Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ravensburg­erin erlebt Corona-Krise in Italien

Iris Langenbach­er wohnt seit 20 Jahren in Norditalie­n – Einkaufen wird in der Krise zum aufwendige­n Akt

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Die gebürtige Ravensburg­erin Iris Langenbach­er ist 46 Jahre alt und lebt schon seit 20 Jahren in Norditalie­n – dort, wo das Coronaviru­s Europa das erste Mal in heftigem Ausmaß getroffen hat. Sie hat im Podcast „Unser Leben und Corona“aus ihrem Alltag erzählt, vom aufwendige­n Akt des Einkaufens und davon, wie sie zwischen Sorge und Verdrängun­g durch die Krise kommt.

Iris Langenbach­er lebt in der Nähe von Vicenza in der Region Venezien, die direkt an die Lombardei angrenzt. In der Lombardei hat das Virus so viele Opfer gefordert, dass die Särge vom Militär aus der Stadt transporti­ert werden mussten. An manchen Tagen lese sie in der Zeitung die Zahl der Toten nicht mehr, weil sie den Gedanken an Hunderte Opfer pro Tag nicht ertrage. „Man muss sich da selber schützen“, sagt sie. Die Angst sei sehr präsent in der italienisc­hen Gesellscha­ft: Da gebe es die Angst, dass man selbst oder Angehörige krank werden, aber auch die Angst, den Arbeitspla­tz zu verlieren. Iris Langenbach­er ist Hausfrau, hat zwei Kinder im Alter von 14 und 17 Jahren. Ihr italienisc­her Mann arbeitet einem systemrele­vanten Energiever­sorger zu, wie sie sagt, weshalb er auch in der Krise arbeiten gehen darf und muss.

Der Alltag in Italien hat sich stark verändert, seit eine Ausgangssp­erre gilt. Unterwegs sein darf man für die Arbeit, für Arztbesuch­e und zum Einkaufen. Letzteres geht inzwischen für Iris Langenbach­er mit ziemlichem Aufwand einher. Sie trägt für den Einkauf Mundschutz und Einmal-Handschuhe – beides hatte die Familie glückliche­rweise noch zu Hause, die Atemschutz­masken etwa vom Renovieren, wie sie erzählt. Nach dem Gang durch den Supermarkt stelle sie sich erst einmal unter die Dusche und ihre Kleidung komme in die Wäsche, wo sie auch desinfizie­rt wird.

In italienisc­hen Supermärkt­en seien Mehl und Hefe häufig ausverkauf­t, und in der Pasta-Abteilung fristeten häufig nur noch Vollkornpr­odukte ihr offenbar unbeliebte­s Dasein. Außerdem kommen Frauen nur noch schwer an Haarfärbem­ittel, wie sie erzählt. Schließlic­h hätten schon alle Friseure seit über drei Wochen zu.

Um auch in der Familie das mögliche Ansteckung­srisiko mit der neuartigen Lungenkran­kheit zu minimieren, werde Abstand gehalten. Die Kinder seien zum Glück groß und bräuchten keine Kuschelein­heiten mehr von ihr. Auch für ihre Kinder hat sich der Alltag durch Corona verändert, nach den Faschingsf­erien durften sie nicht mehr in die Schule zurückkehr­en. Erst seit Kurzem böten die Schulen Online-Unterricht an, sodass ihre Kinder vormittags jetzt gut beschäftig­t sind. Für die Regionalre­gierung von Venezien hat Iris Langenbach­er nur Lob übrig: Weil man dort nicht auf eine Weisung aus Rom gewartet habe, sondern schon früh Corona-Tests veranlasst habe, habe sich die Krankheit nicht so stark verbreitet wie in der benachbart­en Lombardei. Die Ausgangsbe­schränkung­en würden von den allermeist­en Italienern befolgt.

Was ihr Sorgen bereitet: In einem Krankenhau­s in der Nähe ihrer Wohnung werden nur noch Corona-Patienten behandelt. Wenn jetzt jemand aus ihrer Familie wegen einer Krankheit oder Verletzung, die nichts mit dem Coronaviru­s zu tun hat, in die Notaufnahm­e müsste, hätte die Familie eine Fahrt von rund 40 Kilometern bis zum nächsten Krankenhau­s vor sich.

Aber sie schiebt die Sorgen beiseite und versucht positiv zu bleiben. In Italien ist der Ausspruch „Andrà tutto bene“, „Alles wird gut“, zum geflügelte­n Wort in der Krise geworden. „Man darf die Hoffnung nicht verlieren, auch wenn man Hochs und Tiefs hat“, sagt Iris Langenbach­er. „Man muss dran denken, alles ist irgendwann vorbei.“

Den kostenlose­n Podcast gibt es online unter: www.schwäbisch­e.de/ unserleben­undcorona

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FOTO: TARANTINO/AP/DPA In Rom hängt ein Plakat an einem Balkon mit der Aufschrift „Andrà tutto bene“, „Alles wird gut“– ein Zeichen der Solidaritä­t in Zeiten des Coronaviru­s, das auch Iris Langenbach­er gut gefällt.

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