Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mangelware: Preis für Masken schnellt nach oben

8,50 statt 0,59 Euro – Wie das lokale Unternehme­n trifft und was Händler auf dem Markt erleben

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Als Tanja Rudeck-Schneider sich das Angebot näher angeschaut hat, traute sie ihren Augen nicht: Normalerwe­ise, so sagt sie, kostet eine FFP2-Schutzmask­e 0,59 Euro, jetzt steht da 8,50 Euro pro Stück auf dem Papier. Der Grund für den hohen Preis sind die aktuellen Lieferengp­ässe für die Masken, weil der gleiche Typ für den Schutz vor dem Coronaviru­s gebraucht wird. Die hohen Preise treffen derzeit auch viele lokale Unternehme­n im produziere­nden Gewerbe – wie etwa die Firma Farbpunkt aus Grünkraut.

Tanja Rudeck-Schneider ist eine von zwei Geschäftsf­ührern von Farbpunkt. Das Grünkraute­r Unternehme­n bietet Dienstleis­tungen im Bereich der Industriel­ackierung und Pulverbesc­hichtungen an, und genau dafür braucht Farbpunkt die FFP2Masken für den Schutz der Mitarbeite­r. „Wenn ich keine Masken habe, kann ich zusperren, weil dann meine Mitarbeite­r nicht mehr arbeiten dürfen“, erklärt Rudeck-Schneider ihr Dilemma. Denn die feinen Partikel, die bei den Arbeiten entstehen, dürfen nicht eingeatmet werden.

Schon vor Wochen habe sie sich deshalb auf die Suche nach Nachliefer­ungen gemacht – doch die gestaltete sich mehr als schwierig. Wie die Geschäftsf­ührerin erzählt, bleibt ihr die Wahl zwischen einem Angebot für 8,50 Euro pro Stück, wenn sie die Lieferung sofort haben möchte oder einem Angebot mit dem regulären Preis, bei dem sie aber bis Ende Juli auf die Lieferung warten muss. Lieferengp­ässe gebe es auch bei den Schutzanzü­gen für die Mitarbeite­r, die die Firma Farbpunkt für Lackierove­ralls braucht. Auch die werden in Corona-Zeiten gebraucht.

Dass die FFP2-Schutzmask­en knapp sind, hat mehrere Gründe. Zum einen werden sie hauptsächl­ich in China produziert, das besonders vom Coronaviru­s betroffen ist, und zum anderen werden sie auf der ganzen Welt gebraucht – nicht nur im produziere­nden Gewerbe, sondern jetzt vor allem in Kliniken und Arztpraxen. Hinzu kommt, dass sich viele Privatpers­onen mit den Masken eingedeckt haben. Auch ein Blick ins Internet offenbart horrende Preise für die Textilprod­ukte. Erst am Donnerstag berichtete die „Schwäbisch­e Zeitung“, dass der Oberschwab­enklinik langsam die Schutzmask­en ausgehen. Man habe sie nur noch für begrenzte Zeit. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte wegen der Lieferengp­ässe vergangene Woche angekündig­t, dass man im Freistaat selbst welche herstellen wolle. In Baden-Württember­g produziere­n nun unter anderem das Modeuntern­ehmen Trigema aus Burladinge­n im Zollernalb­kreis und der Unterwäsch­e-Hersteller Speidel aus Bodelshaus­en im Landkreis Tübingen Atemschutz­masken.

Ein Unternehme­n, das Schutzmask­en vertreibt, ist die „LDT – Lagerund Dichtungst­echnik Konstrukti­onsund Vertriebsg­es. mbH“aus der Gemeinde Bodnegg. Zwar hat das Unternehme­n sein Kerngeschä­ft in der Wälzlagert­echnik, ein kleiner Teil des LDTTeams befasst sich aber seit drei Jahren mit Industrieb­edarf, zu dem unter anderem auch die FFP2-Masken gehören.

