverbeschichtungen an, und genau dafür braucht Farbpunkt die FFP2Masken für den Schutz der Mitarbeiter. „Wenn ich keine Masken habe, kann ich zusperren, weil dann meine Mitarbeiter nicht mehr arbeiten dürfen“, erklärt Rudeck-Schneider ihr Dilemma. Denn die feinen Partikel, die bei den Arbeiten entstehen, dürfen nicht eingeatmet werden.
Schon vor Wochen habe sie sich deshalb auf die Suche nach Nachlieferungen gemacht – doch die gestaltete sich mehr als schwierig. Wie die Geschäftsführerin erzählt, bleibt ihr die Wahl zwischen einem Angebot für 8,50 Euro pro Stück, wenn sie die Lieferung sofort haben möchte oder einem Angebot mit dem regulären Preis, bei dem sie aber bis Ende Juli auf die Lieferung warten muss. Lieferengpässe gebe es auch bei den Schutzanzügen für die Mitarbeiter, die die Firma Farbpunkt für Lackieroveralls braucht. Auch die werden in Corona-Zeiten gebraucht.
Dass die FFP2-Schutzmasken knapp sind, hat mehrere Gründe. Zum einen werden sie hauptsächlich in China produziert, das besonders vom Coronavirus betroffen ist, und zum anderen werden sie auf der ganzen Welt gebraucht – nicht nur im produzierenden Gewerbe, sondern jetzt vor allem in Kliniken und Arztpraxen. Hinzu kommt, dass sich viele Privatpersonen mit den Masken eingedeckt haben. Auch ein Blick ins Internet offenbart horrende Preise für die Textilprodukte. Erst am Donnerstag berichtete die „Schwäbische Zeitung“, dass der Oberschwabenklinik langsam die Schutzmasken ausgehen. Man habe sie nur noch für begrenzte Zeit. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte wegen der Lieferengpässe vergangene Woche angekündigt, dass man im Freistaat selbst welche herstellen wolle. In Baden-Württemberg produzieren nun unter anderem das Modeunternehmen Trigema aus Burladingen im Zollernalbkreis und der Unterwäsche-Hersteller Speidel aus Bodelshausen im Landkreis Tübingen Atemschutzmasken.
Ein Unternehmen, das Schutzmasken vertreibt, ist die „LDT – Lagerund Dichtungstechnik Konstruktionsund Vertriebsges. mbH“aus der Gemeinde Bodnegg. Zwar hat das Unternehmen sein Kerngeschäft in der Wälzlagertechnik, ein kleiner Teil des LDTTeams befasst sich aber seit drei Jahren mit Industriebedarf, zu dem unter anderem auch die FFP2-Masken gehören.
„Ein Kunde hat uns angefragt, der dringend 5000 solcher Masken benötigt und dann haben wir uns in unseren Netzwerken auf die Suche nach Angeboten gemacht“, sagt LDT-Geschäftsführer
Wolfgang Klink. Doch das habe sich äußerst schwierig gestaltet, denn die Lieferanten, von denen LDT normalerweise die Masken bekommt, haben keine mehr. Der Markt sei wie leergefegt. Nach langer Suche sei man dann auf zwei Quellen gestoßen. „Eine Quelle sitzt in China, die könnte uns 40 000 Stück beschaffen. Das ist die Mindestbestellmenge. Aber die Preise sind um ein Vielfaches höher als üblich“, sagt Klink. Zudem müsse per Vorauskasse bezahlt werden.
„Für uns als Unternehmen mit 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellt das natürlich ein gewisses Risiko dar, wenn die Masken zwei Wochen unterwegs sind und wir nicht wissen, ob die Masken beim Zoll unter Umständen beschlagnahmt werden“, sagt Klink. Deswegen sei man auf einen Preis von 8,50 Euro pro Stück gekommen – Bezahlung
Tanja Rudeck-Schneider, Geschäftsführerin Farbpunkt GmbH
per Vorauskasse. Mit diesem Preis verdiene man nicht viel. Ein befreundeter Händler aus Niedersachsen habe ihm von Preisen von bis zu 15 Euro berichtet.
LDT habe seine Kunden angeschrieben, allerdings auch Einkaufsverbände, Stiftungen und regionale Krankenhäuser, um das Interesse abzufragen. Doch die Resonanz sei nicht groß gewesen. „Es gibt zwei Probleme: einerseits der Preis, andererseits die Vorfinanzierung verbunden mit dem Risiko bei der Einfuhr“, berichtet der Geschäftsführer. Hinzu komme, dass die Masken zwar mit Zertifikaten und Testberichten versehen sind, aber trotz Prüfung nicht CE-gekennzeichnet sind. Eventuell könne er gar nicht bestellen.
Jetzt will er noch einen zweite Quelle prüfen, ob er die Masken von dort zu einem günstigeren Preis beziehen kann. Klink berichtet auch, dass er vor einer eventuellen Bestellung sich die Ware per Foto und Video zeigen lassen möchte. Denn von Händlerkollegen habe er erfahren, dass es auch schon vorgekommen sei, dass man Ware bezahlt und bestellt hat, es die Ware aber gar nicht gegeben hat.
Bei der Farbpunkt GmbH in Grünkraut geht man jetzt vorerst den Weg der Nachhaltigkeit. „Normalerweise sind das Einwegprodukte, die man aus hygienischen Gründen jeden Tag auswechselt. Jetzt bitten wir unsere Angestellten, sie so lange wie möglich zu tragen, damit unser Vorrat sich noch eine Weile hält“, sagt Tanja Rudeck-Schneider. Die Masken mit Ventil werden nach dem Gebrauch auch in luftdichte Beutel verpackt, damit die Filter nicht zugehen. Ähnliches gelte für die Mangelware Schutzanzüge. „Wir haben gesagt, dass sie die Schutzausrüstung wie rohe Eier behandeln sollen“, sagt die Geschäftsführerin.
Vielleicht müssen die Mitarbeiter der Firma Farbpunkt bald auch nicht mehr so lange arbeiten. „Wir haben vorsorglich Kurzarbeit angemeldet weil viele unserer Kunden die Produktion zurückfahren. Jetzt müssen auch wir bangen“, sagt RudeckSchneider. Sie berichtet außerdem von einer Firma aus der Branche, die wegen eines positiven Covid-19-Falls komplett schließen musste. Diese Angst ist überall groß – auch beim Unternehmen LDT aus BodneggRotheidlen.
„Wir haben gesagt, dass unsere Angestellten die Schutzausrüstung wie rohe Eier behandeln sollen.“