Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sicherheit für 42 Tage
Die Corona-Pandemie trifft auch die 400 Mitarbeiter der Integrations-Werkstätten Oberschwaben in Weingarten
WEINGARTEN - Die Nachricht kam spät und erst auf massiven Druck: Nachdem die Landesregierung am 18. März weitreichende Schließungen von Geschäften und Unternehmen angeordnet hatte, blieben die Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) und der Förderund Betreuungsbereich (FuB) außen vor. Für sie galt die Verordnung zunächst nicht. Für „unverantwortlich“, hielt Dirk Welzin, Geschäftsführer der Integrations-Werkstätten Oberschwaben (IWO) in Weingarten, das Verhandeln der Landesregierung „hier nicht zu handeln“, wie es in einer Pressemitteilung hieß.
Dann kam die Verordnung doch und auch die Finanzierung ist seit Montag, 30. März, gesichert – für 42 Tage. Was dann kommt, sei unklar. Bis zur Mitte der letzten AprilWoche könne man durchhalten, sagt Welzin im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Aber die Finanzierung stand zunächst auf der Kippe. Am vergangenen Freitag habe die Regierung das sogenannte Sozialdienstleistergesetz beschlossen. Demnach bekommen soziale Einrichtungen und Dienste noch 75 Prozent ihrer finanziellen staatlichen Unterstützung. Die Werkstätten würden darunter nicht fallen. Sie bekommen weiterhin 100 Prozent. Zum Glück, denn „das hätten wir betriebswirtschaftlich nicht durchhalten können“, sagt Welzin. Auch mit fatalen Folgen für die regionale Wirtschaft. „Wir hätten unsere Kunden mit Teil- und Fertigprodukten nicht mehr beliefern können.“Das hätte auch Branchen getroffen, die in der jetzigen Situation eine eher steigende Nachfrage haben. Betroffen sind bei der IWO rund 400 Mitarbeiter. 300 von ihnen sind Menschen mit Behinderung, die in der IWO-Produktion arbeiten. Viele von ihnen gehören zur Risikogruppe für die besondere Schutzmaßnahmen gelten. Dazu kommen rund 100 Personalbeschäftigte wie Arbeitserzieher und Heilerziehungspfleger. Die Menschen mit Behinderung seien zum überwiegenden Teil in ihrem Wohnheim, zu Hause oder bei ihren Familien. Ein ganzer
Schwung der Kollegen, die eigentlich in der Tagesstruktur arbeiten, arbeiten gerade in den Wohneinrichtungen des KBZO und versorgen die Leute am Tag mit. Es habe sich nur der Ort der Leistung geändert. „Wir unterstützen jetzt mit unserem Personal diese Wohnformen“, sagt Welzin. „Das hat für uns oberste Priorität.“
Der zweite Teil des Personals wird im CAP-Supermarkt in Weingarten eingesetzt - eine systemrelevante Stelle. Dort arbeiten normalerweise acht oder neun Menschen mit
Behinderung. Seit dem 18. März ist dort nun Personal eingesetzt, damit der Laden am Laufen bleibt. Genauso ist es beim E-Bike-Lieferservice.
Alle anderen Mitarbeiter – etwa 40 sind derzeit in der Produktion und halten den Betrieb aufrecht. Dort arbeiten normalerweise 300 Menschen mit Behinderung. „Wir können noch liefern und in Absprache mit den Kunden die Produktion aufrecht erhalten“, sagt Welzin.
Die Produktion ist für die IWO lebensnotwendig. Denn hier fließt kein staatlicher Cent hinein. „Es ist ein Irrglaube, dass wir von vorne bis hinten staatlich subventioniert sind“, sagt Welzin. „Das stimmt nicht. Wir sind ein ganz normaler Mitbewerber am Markt. Zweck der Produktion sei es, Menschen mit Behinderung eine möglichst breite, vielfältige Palette an Arbeits-, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten zu bieten. Das sei gesetzlich so vorgeschrieben. „Wir haben den Auftrag, attraktive und wirtschaftlich auskömmliche Arbeit zu bieten“, sagt Welzin. „Das bedeutet, wir müssen Aufträge aus der Wirtschaft generieren.“ Das heißt auch, dass der Stundensatz sich am Mindestlohn orientiert. Und das wiederum heißt, dass die IWO häufig mit Billiglohnländern konkurriert. Staatliches Geld gibt es nur für den Betrieb des Gebäudes und des Fachpersonals. Hauptträger ist der Landkreis, das Ravensburger Landratsamt.
„Natürlich müssen wir kämpfen“, sagt Welzin, „unsere Stimme erheben und dafür sorgen, dass man uns sieht. Für den Personenkreis der Werkstätten ist uns das gelungen.“Für 42 Tage.