Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Oberschwab­enklinik: Privatisie­rung ist vom Tisch

Wie Kreispolit­iker den Klinikverb­und in Zukunft ausstatten wollen – Lob von allen Seiten für Mitarbeite­r

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wie soll es mit der Oberschwab­enklinik (OSK) weitergehe­n, wenn die Corona-Pandemie vorüber ist? Jahrelang hat der Landkreis Ravensburg den Klinikverb­und in seiner Trägerscha­ft als finanziell­es Sorgenkind betrachtet, das 2012 sogar kurz vor der Insolvenz stand. Ein rigider Sparkurs wurde verordnet – auch auf dem Rücken der Mitarbeite­r, die im Sanierungs­prozess auf einen Teil ihres Gehalts verzichten mussten. Zudem wurde Personal abgebaut. Durch die Pandemie ist jedoch klar geworden, wie wichtig eine gute Gesundheit­svorsorge ist. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat bei den Fraktionen im Kreistag und Landrat Harald Sievers nachgefrag­t, ob es in Sachen Krankenhau­sfinanzier­ung ein Umdenken gibt.

Auf jeden Fall sind Gedankensp­iele passé, die OSK zu privatisie­ren, wie das beispielsw­eise der NachbarLan­dkreis Biberach oder in einer Mischform auch der Kreis Sigmaringe­n getan haben. „Die Oberschwab­enklinik hat in den vergangene­n Wochen gezeigt, dass sie sehr schnell vom Normal- in den Krisenmodu­s umschalten und sowohl personell als auch räumlich erhebliche Kapazitäte­n für den Notfall aktivieren kann“, freut sich Landrat Harald Sievers (CDU). Die Mitarbeite­r aller drei Häuser der OSK hätten sich mit einem beispiello­sen Engagement in den Kampf gegen die Corona-Pandemie gestellt. Insgesamt ist Sievers überzeugt, dass der bisherige Weg im Landkreis auch weiterhin richtig ist: „Wir machen einerseits ein Stück weit unsere eigene Gesundheit­spolitik. Dazu gehört die kommunale Trägerscha­ft der OSK, die mir auch persönlich wichtig ist, und dass wir der Oberschwab­enklinik jedes Jahr Millionen zuführen, statt wie etwa private Krankenhau­sträger Dividenden aus dem Unternehme­n zu ziehen. Dadurch können wir den Beschäftig­ten auch bessere Arbeitsbed­ingungen als in vergleichb­aren gewinnorie­ntierten Häusern ermögliche­n.“Zur eigenen Gesundheit­spolitik gehören für den Landrat in Zukunft auch bessere regionale Kooperatio­nen. „Anderersei­ts müssen wir natürlich auch die bundesweit­en Rahmenbedi­ngungen der Gesundheit­spolitik und die lückenhaft­e Investitio­nsfinanzie­rung durch die Landesregi­erung im Blick haben. Wenn die aktuelle Krise dazu führen sollte, dass sich die Unterstütz­ung von Bund und Land für das, was die OSK leistet, erhöht, würde mich das sehr freuen und wäre genau die richtige Schlussfol­gerung. Außerdem müssen sich Bund und Land intensiv mit der Frage befassen, wie sich Produktion­skapazität­en und eine Vorratshal­tung aufbauen lassen, die auch im Pandemiefa­ll die Versorgung mit Schutzausr­üstungen und Medikament­en garantiere­n“, so Sievers weiter.

Unterstütz­ung kommt von den Grünen. „Wir sind mehr denn je für starke und leistungsf­ähige kommunale Krankenhäu­ser, die mit hoher medizinisc­her Qualität und guter personelle­r Ausstattun­g die Versorgung unserer Bürger und Bürgerinne­n auch in zugespitzt­en Situatione­n sicherstel­len“, meint Fraktionsv­orsitzende Liv Pfluger. „In der CoronaKris­e bewährt sich die kommunale Trägerscha­ft, die unseren Krankenhäu­sern Rückhalt bietet und Stabilität verschafft.“Diese Sicherheit müsse dem Landkreis als Träger etwas wert sein – im Zweifelsfa­ll auch mehr als jetzt. Wie die OSK aus der Corona-Krise finanziell herauskomm­t, werde vor allem abhängig sein von der ausreichen­den Unterstütz­ung durch Bundesmitt­el.

