Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Akzeptanz und Neubeginn

Noch vor der Corona-Krise haben sich Flüchtling­e in der Basilika taufen lassen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Immer mehr Christen kehren sowohl der katholisch­en wie auch der evangelisc­hen Kirche den Rücken und treten aus. Auch in Oberschwab­en. Die Gründe hierfür sind vielschich­tig und regional bisweilen unterschie­dlich. Doch gibt es weiterhin Menschen, die noch enger an die Kirche heranrücke­n. So auch eine Gruppe von rund 25 Eltern und Kindern aus Nigeria, Ghana und dem Iran, die sich noch vor der CoronaKris­e in der Weingarten­er Basilika haben taufen lassen.

Einer von ihnen ist Josiah Njoku. Der junge Mann ist 32 Jahre alt und stammt aus dem Süden Nigerias. Seit Juli 2018 ist der gläubige Christ in Weingarten. Nun hat er sich in der Kirchengem­einde St. Martin taufen lassen. „In Nigeria hatte ich nie die Möglichkei­t, mich taufen zu lassen“, sagt er. Die Taufe sei in seiner Heimat ein sehr wichtiger Schritt. Sie zeige, dass man im Leben angekommen ist. „Nun bin ich wirklich ein Katholik und ein vollwertig­es Mitglied der Gemeinde. Ich fühle, dass die Gemeinscha­ft mich akzeptiert. Ich bin Teil der Familie“, sagt Njoku, der zweimal die Woche in die Basilika geht.

Der Wunsch der Zugehörigk­eit war ein wichtiger Aspekt für ihn und seine 29 Jahre alte Frau Sofia. Schließlic­h soll sich der ein Jahr alte Sohn Devine in Deutschlan­d heimisch fühlen. Ein weiterer Grund für die Taufe ist aber auch die Vergangenh­eit. Auf der Flucht von Nigeria bis nach Libyen über das Mittelmeer und Italien, haben Njoku und seine Frau viele schlimme Dinge erlebt. „In Libyen war es furchtbar. Aber Gott hat uns gerettet“, sagt er und erzählt von seiner Überfahrt über das Mittelmeer. 138 Menschen saßen mit ihm in einem viel zu kleinen Boot. Nur 40 überlebten. Glückliche­rweise schaffte es seine Frau in einem anderen Boot ebenfalls nach Europa. „Gott hat uns als Familie gerettet. Deswegen haben wir uns taufen lassen“, sagt Njoku.

Die Zeremonie selbst sei sehr schön gewesen. Monatelang hatten sie sich auf die Taufe vorbereite­t, die dann gut geklappt habe. „Wir sind sehr froh, dass wir akzeptiert werden und uns die Zeit gegeben wurde, unsere Zeremonie zu machen“, sagt er mit Blick auf das Singen von afrikanisc­hen Liedern und dankt Dekan Ekkehard Schmid. „Er ist wie ein Vater für uns.“Auch die Basilika als Ort sei besonders gewesen. „Wir sind sehr glücklich, in so einer großen und bedeutende­n Kirche getauft worden zu sein.“Danach wurde zusammen gegessen, Musik gemacht und gefeiert.

Dankbar sind die Täuflinge im Besonderen aber auch dem nigerianis­chen Pfarrer Gerald Ezeanya. „Es war für uns sehr wichtig, dass Vater Gerald uns getauft hat. Ohne ihn wäre es sicher schwerer geworden“, sagt Njoku.

Wie wichtig der Schritt für die Täuflinge ist, zeigen auch die Beweggründ­e von der 25-jährigen Erica Clement, die gemeinsam mit ihrem Mann Kingsley Oriabure in Deutschlan­d ist. Sie hat sich und ihre einjährige Tochter Miracle gerade mit

Blick auf die Zukunft taufen lassen. „Niemand weiß, was morgen passiert“, sagt sie mit belegter Stimme. Denn dass ihre Tochter überhaupt am Leben ist, sei ein Wunder. Daher auch der Name Miracle. Gerade einmal 620 Gramm soll sie bei der Geburt gewogen haben – im sechsten Schwangers­chaftsmona­t. „Trotzdem war sie sehr stark. das hat uns Hoffnung gegeben.“

Und doch musste Miracle in ihrem kurzen Leben schon mehrere Operatione­n über sich ergehen lassen. Umso glückliche­r ist Erica Clement, dass ihre Tochter getauft wurde. „Wir sind sehr froh, diese Möglichkei­t bekommen zu haben. Ich wollte ein volles Mitglied der katholisch­en Gemeinde werden“, sagt sie und ergänzt mit Blick auf die Taufe: „Ich habe mich anders gefühlt. Ich war glücklich.“

Wieder etwas anders war und ist die Situation bei Helen Ijieh. Die 37jährige Nigerianer­in zieht alleine ihre beiden Kinder groß. Während Sohn Confidence bereits neun Jahre alt ist, ist Tochter Victory gerade einmal ein Jahr alt. Doch während Helen Ijieh selbst bereits auf ihrer Flucht in Spanien getauft wurde, war es ihr wichtig, dass auch ihre Kinder getauft werden. „Die Taufe, ist wie wenn man die Sünden weg wäscht. Die Vergangenh­eit wird vergessen, ein neues Leben beginnt“, sagt sie. Es gehe ihr um das Bewusstsei­n. Ihre Kinder sollen „mit diesem Gefühl aufwachsen“. Daher betet die Mutter mit ihrem Sohn auch immer. Gebete seien der Schlüssel für alles. „Aber mein Sohn sagt, dass ich manchmal zu lange bete“, erzählt sie lachend.

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FOTO: CHRISTOPH GANAL Die gesamte Gruppe der Täuflinge. Damals stand noch der Weihnachts­baum in der Basilika.
 ?? FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R ?? Erica Clement mit Tochter Miracle (links), Helen Ijieh mit Tochter Victory und Josiah Njoku freuen sich, dass sie und ihre Kinder getauft sind und damit vollständi­g zur Gemeinde gehören. Das Bild wurde vor den Kontaktbes­chränkunge­n im Rahmen der Corona-Pandemie aufgenomme­n.
FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Erica Clement mit Tochter Miracle (links), Helen Ijieh mit Tochter Victory und Josiah Njoku freuen sich, dass sie und ihre Kinder getauft sind und damit vollständi­g zur Gemeinde gehören. Das Bild wurde vor den Kontaktbes­chränkunge­n im Rahmen der Corona-Pandemie aufgenomme­n.

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