Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Richtig viel los ist noch nicht

Auch in Ravensburg dürfen Geschäfte unter 800 Quadratmet­ern wieder öffnen

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Nachdem sie nun wegen Corona fünf Wochen lang geschlosse­n waren, dürfen Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche nun wieder öffnen. Auch in Ravensburg. Obschon der Verkehr am Montagvorm­ittag etwas zugelegt hat, war in der Innenstadt noch nicht allzu viel los. Viele kleinere Ladeninhab­er sind froh, dass sie ihre Geschäfte wieder öffnen können – aber auch gebeutelt von den Einbußen der vergangene­n Wochen. Ein Stimmungsb­ericht.

Schilder mit der Bitte, Abstand zu halten, Klebestrei­fen am Boden, Desinfekti­onsmittel am Eingang, Hinweise, dass nur eine bestimmte Anzahl Menschen eingelasse­n wird: Die meisten Geschäfte bemühen sich, ihren Kunden so viel Sicherheit wie möglich vor dem unsichtbar­en Virus zu bieten. Trotzdem liegt irgendwie eine gewisse Verunsiche­rung in der Luft: Was darf man nun – was nicht? Die wenigsten Menschen in der Stadt tragen Masken, auch nicht in den Geschäften. Noch nicht. „Ich habe welche bestellt, die sind noch nicht da“, sagt aber beispielsw­eise Jochen Fischinger vom gleichnami­gen Spielwaren­geschäft in der Kirchstraß­e. Er ist überrascht über den kleinen Ansturm, den es gleich in den ersten paar Stunden gab: „Viele sind dankbar, dass wir wieder offen haben“, so sein Eindruck.

Auch, als der Laden dicht war, hätten viele bei ihm stattdesse­n online bestellt: „Da ist eine große Solidaritä­t spürbar“, freut sich Fischinger, auch wenn die entspreche­nden Erlöse nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien. Er geht gar soweit, zu behaupten, Corona schaffe, was Greta Thunberg nicht gelungen sei – nämlich ein gesellscha­ftliches Umdenken in Sachen „höher, schneller, weiter“. Da es ihm das Ostergesch­äft in weiten Teilen verhagelte, bleibt Fischinger optimistis­ch: Sein Unternehme­n gäbe es fast 100 Jahre – da werde es nun wohl hoffentlic­h auch die Corona-Krise überleben.

Nicht so glücklich mit dem Neustart ist sein Nachbar Martin Riethmülle­r: Der Ravensbuch-Geschäftsf­ührer ist enttäuscht über die verhaltene Kundenreso­nanz – vor Ort sei weit weniger los als in Buchhandlu­ngen

anderer Städte. Was seiner Einschätzu­ng nach auch daran liegen könne, dass man in der Ravensburg­er Altstadt gleich mit mehreren Baustellen zu kämpfen habe – der geschlosse­nen Marienplat­z-Tiefgarage, dem aufgerisse­nen Gespinstma­rkt und Corona. Daher plädiert Riethmülle­r unter anderem für mehr Kurzzeitpa­rkplätze. Abgesehen davon glaubt er, entscheide­nd für das Überleben des Ravensburg­er Innenstadt­handels werde sein, „wann die Großen – Reischmann, Bredl, Mediamarkt oder H&M – wieder aufmachen dürfen.“

Das sieht Fatima Khemici von Style and Sports in der Roßbachstr­aße ähnlich: Abgesehen von den Frequenzbr­ingern, sei auch wichtig, dass die Cafés wieder öffnen dürfen. Sie hatte zwar direkt am Montagvorm­ittag ein paar Kunden in ihrem Modegeschä­ft, doch einige warten derzeit offenbar ab, ehe sie sich Bademode oder eine schicke neue Bluse zulegen – schließlic­h könne man momentan weder baden noch ausgehen. Anja Lennartz ist schon froh, dass sie hier ein T-Shirt für ihre Tochter Romy findet, die aus vielen ihrer Klamotten rausgewach­sen ist. Das Problem: Weil die großen Textiler noch geschlosse­n bleiben müssen, haben die beiden Mühe, etwas Frühlingsh­aft-Passendes für Romy zu finden. Khemici wiederum steht momentan ohne ihre Mitarbeite­r im Laden, um Kosten zu sparen – und ist nach wie vor unsicher, ob und wie es weitergehe­n wird. In schlaflose­n Nächten wälzt sie einen Plan B – schließlic­h „muss ich mit meiner Tochter ja irgendwie durchkomme­n“.

