Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weg vom Klein-Klein auf Kreisebene

- Von Annette Vincenz a.vincenz@schwaebisc­he.de

Das war knapp. Gerade noch rechtzeiti­g haben die Verantwort­lichen die Kurve gekriegt: Die Corona-Teststatio­n der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, die aus dem Ravensburg­er Elisabethe­n-Krankenhau­s aus Sicherheit­sgründen ausziehen muss, kann ab Samstag im derzeit leer stehenden Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten weitermach­en.

Zu verdanken ist die Lösung in letzter Minute dem Medizin-Campus Bodensee. Eigentlich könnte es den Häflern egal sein, wo im Kreis Ravensburg Verdachtsf­älle auf das neue Coronaviru­s getestet werden. Der MCB war nicht dazu verpflicht­et, seine Räume in Weingarten dafür zu öffnen. Gleichzeit­ig offenbart sich das Chaos im Zusammensp­iel der unterschie­dlichen Akteure im Gesundheit­ssystem des Landkreise­s. Zwar ist es verständli­ch, dass die Oberschwab­enklinik die Teststelle nicht mehr auf ihrem Gelände haben will. Schließlic­h wäre es verheerend, wenn sich das Virus unter den ohnehin geschwächt­en Krankenhau­s-Patienten ausbreiten würde. Aber wenn die OSK die Gefahr einer Einschlepp­ung so sehr fürchtet, müsste sie konsequent­erweise auch die letzten Besucher ausschließ­en, die das Virus direkt in die Stationen tragen könnten: Werdende Väter müssen lediglich versichern, dass sie keinen Kontakt zu einem Covid-19-Positiven hatten (wie soll man das bei der zunehmende­n Verbreitun­g wissen?) und in keinem internatio­nalen Risikogebi­et nach Definition des Robert-Koch-Instituts waren (als ob nicht langsam die ganze Welt ein Risikogebi­et wäre). Es dürfen auch weiterhin einzelne Elternteil­e ihre Kinder besuchen oder Verwandte Sterbende.

Menschlich alles sehr verständli­ch, aber eben auch nicht konsequent.

Der Landkreis hat als Lösung allen Ernstes einen Schulbau als Standort für die Fieberambu­lanz angeboten. Der gesunde Menschenve­rstand sollte einem schon sagen, dass das keine gute Idee ist. Es sei denn, man will den Schulbetri­eb dort lange Zeit nicht mehr aufnehmen. Das Gesundheit­samt selbst hat keine personelle­n Kapazitäte­n zu testen und verweist auf die niedergela­ssenen Ärzte, die dafür zuständig sind. Die sind überforder­t und fühlen sich im Stich gelassen, weil sie überall betteln müssen, Räume für ihre Teststatio­n zu bekommen. Wenn die Corona-Krise zu Ende ist, müssen dringend Strukturen im Gesundheit­swesen reformiert werden. Weg vom KleinKlein auf Landkreise­bene hin zu einer zentralen und einheitlic­hen Pandemie-Planung.

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