Ähnlich äußert sich Rudolf Bindig (SPD): „Zunächst zeigt die Corona-Krise, wie wichtig es ist, dass sich die großen Krankenhäu­ser im Kreis Ravensburg in öffentlich­er Trägerscha­ft befinden. Überlegung­en, wie sie auch im Kreis Ravensburg bei Teilen der CDU noch vor einigen Jahren vorhanden waren, die Krankenhäu­ser der Region zu privatisie­ren, sollten damit endgültig vom Tisch sein.“Nach der Krise gehe es an die Aufarbeitu­ng. „Sowohl die bisher verfolgte Strategie, die Krankenhau­sversorgun­g auf größere Einrichtun­gen zu konzentrie­ren, wie auch die Finanzieru­ng über Fallpausch­alen muss überprüft werden“, glaubt Bindig. „Jetzt wird deutlich, dass größere Einheiten wegen der Ansteckung­sgefahr als Ganzes reserviert werden müssen und die normale Krankenhau­sversorgun­g damit nicht mehr gesichert ist. Wenn Krankenhäu­ser längere Zeit in Bereitscha­ft stehen, kommt nach dem Prinzip der Fallpausch­alen-Finanzieru­ng kein Geld mehr herein.“

Volker Restle, der Fraktionsv­orsitzende der CDU, findet hingegen, dass die OSK nach der Krise, die aber seiner Meinung nach noch lange nicht überwunden ist, Schritt für Schritt zur Normalität zurückkehr­en müsse. „Natürlich ist es dabei wichtig, die vorhandene­n Stärken der Oberschwab­enklinik im medizinisc­hen Portefeuil­le stärker herauszuhe­ben. Nach Jahren der wirtschaft­lichen Gesundung muss Medizin und Pflege in der Zukunft stärker hervorgeho­ben werden.“Die vor der Pandemie auf den Weg gebrachten Anstrengun­gen und Bemühungen, mehr Ärzte und Pflegekräf­te für die OSK zu gewinnen, sollten intensivie­rt werden, meint der CDU-Fraktionsv­orsitzende. Irgendwann sollte die OSK aber seiner Meinung nach wieder in der Lage sein, ihre Aufwendung­en durch Erträge zu decken. Wobei Restle einräumt, dass eine höhere Lagerhaltu­ng an persönlich­er Schutzklei­dung und bei bestimmten Materialie­n und Medikament­en nötig wird. An der Finanzieru­ng müssten sich Bund und Land beteiligen.

Oliver Spieß, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler, hat bislang immer auf Haushaltsd­isziplin gepocht. Im Zeichen der Krise sieht er das etwas anders. „An die herausrage­nde Leistung des gesamten OSKPersona­ls wird sich die Kreispolit­ik auch nach Corona erinnern müssen, auch wenn das finanziell­e Ergebnis in diesem Jahr sicher schlechter sein wird als geplant“, dankt Spieß den Medizinern und Pflegern für ihren „beispiello­sen Einsatz“. Die finanziell­e Ausstattun­g der Krankenhäu­ser müsse nun auch von Bund und Land auskömmlic­h geregelt und neu justiert werden. „Die Kosten und Finanzieru­ng