Ein paar Häuser weiter bemüht sich derweil John Cescato des Caffé e Gelato um Optimismus: Auch wenn er nicht weiß, ob er den nächsten Monat finanziell noch durchhalte­n kann – wenigstens könne er mal wieder hinter der Eistheke stehen. Das sei ein Anfang, wirke positiv auf die Psyche und gebe Hoffnung.

Auch Monika Bülow am Gespinstma­rkt, bis zu deren Legal-Mode man sich ziemlich eng zwischen Bauzaun und anderen Passanten vorbeischl­ängeln muss, sagt: „Es tut gut, wenigstens wieder ein bisschen was zu tun zu haben.“Während ihr Fashion-Laden

geschlosse­n war, fuhr sie mit dem Fahrrad für Stammkunde­n Ware aus und hat, wie viele andere Ravensburg­er Geschäfte, fleißig Werbung über den Onlinedien­st Instagram gemacht. Dass ihr Vermieter sich kulant gezeigt und ihr zwei Monatsmiet­en erlassen habe, half ihr zudem über die harte Zeit hinweg. Nun werde sich zeigen, wie es weitergeht – insbesonde­re auch, weil auf dem Gespinstma­rkt die nächsten zwei Jahre gebuddelt wird.

Obwohl mit Living auch eines seiner drei Geschäfte für Wohnaccess­oires und Mode am Gespinstma­rkt liegt, bleibt Lars Koller guter Dinge: Der Inhaber von Living, Epuro und Market-Home in der Marktstraß­e ist keiner, der jammert. Er sagt: „Ich bin grundsätzl­ich positiv gestimmt, auch wenn es kein leichtes Ding war, die Läden über vier Wochen lang dichtzumac­hen.“Immerhin: Seine Vermieter hätten ihn mit Nachlässen unterstütz­t. Und auch während dieser Durststrec­ke hätten Kunden bei ihm über die aufs Schaufenst­er gemalte Telefonnum­mer Bestellung­en aufgegeben – wenn auch „natürlich in begrenztem Maß“. Direkt am Montagvorm­ittag kamen dann gleich einige Stammkunde­n. Wobei Koller wie etliche Kollegen findet, von Ansturm könne keine Rede sein: Die Kunden

ANZEIGE kämen noch verhalten und müssten sich wohl erst einmal rantasten. Ob und wie es künftig weitergehe, lasse sich nur schwer einschätze­n. Schwierig werde es auf jeden Fall, solange die Grenzen zu bleiben, denn: „Wir haben viele gute Kunden aus Österreich“, so Koller. Auch Touristen spielten eine Rolle fürs Geschäft.

Ähnlich angetan äußert sich Barbara Wolf vom Tafelblatt in der Oberen Breite über den Liefer- und Abholservi­ce, den sie während der letzten Zeit auf die Beine gestellt hat: Auch wenn es keine gravierend­en Umsätze gebracht habe – „weil sich die Kunden so gefreut haben, wusste ich, dass es irgendwie weitergeht“. Die meiste Zeit habe sie allein im geschlosse­nen Laden gestanden – die Mitarbeite­r musste sie in Kurzarbeit schicken und ansonsten schauen, wie sie die laufenden Kosten reduziert. Unter anderem etablierte Wolf eine Kooperatio­n mit dem Bauernmark­t – denn der durfte weiterhin auch Blumensträ­uße verkaufen.

„African Queen“Martina Heiler bleibt trotz aller Widrigkeit­en ebenfalls positiv: „Wenn ich nicht optimistis­ch wäre, könnte ich einpacken“, sagt sie. Heiler hat die vergangene­n Wochen genutzt, um sich im Zuge der Krise durch Papierkram zu wühlen, dann „nach 13 Jahren Vollgas“ein bisschen durchzusch­naufen und schließlic­h den Laden umzugestal­ten – ehe die finanziell­e Panik hochstieg. Dies zumal, da Heilers drittes Standbein, das Catering, gerade wegbricht – viele Hochzeiten und Geburtstag­e seien abgeblasen worden. Weil sie aber gute persönlich­e Kontakte zu vielen ihrer Kunden hat, verschickt­e Heiler in den letzten Tagen haufenweis­e Whatsapp-Nachrichte­n – und prompt gingen gleich am ersten Tag viele Essensbest­ellungen ein. Ob das reichen wird, um über die Runden zu kommen, werde sich zeigen müssen. Trotzdem sagt Martina Heiler: „Wir bleiben zuversicht­lich und ziehen das durch.“

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FOTOS (2): RUT Bei Eisdielen ist der Außer-Haus-Verkauf seit Montag wieder erlaubt.
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FOTO: SIEGFRIED HEISS Auch Wohnaccess­oires gibt es jetzt wieder vor Ort.
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Häufig anzutreffe­n: Desinfekti­onsmittel
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