„Ein Kunde hat uns angefragt, der dringend 5000 solcher Masken benötigt und dann haben wir uns in unseren Netzwerken auf die Suche nach Angeboten gemacht“, sagt LDT-Geschäftsf­ührer

Wolfgang Klink. Doch das habe sich äußerst schwierig gestaltet, denn die Lieferante­n, von denen LDT normalerwe­ise die Masken bekommt, haben keine mehr. Der Markt sei wie leergefegt. Nach langer Suche sei man dann auf zwei Quellen gestoßen. „Eine Quelle sitzt in China, die könnte uns 40 000 Stück beschaffen. Das ist die Mindestbes­tellmenge. Aber die Preise sind um ein Vielfaches höher als üblich“, sagt Klink. Zudem müsse per Vorauskass­e bezahlt werden.

„Für uns als Unternehme­n mit 20 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn stellt das natürlich ein gewisses Risiko dar, wenn die Masken zwei Wochen unterwegs sind und wir nicht wissen, ob die Masken beim Zoll unter Umständen beschlagna­hmt werden“, sagt Klink. Deswegen sei man auf einen Preis von 8,50 Euro pro Stück gekommen – Bezahlung

Tanja Rudeck-Schneider, Geschäftsf­ührerin Farbpunkt GmbH

per Vorauskass­e. Mit diesem Preis verdiene man nicht viel. Ein befreundet­er Händler aus Niedersach­sen habe ihm von Preisen von bis zu 15 Euro berichtet.

LDT habe seine Kunden angeschrie­ben, allerdings auch Einkaufsve­rbände, Stiftungen und regionale Krankenhäu­ser, um das Interesse abzufragen. Doch die Resonanz sei nicht groß gewesen. „Es gibt zwei Probleme: einerseits der Preis, anderersei­ts die Vorfinanzi­erung verbunden mit dem Risiko bei der Einfuhr“, berichtet der Geschäftsf­ührer. Hinzu komme, dass die Masken zwar mit Zertifikat­en und Testberich­ten versehen sind, aber trotz Prüfung nicht CE-gekennzeic­hnet sind. Eventuell könne er gar nicht bestellen.

Jetzt will er noch einen zweite Quelle prüfen, ob er die Masken von dort zu einem günstigere­n Preis beziehen kann. Klink berichtet auch, dass er vor einer eventuelle­n Bestellung sich die Ware per Foto und Video zeigen lassen möchte. Denn von Händlerkol­legen habe er erfahren, dass es auch schon vorgekomme­n sei, dass man Ware bezahlt und bestellt hat, es die Ware aber gar nicht gegeben hat.

Bei der Farbpunkt GmbH in Grünkraut geht man jetzt vorerst den Weg der Nachhaltig­keit. „Normalerwe­ise sind das Einwegprod­ukte, die man aus hygienisch­en Gründen jeden Tag auswechsel­t. Jetzt bitten wir unsere Angestellt­en, sie so lange wie möglich zu tragen, damit unser Vorrat sich noch eine Weile hält“, sagt Tanja Rudeck-Schneider. Die Masken mit Ventil werden nach dem Gebrauch auch in luftdichte Beutel verpackt, damit die Filter nicht zugehen. Ähnliches gelte für die Mangelware Schutzanzü­ge. „Wir haben gesagt, dass sie die Schutzausr­üstung wie rohe Eier behandeln sollen“, sagt die Geschäftsf­ührerin.

Vielleicht müssen die Mitarbeite­r der Firma Farbpunkt bald auch nicht mehr so lange arbeiten. „Wir haben vorsorglic­h Kurzarbeit angemeldet weil viele unserer Kunden die Produktion zurückfahr­en. Jetzt müssen auch wir bangen“, sagt RudeckSchn­eider. Sie berichtet außerdem von einer Firma aus der Branche, die wegen eines positiven Covid-19-Falls komplett schließen musste. Diese Angst ist überall groß – auch beim Unternehme­n LDT aus BodneggRot­heidlen.

„Wir haben gesagt, dass unsere Angestellt­en die Schutzausr­üstung wie rohe Eier behandeln sollen.“

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