Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Richtig viel los ist noch nicht
Auch in Ravensburg dürfen Geschäfte unter 800 Quadratmetern wieder öffnen
RAVENSBURG - Nachdem sie nun wegen Corona fünf Wochen lang geschlossen waren, dürfen Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche nun wieder öffnen. Auch in Ravensburg. Obschon der Verkehr am Montagvormittag etwas zugelegt hat, war in der Innenstadt noch nicht allzu viel los. Viele kleinere Ladeninhaber sind froh, dass sie ihre Geschäfte wieder öffnen können – aber auch gebeutelt von den Einbußen der vergangenen Wochen. Ein Stimmungsbericht.
Schilder mit der Bitte, Abstand zu halten, Klebestreifen am Boden, Desinfektionsmittel am Eingang, Hinweise, dass nur eine bestimmte Anzahl Menschen eingelassen wird: Die meisten Geschäfte bemühen sich, ihren Kunden so viel Sicherheit wie möglich vor dem unsichtbaren Virus zu bieten. Trotzdem liegt irgendwie eine gewisse Verunsicherung in der Luft: Was darf man nun – was nicht? Die wenigsten Menschen in der Stadt tragen Masken, auch nicht in den Geschäften. Noch nicht. „Ich habe welche bestellt, die sind noch nicht da“, sagt aber beispielsweise Jochen Fischinger vom gleichnamigen Spielwarengeschäft in der Kirchstraße. Er ist überrascht über den kleinen Ansturm, den es gleich in den ersten paar Stunden gab: „Viele sind dankbar, dass wir wieder offen haben“, so sein Eindruck.
Auch, als der Laden dicht war, hätten viele bei ihm stattdessen online bestellt: „Da ist eine große Solidarität spürbar“, freut sich Fischinger, auch wenn die entsprechenden Erlöse nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien. Er geht gar soweit, zu behaupten, Corona schaffe, was Greta Thunberg nicht gelungen sei – nämlich ein gesellschaftliches Umdenken in Sachen „höher, schneller, weiter“. Da es ihm das Ostergeschäft in weiten Teilen verhagelte, bleibt Fischinger optimistisch: Sein Unternehmen gäbe es fast 100 Jahre – da werde es nun wohl hoffentlich auch die Corona-Krise überleben.
Nicht so glücklich mit dem Neustart ist sein Nachbar Martin Riethmüller: Der Ravensbuch-Geschäftsführer ist enttäuscht über die verhaltene Kundenresonanz – vor Ort sei weit weniger los als in Buchhandlungen
anderer Städte. Was seiner Einschätzung nach auch daran liegen könne, dass man in der Ravensburger Altstadt gleich mit mehreren Baustellen zu kämpfen habe – der geschlossenen Marienplatz-Tiefgarage, dem aufgerissenen Gespinstmarkt und Corona. Daher plädiert Riethmüller unter anderem für mehr Kurzzeitparkplätze. Abgesehen davon glaubt er, entscheidend für das Überleben des Ravensburger Innenstadthandels werde sein, „wann die Großen – Reischmann, Bredl, Mediamarkt oder H&M – wieder aufmachen dürfen.“
Das sieht Fatima Khemici von Style and Sports in der Roßbachstraße ähnlich: Abgesehen von den Frequenzbringern, sei auch wichtig, dass die Cafés wieder öffnen dürfen. Sie hatte zwar direkt am Montagvormittag ein paar Kunden in ihrem Modegeschäft, doch einige warten derzeit offenbar ab, ehe sie sich Bademode oder eine schicke neue Bluse zulegen – schließlich könne man momentan weder baden noch ausgehen. Anja Lennartz ist schon froh, dass sie hier ein T-Shirt für ihre Tochter Romy findet, die aus vielen ihrer Klamotten rausgewachsen ist. Das Problem: Weil die großen Textiler noch geschlossen bleiben müssen, haben die beiden Mühe, etwas Frühlingshaft-Passendes für Romy zu finden. Khemici wiederum steht momentan ohne ihre Mitarbeiter im Laden, um Kosten zu sparen – und ist nach wie vor unsicher, ob und wie es weitergehen wird. In schlaflosen Nächten wälzt sie einen Plan B – schließlich „muss ich mit meiner Tochter ja irgendwie durchkommen“.
