Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Akzeptanz und Neubeginn
Noch vor der Corona-Krise haben sich Flüchtlinge in der Basilika taufen lassen
WEINGARTEN - Immer mehr Christen kehren sowohl der katholischen wie auch der evangelischen Kirche den Rücken und treten aus. Auch in Oberschwaben. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und regional bisweilen unterschiedlich. Doch gibt es weiterhin Menschen, die noch enger an die Kirche heranrücken. So auch eine Gruppe von rund 25 Eltern und Kindern aus Nigeria, Ghana und dem Iran, die sich noch vor der CoronaKrise in der Weingartener Basilika haben taufen lassen.
Einer von ihnen ist Josiah Njoku. Der junge Mann ist 32 Jahre alt und stammt aus dem Süden Nigerias. Seit Juli 2018 ist der gläubige Christ in Weingarten. Nun hat er sich in der Kirchengemeinde St. Martin taufen lassen. „In Nigeria hatte ich nie die Möglichkeit, mich taufen zu lassen“, sagt er. Die Taufe sei in seiner Heimat ein sehr wichtiger Schritt. Sie zeige, dass man im Leben angekommen ist. „Nun bin ich wirklich ein Katholik und ein vollwertiges Mitglied der Gemeinde. Ich fühle, dass die Gemeinschaft mich akzeptiert. Ich bin Teil der Familie“, sagt Njoku, der zweimal die Woche in die Basilika geht.
Der Wunsch der Zugehörigkeit war ein wichtiger Aspekt für ihn und seine 29 Jahre alte Frau Sofia. Schließlich soll sich der ein Jahr alte Sohn Devine in Deutschland heimisch fühlen. Ein weiterer Grund für die Taufe ist aber auch die Vergangenheit. Auf der Flucht von Nigeria bis nach Libyen über das Mittelmeer und Italien, haben Njoku und seine Frau viele schlimme Dinge erlebt. „In Libyen war es furchtbar. Aber Gott hat uns gerettet“, sagt er und erzählt von seiner Überfahrt über das Mittelmeer. 138 Menschen saßen mit ihm in einem viel zu kleinen Boot. Nur 40 überlebten. Glücklicherweise schaffte es seine Frau in einem anderen Boot ebenfalls nach Europa. „Gott hat uns als Familie gerettet. Deswegen haben wir uns taufen lassen“, sagt Njoku.
Die Zeremonie selbst sei sehr schön gewesen. Monatelang hatten sie sich auf die Taufe vorbereitet, die dann gut geklappt habe. „Wir sind sehr froh, dass wir akzeptiert werden und uns die Zeit gegeben wurde, unsere Zeremonie zu machen“, sagt er mit Blick auf das Singen von afrikanischen Liedern und dankt Dekan Ekkehard Schmid. „Er ist wie ein Vater für uns.“Auch die Basilika als Ort sei besonders gewesen. „Wir sind sehr glücklich, in so einer großen und bedeutenden Kirche getauft worden zu sein.“Danach wurde zusammen gegessen, Musik gemacht und gefeiert.
Dankbar sind die Täuflinge im Besonderen aber auch dem nigerianischen Pfarrer Gerald Ezeanya. „Es war für uns sehr wichtig, dass Vater Gerald uns getauft hat. Ohne ihn wäre es sicher schwerer geworden“, sagt Njoku.
Wie wichtig der Schritt für die Täuflinge ist, zeigen auch die Beweggründe von der 25-jährigen Erica Clement, die gemeinsam mit ihrem Mann Kingsley Oriabure in Deutschland ist. Sie hat sich und ihre einjährige Tochter Miracle gerade mit
Blick auf die Zukunft taufen lassen. „Niemand weiß, was morgen passiert“, sagt sie mit belegter Stimme. Denn dass ihre Tochter überhaupt am Leben ist, sei ein Wunder. Daher auch der Name Miracle. Gerade einmal 620 Gramm soll sie bei der Geburt gewogen haben – im sechsten Schwangerschaftsmonat. „Trotzdem war sie sehr stark. das hat uns Hoffnung gegeben.“
Und doch musste Miracle in ihrem kurzen Leben schon mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Umso glücklicher ist Erica Clement, dass ihre Tochter getauft wurde. „Wir sind sehr froh, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Ich wollte ein volles Mitglied der katholischen Gemeinde werden“, sagt sie und ergänzt mit Blick auf die Taufe: „Ich habe mich anders gefühlt. Ich war glücklich.“
Wieder etwas anders war und ist die Situation bei Helen Ijieh. Die 37jährige Nigerianerin zieht alleine ihre beiden Kinder groß. Während Sohn Confidence bereits neun Jahre alt ist, ist Tochter Victory gerade einmal ein Jahr alt. Doch während Helen Ijieh selbst bereits auf ihrer Flucht in Spanien getauft wurde, war es ihr wichtig, dass auch ihre Kinder getauft werden. „Die Taufe, ist wie wenn man die Sünden weg wäscht. Die Vergangenheit wird vergessen, ein neues Leben beginnt“, sagt sie. Es gehe ihr um das Bewusstsein. Ihre Kinder sollen „mit diesem Gefühl aufwachsen“. Daher betet die Mutter mit ihrem Sohn auch immer. Gebete seien der Schlüssel für alles. „Aber mein Sohn sagt, dass ich manchmal zu lange bete“, erzählt sie lachend.