Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lob und Kritik für Weingartener Abiturienten
Die Reaktionen im Netz auf die Forderung, die Abi-Prüfungen abzusagen, fallen heftig und kontrovers aus
WEINGARTEN - Der Vorstoß einiger Weingartener Schüler, sich öffentlich für die Absage der Abiturprüfungen einzusetzen, sorgt im Netz für reichlich Wirbel. So wurde das Thema auf „Schwaebische.de“und in den Sozialen Medien intensiv diskutiert. Während ein Großteil der User, die sich äußern, nur wenig Verständnis für den Vorschlag hat, gibt es auch einige, die sich differenziert äußern und sich inhaltlich mit den Argumenten auseinandersetzen.
Die beiden Abiturienten Priska Zimmermann und Julian Zedler setzen sich für das sogenannte Durchschnittsabitur ein, bei dem es keine
Abiprüfungen gäbe und sich die Note aus den bisherigen Halbjahren ergibt. Dafür haben sie mehrere ausführliche Videos gemacht, in denen sie ein Für und Wider einer Absage erörtern. Gerade das Durchschnittsabitur wird von einigen Usern durchaus als gute Lösung empfunden, da es auch in anderen Ländern praktiziert werde.
Allgemeine Zustimmung gibt es von Melanie W.: „Ich finde es gut, dass sich die älteren SchülerInnen wehren. Sie haben eine gewisse Macht, die systemeingebundene Erwachsene nicht mehr haben: Stellt euch vor, es ist Abi und keiner geht hin.“Melanie G. unterstreicht, dass die Bedingungen in diesem Jahr schwieriger sind als in den vorangegangenen Jahren: „Das Wiederholen und Intensivieren passiert üblicherweise mit Unterstützung der Lehrer, was aktuell nicht möglich ist. Selbstständig hat das noch kein Jahrgang vorher gemacht. Also bitte keine Vorwürfe an die Schüler.“
Derweil moniert Sandra M., dass es nicht nur um die Abiprüfungen gehe. Ihre Tochter mache gerade ihren Realschulabschluss. „Alle Klassen sind betroffen. Und leider ist eine vernünftige Lösung nicht in Sicht.“
Sehr deutlich wird Rene E., der wenig Verständnis für die Schüler aufbringt: „Wenn man von dieser Situation schon überfordert ist, besitzt man noch nicht die geistige Reife für das Abitur ... Wenn Absage, dann Wiederholung des Schuljahres ansetzen.“Das sieht auch Bastian A. ähnlich. Er schreibt: „Ja gut. Dann eben absagen und nächsten Sommer wiederholen. Aber ein Abi für Lau darf es nicht geben – es ist ohnehin schon viel zu einfach geworden.“
Wie kurzsichtig das gedacht ist, erklärt Wolfgang H. an anderer Stelle, erntet viel Zuspruch und stößt dadurch eine durchaus differenzierte Diskussion an: „Nehmen wir mal an, es würden bundesweit alle Abschlussprüfungen abgesagt. Dies würde bedeuten: ein Jahrgang ohne neue Studierende, ohne Auszubildende, die ein Handwerk erlernen und so weiter, und es würde bedeuten dass es nächstes Jahr doppelt so viele Bewerber auf Studienplätze und Ausbildungsplätze geben würde. Die Hälfte bekäme weder Studienplatz noch Ausbildungsplatz. Das sind nur zwei Punkte, die mir so nebenbei einfallen. Da käme sicher noch einiges dazu.“Einige Kommentare gehen aber auch unter die Gürtellinie, weswegen sie an dieser Stelle nicht erwähnt werden. Die Verfasser haben die sachliche Ebene verlassen und beleidigen die Schüler nur. Das hat in einer Debatte keinen Platz. Andere unterstellen Faulheit. Viel weiter geht die Argumentation aber nicht.
Ebenfalls kritisch, aber weitaus differenzierter ist da Alexa H., die schreibt: „Also die Wochen vor den Prüfungen war immer schon selbst organisiertes Studium. Entspannter als derzeit kann man sich gar nicht mehr vorbereiten. Die Inhalte sind klar, der Termin auch. Man muss nicht mehr in den Präsenzunterricht. Dass der nächstjährige Jahrgang Muffensausen hat, ist eher nachvollziehbar. Aber das derzeitige Geschrei nach Absage der Prüfungen ist Augenwischerei, vor allem wenn sie von den Curling-Eltern vorangetrieben wird.“
Derweil bringt Ulrike S. Verständnis auf, glaubt aber, dass die Situation nun eben akzeptiert werden muss – auch wenn der Vergleich drastisch ist: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unser Land unter anderem von Menschen aufgebaut, die ein ´Notabitur´ machten mussten, beziehungsweise die ihren Schulabschluss (welchen auch immer) unter weit widrigeren Umständen absolvierten. Ich habe Verständnis dafür, dass wir derzeit keine ideale Prüfungssituation haben, dennoch sind die Verhältnisse so, dass eine Prüfung durchgeführt werden kann. Das Leben ist nun mal so, dass nicht immer ideale Situationen gegeben sind.“