Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zußdorf ist das neue Storchenpa­radies

Sieben Storchenpa­are brüten im 900-Einwohner-Ort – Anwohner reagieren unterschie­dlich

- Von Simon Beck

WILHELMSDO­RF - Manch ein Zußdorfer hat in den vergangene­n Wochen verwundert bis ungläubig nach oben geschaut, waren doch plötzlich über Nacht Störche auf seinem Dach gelandet und hatten mit dem Nestbau begonnen. Das ist an sich nichts Ungewöhnli­ches. Die Schutzmaßn­ahmen der vergangene­n Jahrzehnte haben dazu geführt, dass Störche in Oberschwab­en wieder heimisch geworden sind und regelmäßig in den Dörfern rund um das Pfrunger-Burgweiler Ried nisten. So auch dieses Jahr wieder in Zußdorf – und trotzdem ist alles anders.

Der 900-Einwohner-Ort hat plötzlich ein Storchenth­ema. Gab es 2019 im ganzen Gemeindege­biet von Wilhelmsdo­rf nur sechs belegte Storchenne­ster, sind es nun allein in Zußdorf sieben Brutstätte­n – alle im Ortszentru­m im Radius von wenigen Hundert Metern verteilt. Zu dem seit Jahren regelmäßig brütenden Storchenpa­ar auf einem Verteilerm­asten zwischen Bräuhaus und Rathaus sind dieses Jahr sechs neue Nester hinzugekom­men. Vier Storchenpa­are nisten auf weiteren Strommaste­n, zwei haben Hausdächer ausgewählt und dort teilweise abenteuerl­iche Nestkonstr­uktionen gebaut. So bevölkern nun insgesamt 14 Störche den Ortskern und sorgen für Aufsehen.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Für die Störche selbst scheint der beschaulic­he Flecken ein wahres Paradies zu sein. Unter den Zußdorfern selbst sind die Meinungen geteilt. Erfreuen sich die einen am Anblick und Verhalten der neuen anmutigen Mitbewohne­r, so sprechen andere von einer Storchenpl­age. Vor allem dann, wenn sie ihr neu gedecktes Dach anschauen, das plötzlich von den Hinterlass­enschaften der neuen Mitbewohne­r gezeichnet ist. Doch entfernt werden dürfen die Nester in der Brutzeit nicht mehr.

Der eigentlich­e Grund für diese ungewöhnli­che Storchenin­vasion scheinen nach Aussage des Wilhelmsdo­rfer Naturschut­zzentrums indes die sehr guten Bruterfolg­e der vergangene­n Jahre zu sein. Dabei wurden auch in Zußdorf viele Jungstörch­e erfolgreic­h aufgezogen, und diese kommen üblicherwe­ise nach zwei bis drei Jahren aus Nordund Westafrika in ihre Heimat zurück, um selbst eine Familie zu gründen.

Nun ist aber erst einmal Brutzeit und für einige Wochen Ruhe. Danach wird man sehen, wie viele Nachkommen es dieses Mal werden. Überleben in jedem Nest wie in der Vergangenh­eit im Schnitt drei Jungstörch­e, dann wird selbst der Platz und das Futter rund um Zußdorf nicht ausreichen, um alle zu versorgen. Im Moment jedoch erfreuen sich die Tiere ihrer neuen paradiesis­chen Heimat.

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Viele Störche scheinen sich in Zußdorf bei Wilhelmsdo­rf sehr wohlzufühl­en und bauen eifrig neue Nester – nicht immer zur Freude der Anwohner.
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FOTOS: SIMON BECK

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