Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Markt ist bereits am Gründonnerstag
Wegen Tiefbauarbeiten: Ab 14. April ist der Gespinstmarkt für den Verkehr gesperrt
RAVENSBURG - Um die potenzielle Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu minimieren, gibt es in der Ravensburger Innenstadt seit 21. März keinen Samstagsmarkt mehr. Damit die Abstandsregeln besser eingehalten werden können, wurde der Markt entzerrt – und findet seither jeweils mit weniger Ständen am Montag-, Mittwoch- und Freitagvormittag statt. Anstatt am Karfreitag geht die verkleinerte Marktversion diese Woche jedoch bereits am Gründonnerstag über die Bühne.
Von 8 bis 13 Uhr können Ravensburger, die sich mit frischen Waren eindecken wollen, dies dann an einigen Marktständen auf dem Gespinstmarkt und in der Brotlaube tun. Das Marktgelände ist von 5 bis 15 Uhr für den Verkehr gesperrt.
In der Regel kommen fünf bis zehn Händler an den Markttagen in die Innenstadt, wie Ravensburgs Pressesprecher Alfred Oswald sagt. Damit sei die Grundversorgung der Bürger abgedeckt. Seiner Beobachtung nach werde das Angebot frischer Produkte aus der Region dankbar angenommen. Daher soll der gesplittete Wochenmarkt in der reduzierten Form während der Corona-Pandemie auch weiterhin stattfinden. Schließlich „sind frische Lebensmittel auch in der jetzigen Zeit sehr wichtig“, so Oswald. Im Übrigen sei das Risiko einer Ansteckung
an der frischen Luft geringer als in geschlossenen Räumen.
Allerdings wird sich von kommender Woche an noch mal etwas ändern: Da am Dienstag, 14. April, die Umgestaltung des Gespinstmarkts beginnt, wird der Platz ab dann für den Verkehr gesperrt. Der verkleinerte Markt wird dann montags, mittwochs und freitags in die Herrenund die Kirchstraße verlegt. Die Bauarbeiten auf dem Gespinstmarkt werden laut Oswald voraussichtlich bis Anfang November dauern.
Zunächst geht es los mit Tiefbauarbeiten zur Kanalerneuerung sowie Leitungsarbeiten für Strom, Wasser, Telefon und Wärme. Nach Ostern 2021 ist dann vorgesehen, mit den Arbeiten zur neuen Oberflächengestaltung
des Platzes zu beginnen. „Jetzt geht der Umbau los. Der Gespinstmarkt wird, wenn er fertig ist, ein Schmuckstück in der Oberstadt sein“, prognostiziert Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin.
Bis es allerdings so weit sein wird, ist der Gespinstmarkt nur noch zu Fuß passierbar – laut Oswald komme man weiterhin zu den Häusern und den wenigen geöffneten Geschäften wie etwa dem Reformhaus Kuhn. Man müsse allerdings gegebenenfalls mit zeitlichen Einschränkungen rechnen. Die Anlieferung zu den Geschäften ist laut Stadtverwaltung zwischen 6 und 9 Uhr auch weiterhin möglich, wobei man auch hier Einschränkungen nicht ausschließen könne.
Wie fragil, verletzlich und brüchig vieles von dem ist, was wir für selbstverständlich hielten, bekommen wir gerade „von außen“, durch ein winzig kleines Virus, vor Augen geführt.
Wir bewegen uns auf dünnem Eis. Wobei das immer so war. Und immer so ist. Wir verdrängen es nur allzu gerne, übertönen es durch Ablenkungen und äußerliche Aktivität.
Öfter schon hatte ich den Eindruck, dass manche Lebenslust aufgesetzt ist, dass ernste Grundfragen verdrängt werden. Und Ablenkungsangebote gibt es ja zuhauf. Öfter schon hatte ich den Eindruck, dass (wenig getarnt) das Starke, das Gesunde, das Erfolgreiche nahezu angebetet und vergöttert wird.
Unsere Tradition hält Geschichten, Gesten, Elemente bereit, wie wir Vergänglichkeit, Angst und Leid integrieren können, ohne daran zu verzweifeln. Der Rhythmus des Kirchenjahres bildet nicht nur die Heilsgeschichte ab, sondern auch das Auf und Ab unserer Lebensbewegungen. In der Karwoche sind wir in besonderem Maße eingeladen, uns den dunklen Seiten zu stellen. Uns hineinnehmen zu lassen in die letzten Tage des Lebens Jesu. Und in dieser Erzählung unsere Ängste, unser Leid zu entdecken. Jeden Tag geht man einen Schritt mit ans Kreuz, den Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Den entscheidenden Punkt für jeden Einzelnen, wenn wir uns mit hineinnehmen lassen, wenn wir uns mit unter das Kreuz stellen. Der Karfreitag ist der Tiefpunkt und der Höhepunkt christlichen Glaubens. Weder Stier, noch Adler, noch ein anderes Machtzeichen ist unser Symbol, sondern das Kreuz.
Für mich selbst ist die beeindruckendste „Station“der Karwoche im Garten Gethsemane. Jesus bittet darum, dass der Kelch des Leidens an ihm vorbeigehe. Die Gemeinschaft der Jünger versagt, sie vermögen nicht, mit ihm zu wachen und zu beten, sondern schlafen ein. Jesus ist allein. Jesus ist verzagt, ängstlich, verzweifelt. In dieser Erzählung ist viel Platz für meine Angst und für meine Unruhe. Auch für meine Feigheit. Die Stärke christlichen Glaubens ist, Schwäche zu integrieren. Mitgehen, mitleiden, das Dunkle und Brüchige nicht verdrängen. „Wahr“werden die Erzählungen der Karwoche, wenn wir unsere Erfahrungen mit hineinschreiben. Dieses Jahr vielleicht ganz besonders.
Gott sei Dank: Auch dieses Jahr wird Ostern!
Martin Henzler-Hermann,
Pfarrer an der Evangelischen Stadtkirche Ravensburg