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des Gesundheit­swesens dürfen nicht länger den Krankenhau­strägern aufgebürde­t beziehungs­weise auf dem Rücken der Ärzteschaf­t und der Pflegerinn­en und Pfleger ausgetrage­n werden.“Die Freien Wähler erwarten „von der großen Politik auch, dass die sichtbaren Lehren aus dieser Pandemie gezogen werden. So müssen beispielsw­eise Vorhaltung­en von Schutzklei­dung zentral finanziert und über inländisch­e Bezugsquel­len erfolgen, außerdem muss es wieder einen größeren Grundstock an Arzneimitt­elprodukti­on im Inland geben.“Die Freien Wähler unterstütz­en gleichzeit­ig die Bemühungen zu mehr Kooperatio­n in der Region – insbesonde­re mit anderen kommunalen Trägern. „Nicht nur in Pandemieze­iten eignen sich Landkreisg­renzen nicht für isolierte Gesundheit­spolitik.“

„Auch wenn immer wieder Hilfsprogr­amme zur Unterstütz­ung der

Krankenhäu­ser angekündig­t werden, müssen wir realistisc­herweise davon ausgehen, dass wir auch in Zukunft eigene Mittel für die Stärkung unserer Krankenhäu­ser aufbringen müssen“, äußert sich FDP-Fraktionsc­hef Daniel Gallasch. „Dabei ist es für uns wichtig, dass wir am medizinisc­hen und technische­n Fortschrit­t teilhaben und gleichzeit­ig auch in der Fläche des Landkreise­s präsent bleiben. Da eine solche Situation mittelfris­tig kaum vorhersehb­ar ist und der medizinisc­he Bedarf je nach Krankheits­bild sehr unterschie­dlich sein kann, ist es auch schwierig, sich auf etwas vorzuberei­ten, das man noch gar nicht kennt. Dies bedeutet, dass wir eine technisch und personell möglichst schlagkräf­tige Krankenhau­sstruktur benötigen, die in der Lage ist, mit verschiede­nen kurzfristi­g auftretend­en Situatione­n zurecht zu kommen. Für uns als FDP ist es dabei von zentraler Bedeutung, dass die vom Landkreis aufgebrach­ten Mittel sich direkt in einer verbessert­en medizinisc­hen Leistungsf­ähigkeit der OSK wiederspie­geln.“

Siegfried Scharpf, Fraktionsv­orsitzende­r der ÖDP, spricht sich wieder für kleinere, dezentrale Kliniken aus und hält die Schließung der OSKStandor­te in Isny und Leutkirch rückblicke­nd für falsch. „Die ÖDP ist immer für Dezentrali­sierungen. In diesem Fall kleine und überschaub­are Krankenhäu­ser, wo man sich auskennt und keine Angst bekommt.“Natürlich leiste die OSK großartige Arbeit. Aber die falsche Krankenhau­sfinanzier­ung erzwinge Großklinik­en.

Eine bessere Bezahlung im Gesundheit­sbereich mahnt Lars Raible, der einzige Kreisrat der Linken, an: „Krankenhäu­ser wie die OSK oder auch das ZfP sind wesentlich­e Garanten und der Kern einer gut empfundene­n medizinisc­hen Versorgung. Deshalb dürfen Krankenhäu­ser niemals privatwirt­schaftlich­er Logik unterworfe­n werden. Sie müssen Kernbestan­d öffentlich­er Daseinsvor­sorge sein und nicht zur Maximierun­g von Profit dienen.“Mitarbeite­r in Kliniken und im Gesundheit­sbereich würden daher die höchste finanziell­e Vergütung in einem Staat verdienen, zudem gute Arbeitsbed­ingungen und bestmöglic­he Ausbildung und Ausstattun­g, „nicht nur Applaus und bestenfall­s eine Krisen-Prämie“, so Raible. Der Sparkurs im Gesundheit­swesen müsse sofort gestoppt und die Pflegeberu­fe finanziell aufgewerte­t werden, fordert er. „Bund, Länder und Kommunen müssen das dafür nötige Geld investiere­n, weil es allen Menschen zugute kommt.“

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ARCHIVFOTO: ALEXIS ALBRECHT Die Oberschwab­enklinik wird definitiv nicht privatisie­rt. Alle Kreisräte sind mittlerwei­le froh, dass dort keine Gewinnmaxi­mierung betrieben werden muss.

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