Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gemeinden rechnen mit Gewerbesteuereinbrüchen
Die Corona-Krise bringt manche Projekte in den Kommunen ins Wanken
KREIS RAVENSBURG - Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen auch Oberschwaben hart. Angestellte sind in Kurzarbeit, mancherorts droht die Arbeitslosigkeit, die
Produktion steht still oder ist heruntergefahren, die Gasthäuser haben zu und der Einzelhandel war bis Montag geschlossen. Das wird negative Auswirkungen auf die Haushalte der Kommunen haben, die jetzt beginnen, das ein oder andere avisierte Projekt infrage zu stellen. Wie dramatisch es letztlich sein wird, lässt sich noch nicht genau beziffern, doch es wird die Gemeinden vor große Herausforderungen stellen, was ein Blick in den Landkreis Ravensburg zeigt.
In Ravensburg hat Oberbürgermeister Daniel Rapp bereits eine Haushaltssperre wegen der Pandemie verhängt. Auch Weingartens OB Markus Ewald hat das getan. Und auf den Landgemeinden nehmen die Bürgermeister und Kämmerer derzeit jeden Haushalt unter die Lupe. Denn auch in den kleinen Gemeinden, wo teilweise große Unternehmen sitzen, drohen Einbrüche bei der Gewerbe- und auch bei der Einkommenssteuer, von denen die Kommunen leben.
„Wir gehen von erheblichen Einbrüchen aus. Deshalb gehen wir jetzt jeden einzelnen Posten im Haushalt durch und überlegen, was man sich in diesem Jahr sparen kann oder welches Projekt man schieben kann“, sagt Vogts Bürgermeister Peter Smigoc. Wie hoch die konkreten Einbrüche sind, lasse sich noch nicht genau beziffern, „aber man weiß, dass die Betriebe Schwierigkeiten haben“. In Vogt stehen in diesem Jahr zwei größere Projekte an: Da ist einerseits der Kindergartenneubau und die Verlagerung von Bau- und Wertstoffhof. Der Bürgermeister sagt aber ganz klar: „Ich will nicht alle Projekte canceln, denn mit diesen Projekten gehen auch wieder Aufträge an die Firmen raus, die diese Aufträge dringend brauchen.“Damit beschreibt er ein Dilemma, in dem jetzt alle Gemeinden stecken und was deutlich zeigt, wie sehr Wirtschaft und Kommunen aufeinander angewiesen sind.
Wie Vogt geht es den meisten Gemeinden. Vor allem Projekte wie die Sanierung kommunaler Straßen werden es in diesem Jahr wohl schwer haben und kommen auf den Prüfstand. Denn das sind Projekte, die relativ einfach geschoben werden können, wenn nicht gerade dramatische Zustände herrschen und die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Aber was soll eine Kommune anderes tun, wenn die Rücklagen aufgebraucht sind, oder nicht genug Spielraum zulassen und die Einnahmen weniger zu werden drohen?
Dass die Einnahmen sinken werden, lässt eine Tendenz befürchten, die man in Baindt festgestellt hat. „Wir verspüren eine Unsicherheit bei den Betrieben, was man an den Gewerbesteuervorauszahlungen sehen kann“, berichtet die dortige Bürgermeisterin Simone Rürup. Sie erzählt von Anfragen, die die Gewerbesteuervorauszahlungen auf null setzen wollen. „Ich möchte unseren Betrieben ein großes Entgegenkommen zeigen, weil ich die Schwierigkeiten sehe. Aber wir können auch nicht alles erlassen, weil uns sonst die Mittel fehlen, um unseren Aufgaben nachzukommen“, sagt Rürup. Haushaltstechnisch ist Baindt gut aufgestellt und „immer auf Sicht gefahren“, wie es die Bürgermeisterin ausdrückt.
Ein wenig anders sieht es ein paar Kilometer weiter in Bergatreute aus. Die Gemeinde ist relativ finanzschwach, hat noch nie viel Gewerbesteuern gehabt und ist auf die Schlüsselzuweisungen vom Land angewiesen. Doch auch diese Zahlungen des Landes dürften bei der allgemeinen Wirtschaftslage sinken, was wiederum finanzschwache Gemeinden wie Bergatreute oder Wilhelmsdorf treffen wird. „Wir werden uns die Investitionen noch einmal genau anschauen müssen“, sagt Bergatreutes Bürgermeister Helmfried Schäfer. „Allerdings haben wir große Investitionen, die wir nicht stoppen können, weil wir als Gemeinden ja auch Pflichtaufgaben haben“, sagt er. Da ist einerseits der Kreisverkehr, der gerade gebaut wird und schon halb fertig ist, andererseits der Neubau eines Kindergartens, den er nicht verschieben könne. „Denn wir haben schon seit Längerem Bedarf und der wird nicht kleiner werden“, so Schäfer.
Gerade das Thema Kindergartengebühren haben den Gemeinden Bauchschmerzen bereitet. Manche Kommunen haben schon zu Beginn der Krise angekündigt auf die Gebühren im März und/oder April vorerst zu verzichten. Nach einer Empfehlung von Städten, Gemeinden und Land haben sich schließlich die Kommunen im Landkreis Ravensburg am 24. März auf eine einheitliche Linie geeinigt und beschlossen, die Kindergartengebühren auszusetzen. Allerdings bedeutet das für die Gemeinden, die neben den Kirchen Träger sind, einen Wegfall von Einnahmen. Die laufenden Kosten bleiben aber bestehen. Das wiederum ist Geld, das woanders fehlt.
Das baden-württembergische Staatsministerium hatte Ende März aber bekannt gegeben, dass sich das Land an den Kosten beteiligt, wenn Kommunen im März und April aufgrund der Corona-Pandemie auf Elternbeiträge und Gebühren für geschlossene Kindertagesstätten, Kindergärten, Horte und andere Betreuungseinrichtungen verzichten. Auch die Beiträge bei freien Trägern sollen bis zur Höhe des kommunalen Satzes erstattet werden, heißt es in einem Schreiben des Landes. Die badenwürttembergische Regierung hatte 100 Millionen Euro Soforthilfe für Städte und Gemeinde im April angekündigt. Egal ob mit oder ohne Hilfe vom Land. Die Krise wird sich in den Haushalten in diesem Jahr niederschlagen – und auch noch in denen der kommenden Jahre.