Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weg vom Klein-Klein auf Kreisebene
Das war knapp. Gerade noch rechtzeitig haben die Verantwortlichen die Kurve gekriegt: Die Corona-Teststation der Kassenärztlichen Vereinigung, die aus dem Ravensburger Elisabethen-Krankenhaus aus Sicherheitsgründen ausziehen muss, kann ab Samstag im derzeit leer stehenden Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten weitermachen.
Zu verdanken ist die Lösung in letzter Minute dem Medizin-Campus Bodensee. Eigentlich könnte es den Häflern egal sein, wo im Kreis Ravensburg Verdachtsfälle auf das neue Coronavirus getestet werden. Der MCB war nicht dazu verpflichtet, seine Räume in Weingarten dafür zu öffnen. Gleichzeitig offenbart sich das Chaos im Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure im Gesundheitssystem des Landkreises. Zwar ist es verständlich, dass die Oberschwabenklinik die Teststelle nicht mehr auf ihrem Gelände haben will. Schließlich wäre es verheerend, wenn sich das Virus unter den ohnehin geschwächten Krankenhaus-Patienten ausbreiten würde. Aber wenn die OSK die Gefahr einer Einschleppung so sehr fürchtet, müsste sie konsequenterweise auch die letzten Besucher ausschließen, die das Virus direkt in die Stationen tragen könnten: Werdende Väter müssen lediglich versichern, dass sie keinen Kontakt zu einem Covid-19-Positiven hatten (wie soll man das bei der zunehmenden Verbreitung wissen?) und in keinem internationalen Risikogebiet nach Definition des Robert-Koch-Instituts waren (als ob nicht langsam die ganze Welt ein Risikogebiet wäre). Es dürfen auch weiterhin einzelne Elternteile ihre Kinder besuchen oder Verwandte Sterbende.
Menschlich alles sehr verständlich, aber eben auch nicht konsequent.
Der Landkreis hat als Lösung allen Ernstes einen Schulbau als Standort für die Fieberambulanz angeboten. Der gesunde Menschenverstand sollte einem schon sagen, dass das keine gute Idee ist. Es sei denn, man will den Schulbetrieb dort lange Zeit nicht mehr aufnehmen. Das Gesundheitsamt selbst hat keine personellen Kapazitäten zu testen und verweist auf die niedergelassenen Ärzte, die dafür zuständig sind. Die sind überfordert und fühlen sich im Stich gelassen, weil sie überall betteln müssen, Räume für ihre Teststation zu bekommen. Wenn die Corona-Krise zu Ende ist, müssen dringend Strukturen im Gesundheitswesen reformiert werden. Weg vom KleinKlein auf Landkreisebene hin zu einer zentralen und einheitlichen Pandemie-Planung.