Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Duale Hochschule geht online
Im Theoriesemester gibt es keine Präsenzlehre wegen Corona
Meine Chefin sagte einst missvergnügt am frühen Donnerstagmorgen in Zürich: „Heute kommen die Sauschwaben!“Das war in jenen Zeiten, als deutsche Käufer(innen) in der reichen Stadt an der Limmat gerne konsumierten, vorzugsweise während des Abendverkaufes am Donnerstag bis 21 Uhr.
Mich, seinerzeit in der Spielzeugabteilung eines Züricher Spezialgeschäftes für pädagogisch wertvolles Holzspielzeug und Bilderbücher volontierend, mochten manche Schweizer(innen), doch verstand ich selten, was sie von mir wollten. Mein Chef entschied deshalb schon bald, mich im Lager einzusetzen, wo ich die Regale der Ravensburger Spiele, Hobbys, Puzzles und Bilderbücher zu betreuen hatte.
Mitunter flanierte ich durch die Bahnhofsstraße und erkannte, dass mein Monatsgehalt von 800 schwarz bezahlten Schweizer Franken fürstlich, aber nicht ausreichend war. Immerhin erstand ich seinerzeit einen Jeansanzug samt blauen Lederstiefelchen, was für einiges Aufsehen in Ravensburg sorgte. Auch hatte es für je fünf Züricher Pralinen für Mutter und Freundin gereicht.
Das Nachtleben im Züricher Niederdorf blieb mir seinerzeit verschlossen. Dank eines Züricher „Maidlis“erlebte ich aber immerhin „Monsieur 1000 Volt“respektive Gilbert Becaud, wie der Chansonnier bürgerlich hieß. Jahre später freute sich die Familie gelegentlich am Züricher Zoo, am Schleckeis am schönen Limmatufer. Es folgten die Hamsterkäufe im „Migros“in St. Margarethen. Irgendwie blieben mir die meisten Schweizer aber fremd.
RAVENSBURG (sz) - In dieser Woche hat an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Ravensburg das aktuelle Theoriesemester begonnen. Wegen der Corona-Pandemie ist davon nach außen aber nur wenig zu sehen, denn die Online- hat die Präsenzlehre ersetzt, heißt es in einer Pressemitteilung der Bildungseinrichtung. Die meisten Mitarbeiter arbeiten vom Homeoffice aus – die wesentlichen Funktionen hält die Hochschule aber weiter aufrecht.
Das Online-Videokonferenzsystem AlfaView mache es laut Pressebericht möglich, sich im virtuellen Kursraum zu treffen und Präsentationen zu zeigen. Große Herausforderung dabei: Nicht nur die Professoren und die Studierenden mussten angemeldet werden und sich im neuen System zurechtfinden, sondern auch die externen Lehrbeauftragten, die ein großer Bestandteil der Lehre an der DHBW sind. Gute Dienste leistet auch Moodle, ein System, das es bereits seit einigen Jahren an der DHBW gibt. Über die Lernplattform können Unterlagen und Aufgaben für Lehrveranstaltungen ausgetauscht werden.
Die andere Hälfte der Studierenden ist im dualen Studium naturgemäß gerade in der Praxisphase. Auch hier gibt es einiges zu regeln – alle
Branchen sind betroffen, ganz besonders trifft es die Messe- und Veranstaltungssparte sowie den Tourismus und die Hotellerie. Hier sind pragmatische Lösungen gefragt, wenn Betriebe etwa Kurzarbeit anmelden. Professor Stefan Luppold, Studiengangsleiter BWL-Messe-, Kongress- und Eventmanagement, dazu in dem Presseschreiben: „Wir hatten heute zwei Stornierungen reservierter Studienplätze für Oktober, aber auch ein Upgrade von einem auf zwei Studienanfänger. Das spiegelt die Lage meines Erachtens ganz gut wider – nämlich, dass die Branche an eine ,Zeit danach’ glaubt.“
Aber auch wenn die Pforten der Hochschule geschlossen bleiben, laufe der Betrieb weiter,so der Pressebericht. Die Bibliothek biete einen Notservice an mit der Möglichkeit, Medien kontaktlos auszuleihen. Das Angebot an elektronischen Medien sei ebenfalls auf die Schnelle erheblich ausgeweitet worden. „Mein Dank gilt auch vielen Mitarbeitern in der IT, der Personalabteilung oder den Hausmeistern, die weiter vor Ort nach dem Rechten sehen und die Post versorgen“, wird Rektor Professor Dr.-Ing. Herbert Dreher zitiert.
Auch die Moral der Studenten sei laut Kristin Brüning, Referentin für studentische Angelegenheiten an der DHBW, „ganz gut“. So soll nächste Woche ein Online-Sportprogramm starten, virtuelles Kochen ist ebenfalls angedacht. Unter dem Motto „Daheim, aber nicht unsichtbar“gibt es einen Aufruf, sein studentisches Homeoffice in kleinen Filmchen zu zeigen.
