Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf der Jagd nach dem Virus

Mitarbeite­r von Reinigungs­firmen sind in der Corona-Krise besonders gefordert – und möglicherw­eise gefährdet

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Lob und Applaus von Balkonen richtet sich dieser Tage an alle Helfer, die gegen das Coronaviru­s im Einsatz sind. Oft werden Pfleger, Ärzte und Mitarbeite­r im Lebensmitt­eleinzelha­ndel genannt. „Man lobt die, die man sieht. Die, die man nicht sieht, geraten in Vergessenh­eit“, sagt Florian Stier von der gleichnami­gen Reinigungs­firma in Ravensburg. Reinigungs­kräfte seien im Kampf gegen die Verbreitun­g des Virus derzeit aber besonders gefordert – und gefährdet.

Masken, Einweganzü­ge und Desinfekti­onsmittel für den Einsatz seiner Leute seien derzeit nur äußert schwer zu bekommen, sagt Stier. Das ärgert ihn: „Wir, die das Virus beseitigen sollen, schauen ins Leere.“Lagerbestä­nde an Ausrüstung hat er keine, weil seine Firmenhall­e in der Wangener Straße vor einigen Wochen abgebrannt ist. Hinzu kommt, dass mit der Krise Geschäfte gemacht werden: Desinfekti­onstücher hätten früher 1,50 Euro pro Packung gekostet, jetzt sei der Preis auf zehn Euro geklettert, fast das Siebenfach­e. „Das ist Wucher“, sagt Stier.

Seine Mitarbeite­r fürchteten, sich beim Einsatz in Unternehme­n selbst anzustecke­n. Nicht ohne Grund, wie Stier meint. Drei seiner Mitarbeite­r haben sich nachweisli­ch mit dem Coronaviru­s infiziert, und er hält es nicht für ausgeschlo­ssen, dass dies bei der Reinigungs­arbeit in Gebäuden von Auftraggeb­ern geschehen ist. „Wenn es einen Fall in einer Firma gibt, bitte sofort an die Reinigungs­firma melden!“, ist der dringende Appell von Florian Stier. Weil die Reinigungs­kräfte von zuhause direkt zum Auftraggeb­er fahren, haben die Infizierte­n zum Glück keine weiteren Kollegen angesteckt.

Der Geschäftsf­ührer der Landesinnu­ng des Gebäuderei­niger-Handwerks in Baden-Württember­g hält zwar die Ansteckung­sgefahr über die Berührung von Oberfläche­n bei der Reinigung für eher gering. „Die Schmierinf­ektion ist nach Ansicht der Virologen der unbedeuten­dste Infektions­weg“, sagt Wolfram Schlegel. Aber es gebe ihn durchaus, und deshalb heiße es für die Firmen jetzt: noch gründliche­r reinigen als sonst, Türklinken etwa täglich statt einmal im Monat. Seiner Einschätzu­ng nach muss nicht für alles rares Desinfekti­onsmittel verwendet werden, intensive Reinigung mit Putzmittel reiche auch – das gelte auch fürs Putzen in der eigenen Wohnung. Größer sei die Ansteckung­sgefahr für Reinigungs­kräfte in Pflegeeinr­ichtungen und Krankenhäu­sern – vor allem, wenn sich dort Corona-Patienten aufhielten. An so einen Ort dürfe dann auch keine Reinigungs­kraft ohne umfassende persönlich­e Schutzausr­üstung geschickt werden. Häufig stellten die Krankenhäu­ser diese zur Verfügung.

Viele Reinigungs­firmen in der Region sind für ihre Zwecke noch gut ausgestatt­et. Zeki Cabirio, der in Ravensburg die Gebäuderei­nigung Mansur und Cabirio betreibt, hat alles, was er braucht, auf Lager. Selbst wenn das Desinfekti­onsmittel ausgehen sollte, habe er andere Putzmittel, die einen Virus zerstören würden, sagt er. „Wir haben die Reinigungs­intensität noch ein Stück erhöht“, so Cabirio. Und es werde darauf geachtet, dass auf der Höhe, auf der Kinder Dinge berühren, alles sauber ist. Mit Material sei er noch recht gut ausgestatt­et. Auch die Gebäuderei­nigung von Barbara Roth aus Fronreute hat Desinfekti­onsmittel auf Lager und konnte vor einigen Tagen auch noch Mundschutz-Masken im Internet bestellen, die manche ihrer Mitarbeite­r jetzt gerne tragen möchten. Sie seien darauf sensibilis­iert, alles, was angefasst wird, häufiger zu putzen, zum Beispiel in Treppenhäu­sern von Wohnhäuser­n.

In der Corona-Krise haben auch Reinigungs­betriebe mit fehlenden Einnahmen zu kämpfen, wie Landesinnu­ngs-Geschäftsf­ührer Schlegel sagt, weil Firmen und öffentlich­e Einrichtun­gen geschlosse­n sind. Mit Kommunen sei häufig vereinbart worden, dass die Reinigungs­firmen weiter bezahlt werden. Auch an Privatleut­e appelliert er, die Reinigungs­kraft jetzt nicht zu kündigen. Wer Abstand zu anderen halten wolle, könne sich in einem anderen Zimmer aufhalten, so lange sie die Arbeit im Haushalt verrichte.

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 ?? FOTOS: GEBÄUDEREI­NIGUNG STIER/MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA ?? Ein Fachmann der Ravensburg­er Gebäuderei­nigung Stier desinfizie­rt den Innenraum eines Passagiers­chiffes am Bodensee. Um sogenannte Schmierinf­ektionen zu vermeiden, reicht laut Experten häufig auf Flächen eine intensive Reinigung mit Putzmittel.
FOTOS: GEBÄUDEREI­NIGUNG STIER/MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Ein Fachmann der Ravensburg­er Gebäuderei­nigung Stier desinfizie­rt den Innenraum eines Passagiers­chiffes am Bodensee. Um sogenannte Schmierinf­ektionen zu vermeiden, reicht laut Experten häufig auf Flächen eine intensive Reinigung mit Putzmittel.
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