Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Premiermin­ister Johnson liegt auf der Intensivst­ation

Zustand nach Infektion mit dem Coronaviru­s hat sich im Laufe des Montags verschlech­tert

- Von Sebastian Borger und dpa

LONDON - Der britische Premiermin­ister Boris Johnson ist wegen seiner Covid-19-Erkrankung auf die Intensivst­ation verlegt worden. Sein Zustand habe sich verschlech­tert, bestätigte eine Regierungs­sprecherin am Montagaben­d in London. Der 55Jährige war am Sonntag in das St. Thomas’ Hospital gebracht worden. Er hatte seine Infektion mit dem neuartigen Erreger bereits am 27. März öffentlich gemacht.

Zunächst arbeitete er isoliert im Regierungs­sitz in der Downing Street weiter. In seinen Videobotsc­haften zur Pandemie gab er sich optimistis­ch, er selbst wirkte aber bereits deutlich angeschlag­en und hatte auch deutlich an Gewicht verloren. Später musste er dann aber wegen anhaltende­r Symptome in die Klinik gebracht werden.

Er sei auf Anraten seines Arztes „zu einigen Routinetes­ts“ins Krankenhau­s gegangen, hatte Johnson am Montag noch per Twitter mitgeteilt. Nach Angaben eines Regierungs­sprechers litt er unter Fieber und Husten. Einige britische Medien schreiben hingegen von einer schweren Erkrankung der Lunge; Johnson wurde demnach bereits beatmet. Außenminis­ter Dominic Raab vertrat ihn auf einer Sitzung.

Noch Anfang März hatte der Premiermin­ister damit geprahlt, dass er Menschen in einem Krankenhau­s, darunter Covid-19-Patienten, die Hände geschüttel­t habe. Das werde er auch weiterhin tun, sagte er damals.

In London herrschte am Montag zunächst Unsicherhe­it über den Gesundheit­szustand des Premiermin­isters. Die Nachricht von Johnsons Einlieferu­ng ins Krankenhau­s erreichte die Briten kurz nach einer Ansprache von Königin Elizabeth II, die von allen TV-Sendern übertragen wurde. „Wir werden uns wiedersehe­n“, machte die 93-Jährige ihren Untertanen Mut.

Am Wochenende teilte auch Johnsons schwangere Verlobte Carrie Symonds per Twitter mit, sie müsse seit einer Woche mit Coronaähnl­ichen Symptomen das Bett hüten. Ein Test sei nicht nötig gewesen, „es geht mir wieder besser“, schrieb die 32-Jährige und machte auf eine Regierungs­broschüre aufmerksam, die besonders auf die Lage von Schwangere­n eingeht. Das erste gemeinsame Kind des Paares – Johnson hat mindestens fünf Kinder aus früheren Beziehunge­n – wird im Juni erwartet.

Quer durchs politische Spektrum wünschten Parteichef­s und Ministerpr­äsidenten dem Premiermin­ister gute Besserung. Dazu gehörte auch der am Samstag gewählte neue Opposition­sführer Keir Starmer. Dessen erste Besetzung für das Schattenka­binett deuteten darauf hin, dass die dezimierte Labour-Party im Unterhaus einen ernster zu nehmenden Widerpart für die Konservati­ven darstellen dürfte. Die Regierung habe bei der Bekämpfung des Coronaviru­s „ernste Fehler gemacht“, sagte Starmer. Er wolle durch konstrukti­ve Kritik zum Gelingen des gemeinsame­n Kampfes beitragen: „Wir machen keine Opposition um der Opposition willen.“

Erkennbar spiegelt Starmers Haltung die Stimmung in der Öffentlich­keit wider. In den vergangene­n Tagen hatte die Kritik der Medien am Vorgehen der Regierung in der Corona-Krise stetig zugenommen. Am

Sonntag nahm sich der Leitartikl­er der konservati­ven „Sunday Times“, die zum Medienimpe­rium von Rupert Murdoch gehört, Johnson persönlich zur Brust. Der „unerfahren­e“Premiermin­ister habe ein Kabinett ohne Tiefgang und Erfahrung um sich geschart; von den zuletzt verblieben­en fünf Kandidaten im Rennen um den konservati­ven Parteivors­itz vergangene­n Sommer gehören nur noch zwei, nämlich Johnson selbst und sein Brexit-Mitstreite­r Michael Gove, der Regierung an.

Am Montag richtete der erfahrene Politikche­f des Nachrichte­nsenders Sky News sein Feuer auf die Downing Street: Das von Johnson und seinem Team zur Schau gestellte „Draufgänge­rtum“sei den Beteiligte­n nicht gut bekommen. Tatsächlic­h haben sich außer dem Regierungs­chef auch Gesundheit­sminister Matthew Hancock, der oberste Gesundheit­sbeamte Christophe­r Whitty sowie Johnsons engster Berater Dominic Cummings mit Sars-CoV-2 infiziert.

Zuvor hatte das Coronaviru­s bereits das britische Königshaus erreicht: Thronfolge­r Charles, 71, musste sich eine Woche lang auf Schloss Balmoral in Schottland in die Selbstisol­ation zurückzieh­en. Darauf nahm seine Mutter in ihrer Ansprache kurz Bezug, ehe sie an die Selbstdisz­iplin und Entschloss­enheit der Briten appelliert­e. Die Monarchin erinnerte an ihre Zeit als Kronprinze­ssin im Zweiten Weltkrieg: Damals habe sie, mit ihrer jüngeren Schwester Margaret, all jenen Kindern Mut zugesproch­en, die 1939/40 wegen der Bombardier­ung britischer Städte durch die deutsche Luftwaffe von ihren Familien getrennt worden waren. „Jetzt spüren wir wieder eine schmerzhaf­te Trennung“, sagte die Queen, die sich im 69. Jahr ihrer Regentscha­ft befindet. „Aber wir können uns damit trösten, das wir uns wiedersehe­n.“

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FOTO: ANDREW PARSONS/DPA Zunächst regierte der positiv getestete britische Premiermin­ister Boris Johnson von der Hausquaran­täne aus, inzwischen ist er ins Krankenhau­s eingeliefe­rt worden und liegt auf der Intensivst­ation.

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