Die aktuellen Regelungen gelten zunächst bis zum 19. April, dann wird neu entschieden.
Kriegsrhetorik oder Kultur? „Wir sind im Krieg“, erklärte Emmanuel Macron dem französischen Volk. Der Feind ist Corona. Gestern noch, ohne Feind, schwärmte er über das Milliardenprojekt für Dassault und Airbus – einen neuen Kampfjet plus Drohnen. Von einem Krieg spricht auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, EUKommissar Thierry Breton von einer „Kriegswirtschaft“.
Was man sich darunter vorstellen darf, erläuterte das US-Magazin Newsweek: Für die 31 Mrd Dollar, die die USA 2019 für Atomwaffen ausgaben, hätten 75 000 Ärzte, 150 000 Krankenschwestern und 300 000 Betten für Intensivstationen finanziert werden können. Welch ein Gegensatz die Sprache des UN-Generalsekretärs Antònio Guterres, in der er zu einem „sofortigen globalen Waffenstillstand“aufruft. „Es ist an der Zeit, bewaffnete Konflikte zu beenden und sich gemeinsam auf den wahren Kampf unseres Lebens zu konzentrieren… Die Schwächsten – Frauen und Kinder, Menschen mit Behinderungen, Marginalisierte und Vertriebene – zahlen den höchsten Preis.“Poetisch geradezu der Satz „The fury of the virus illustrates the folly of the war“– „Das tobende Virus veranschaulicht den Unsinn des Krieges. Beendet die Krankheit des Krieges. Dies braucht die Menschheit – (our human family) – mehr denn je.“
Den Krieg als Krankheit, als Seuche zu bezeichnen hat große literarische Vorbilder. In Albert Camus‘ symbolischem Roman „Die Pest“, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947, im noch französischen Algerien erschienen, ist das Virus „die braune Pest“, der Faschismus, der Stalinismus, die ersten Atombombenabwürfe in der Südsee, die entsetzlichen Grausamkeiten der französischen „Kulturnation“an den „Primitiven“in den Kolonien. Die Hauptfigur in Camus’ Roman, Dr. Rieux, beugt sich der Pest nicht schicksalhaft, weist die das Volk verdummende These zurück, sie sei „die Strafe Gottes“. Rieux ist, wie der ganze Roman, ein „l’homme revolté“, einer mit „rebellischer Seele“. Ein Symbol derer, die mit jenen Werten „infiziert“sind, die Camus, und Jean-Paul Sartre, in Philosophie und Literatur schon bald berühmt machten; Anti-Militarismus, Humanismus, und ein Denken, das die Studentenrevolten der 68er in Europa wie in den USA ebenso prägte wie die „hommes revoltés“der Unabhängigkeitsbewegungen, die eine neue Literatur, eine eigene Philosophie und Theologie schrieben. Eine neue Welt für die „Verdammten dieser Erde“des Psychiaters Frantz Fanon aus Martinique, Solidarität und Gemeinschaft in Julius Nyereres „Ujamaa-Dörfern“in Tansania.
Der Befreiungspriester Michael Kayoya aus Burundi schrieb: „Sehr spät erkrankte unser Volk an dem schrecklichen Übel, das man Unterentwicklung nennt. Seit der Begegnung mit dem Abendland hat unser Volk aufgehört, sein Leben selbst zu bestimmen.“Diesen europäischen Virus zu bekämpfen war für ihn tödlich. Die von den Europäern eingeschleppten „Seuchen“– die Gier zu plündern, Marionetten zu kreieren und zu infizieren – diese zerstören die Visionen, die konkreten Utopien des Südens, die es gab und gibt, bis heute. Dichter und Philosophen waren Präsidenten in afrikanischen Ländern. Doch Viren sind immun gegen Kultur. Sie kleben an Geld und an Metall, das in „Kriegswirtschaften“bearbeitet wurde. Sie saugen das Blut der Kriege, die bei Antonio Guterres das Virus nähren. „Ein Virus kennt keine Moral“titelte Rosa von Praunheim 1986 seine bitterböse Komödie über das Aids-Virus. Werden wir mittels Corona erkennen, was die Gründe so vieler Seuchen sind? Michel Kayoya in dem nur noch antiquarisch erhältlichen Buch „Sprich Deine Sprache, Afrika“: „Unterentwicklung ist der verkehrte Zustand, in dem Völker ernsthaft erkrankt sind an sozialer Entartung und sozialem Stumpfsinn, an einem Parasitentum, das jeden Fortschritt hemmt, an sozialer Kurzsichtigkeit.“