Ein paar Häuser weiter bemüht sich derweil John Cescato des Caffé e Gelato um Optimismus: Auch wenn er nicht weiß, ob er den nächsten Monat finanziell noch durchhalten kann – wenigstens könne er mal wieder hinter der Eistheke stehen. Das sei ein Anfang, wirke positiv auf die Psyche und gebe Hoffnung.
Auch Monika Bülow am Gespinstmarkt, bis zu deren Legal-Mode man sich ziemlich eng zwischen Bauzaun und anderen Passanten vorbeischlängeln muss, sagt: „Es tut gut, wenigstens wieder ein bisschen was zu tun zu haben.“Während ihr Fashion-Laden
geschlossen war, fuhr sie mit dem Fahrrad für Stammkunden Ware aus und hat, wie viele andere Ravensburger Geschäfte, fleißig Werbung über den Onlinedienst Instagram gemacht. Dass ihr Vermieter sich kulant gezeigt und ihr zwei Monatsmieten erlassen habe, half ihr zudem über die harte Zeit hinweg. Nun werde sich zeigen, wie es weitergeht – insbesondere auch, weil auf dem Gespinstmarkt die nächsten zwei Jahre gebuddelt wird.
Obwohl mit Living auch eines seiner drei Geschäfte für Wohnaccessoires und Mode am Gespinstmarkt liegt, bleibt Lars Koller guter Dinge: Der Inhaber von Living, Epuro und Market-Home in der Marktstraße ist keiner, der jammert. Er sagt: „Ich bin grundsätzlich positiv gestimmt, auch wenn es kein leichtes Ding war, die Läden über vier Wochen lang dichtzumachen.“Immerhin: Seine Vermieter hätten ihn mit Nachlässen unterstützt. Und auch während dieser Durststrecke hätten Kunden bei ihm über die aufs Schaufenster gemalte Telefonnummer Bestellungen aufgegeben – wenn auch „natürlich in begrenztem Maß“. Direkt am Montagvormittag kamen dann gleich einige Stammkunden. Wobei Koller wie etliche Kollegen findet, von Ansturm könne keine Rede sein: Die Kunden
ANZEIGE kämen noch verhalten und müssten sich wohl erst einmal rantasten. Ob und wie es künftig weitergehe, lasse sich nur schwer einschätzen. Schwierig werde es auf jeden Fall, solange die Grenzen zu bleiben, denn: „Wir haben viele gute Kunden aus Österreich“, so Koller. Auch Touristen spielten eine Rolle fürs Geschäft.
Ähnlich angetan äußert sich Barbara Wolf vom Tafelblatt in der Oberen Breite über den Liefer- und Abholservice, den sie während der letzten Zeit auf die Beine gestellt hat: Auch wenn es keine gravierenden Umsätze gebracht habe – „weil sich die Kunden so gefreut haben, wusste ich, dass es irgendwie weitergeht“. Die meiste Zeit habe sie allein im geschlossenen Laden gestanden – die Mitarbeiter musste sie in Kurzarbeit schicken und ansonsten schauen, wie sie die laufenden Kosten reduziert. Unter anderem etablierte Wolf eine Kooperation mit dem Bauernmarkt – denn der durfte weiterhin auch Blumensträuße verkaufen.
„African Queen“Martina Heiler bleibt trotz aller Widrigkeiten ebenfalls positiv: „Wenn ich nicht optimistisch wäre, könnte ich einpacken“, sagt sie. Heiler hat die vergangenen Wochen genutzt, um sich im Zuge der Krise durch Papierkram zu wühlen, dann „nach 13 Jahren Vollgas“ein bisschen durchzuschnaufen und schließlich den Laden umzugestalten – ehe die finanzielle Panik hochstieg. Dies zumal, da Heilers drittes Standbein, das Catering, gerade wegbricht – viele Hochzeiten und Geburtstage seien abgeblasen worden. Weil sie aber gute persönliche Kontakte zu vielen ihrer Kunden hat, verschickte Heiler in den letzten Tagen haufenweise Whatsapp-Nachrichten – und prompt gingen gleich am ersten Tag viele Essensbestellungen ein. Ob das reichen wird, um über die Runden zu kommen, werde sich zeigen müssen. Trotzdem sagt Martina Heiler: „Wir bleiben zuversichtlich und ziehen das durch.“