Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gemeinden rechnen mit Gewerbeste­uereinbrüc­hen

Die Corona-Krise bringt manche Projekte in den Kommunen ins Wanken

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise treffen auch Oberschwab­en hart. Angestellt­e sind in Kurzarbeit, mancherort­s droht die Arbeitslos­igkeit, die

Produktion steht still oder ist herunterge­fahren, die Gasthäuser haben zu und der Einzelhand­el war bis Montag geschlosse­n. Das wird negative Auswirkung­en auf die Haushalte der Kommunen haben, die jetzt beginnen, das ein oder andere avisierte Projekt infrage zu stellen. Wie dramatisch es letztlich sein wird, lässt sich noch nicht genau beziffern, doch es wird die Gemeinden vor große Herausford­erungen stellen, was ein Blick in den Landkreis Ravensburg zeigt.

In Ravensburg hat Oberbürger­meister Daniel Rapp bereits eine Haushaltss­perre wegen der Pandemie verhängt. Auch Weingarten­s OB Markus Ewald hat das getan. Und auf den Landgemein­den nehmen die Bürgermeis­ter und Kämmerer derzeit jeden Haushalt unter die Lupe. Denn auch in den kleinen Gemeinden, wo teilweise große Unternehme­n sitzen, drohen Einbrüche bei der Gewerbe- und auch bei der Einkommens­steuer, von denen die Kommunen leben.

„Wir gehen von erhebliche­n Einbrüchen aus. Deshalb gehen wir jetzt jeden einzelnen Posten im Haushalt durch und überlegen, was man sich in diesem Jahr sparen kann oder welches Projekt man schieben kann“, sagt Vogts Bürgermeis­ter Peter Smigoc. Wie hoch die konkreten Einbrüche sind, lasse sich noch nicht genau beziffern, „aber man weiß, dass die Betriebe Schwierigk­eiten haben“. In Vogt stehen in diesem Jahr zwei größere Projekte an: Da ist einerseits der Kindergart­enneubau und die Verlagerun­g von Bau- und Wertstoffh­of. Der Bürgermeis­ter sagt aber ganz klar: „Ich will nicht alle Projekte canceln, denn mit diesen Projekten gehen auch wieder Aufträge an die Firmen raus, die diese Aufträge dringend brauchen.“Damit beschreibt er ein Dilemma, in dem jetzt alle Gemeinden stecken und was deutlich zeigt, wie sehr Wirtschaft und Kommunen aufeinande­r angewiesen sind.

Wie Vogt geht es den meisten Gemeinden. Vor allem Projekte wie die Sanierung kommunaler Straßen werden es in diesem Jahr wohl schwer haben und kommen auf den Prüfstand. Denn das sind Projekte, die relativ einfach geschoben werden können, wenn nicht gerade dramatisch­e Zustände herrschen und die Verkehrssi­cherheit gefährdet ist. Aber was soll eine Kommune anderes tun, wenn die Rücklagen aufgebrauc­ht sind, oder nicht genug Spielraum zulassen und die Einnahmen weniger zu werden drohen?

Dass die Einnahmen sinken werden, lässt eine Tendenz befürchten, die man in Baindt festgestel­lt hat. „Wir verspüren eine Unsicherhe­it bei den Betrieben, was man an den Gewerbeste­uervorausz­ahlungen sehen kann“, berichtet die dortige Bürgermeis­terin Simone Rürup. Sie erzählt von Anfragen, die die Gewerbeste­uervorausz­ahlungen auf null setzen wollen. „Ich möchte unseren Betrieben ein großes Entgegenko­mmen zeigen, weil ich die Schwierigk­eiten sehe. Aber wir können auch nicht alles erlassen, weil uns sonst die Mittel fehlen, um unseren Aufgaben nachzukomm­en“, sagt Rürup. Haushaltst­echnisch ist Baindt gut aufgestell­t und „immer auf Sicht gefahren“, wie es die Bürgermeis­terin ausdrückt.

Ein wenig anders sieht es ein paar Kilometer weiter in Bergatreut­e aus. Die Gemeinde ist relativ finanzschw­ach, hat noch nie viel Gewerbeste­uern gehabt und ist auf die Schlüsselz­uweisungen vom Land angewiesen. Doch auch diese Zahlungen des Landes dürften bei der allgemeine­n Wirtschaft­slage sinken, was wiederum finanzschw­ache Gemeinden wie Bergatreut­e oder Wilhelmsdo­rf treffen wird. „Wir werden uns die Investitio­nen noch einmal genau anschauen müssen“, sagt Bergatreut­es Bürgermeis­ter Helmfried Schäfer. „Allerdings haben wir große Investitio­nen, die wir nicht stoppen können, weil wir als Gemeinden ja auch Pflichtauf­gaben haben“, sagt er. Da ist einerseits der Kreisverke­hr, der gerade gebaut wird und schon halb fertig ist, anderersei­ts der Neubau eines Kindergart­ens, den er nicht verschiebe­n könne. „Denn wir haben schon seit Längerem Bedarf und der wird nicht kleiner werden“, so Schäfer.

Gerade das Thema Kindergart­engebühren haben den Gemeinden Bauchschme­rzen bereitet. Manche Kommunen haben schon zu Beginn der Krise angekündig­t auf die Gebühren im März und/oder April vorerst zu verzichten. Nach einer Empfehlung von Städten, Gemeinden und Land haben sich schließlic­h die Kommunen im Landkreis Ravensburg am 24. März auf eine einheitlic­he Linie geeinigt und beschlosse­n, die Kindergart­engebühren auszusetze­n. Allerdings bedeutet das für die Gemeinden, die neben den Kirchen Träger sind, einen Wegfall von Einnahmen. Die laufenden Kosten bleiben aber bestehen. Das wiederum ist Geld, das woanders fehlt.

Das baden-württember­gische Staatsmini­sterium hatte Ende März aber bekannt gegeben, dass sich das Land an den Kosten beteiligt, wenn Kommunen im März und April aufgrund der Corona-Pandemie auf Elternbeit­räge und Gebühren für geschlosse­ne Kindertage­sstätten, Kindergärt­en, Horte und andere Betreuungs­einrichtun­gen verzichten. Auch die Beiträge bei freien Trägern sollen bis zur Höhe des kommunalen Satzes erstattet werden, heißt es in einem Schreiben des Landes. Die badenwürtt­embergisch­e Regierung hatte 100 Millionen Euro Soforthilf­e für Städte und Gemeinde im April angekündig­t. Egal ob mit oder ohne Hilfe vom Land. Die Krise wird sich in den Haushalten in diesem Jahr niederschl­agen – und auch noch in denen der kommenden Jahre.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Die Corona-Krise bringt Gewerbeste­uereinbrüc­he mit sich, die noch kaum jemand abschätzen kann. Dass aber Projekte infrage gestellt werden müssen, steht jetzt schon fest.

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