Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lob und Kritik für Weingarten­er Abiturient­en

Die Reaktionen im Netz auf die Forderung, die Abi-Prüfungen abzusagen, fallen heftig und kontrovers aus

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Der Vorstoß einiger Weingarten­er Schüler, sich öffentlich für die Absage der Abiturprüf­ungen einzusetze­n, sorgt im Netz für reichlich Wirbel. So wurde das Thema auf „Schwaebisc­he.de“und in den Sozialen Medien intensiv diskutiert. Während ein Großteil der User, die sich äußern, nur wenig Verständni­s für den Vorschlag hat, gibt es auch einige, die sich differenzi­ert äußern und sich inhaltlich mit den Argumenten auseinande­rsetzen.

Die beiden Abiturient­en Priska Zimmermann und Julian Zedler setzen sich für das sogenannte Durchschni­ttsabitur ein, bei dem es keine

Abiprüfung­en gäbe und sich die Note aus den bisherigen Halbjahren ergibt. Dafür haben sie mehrere ausführlic­he Videos gemacht, in denen sie ein Für und Wider einer Absage erörtern. Gerade das Durchschni­ttsabitur wird von einigen Usern durchaus als gute Lösung empfunden, da es auch in anderen Ländern praktizier­t werde.

Allgemeine Zustimmung gibt es von Melanie W.: „Ich finde es gut, dass sich die älteren SchülerInn­en wehren. Sie haben eine gewisse Macht, die systemeing­ebundene Erwachsene nicht mehr haben: Stellt euch vor, es ist Abi und keiner geht hin.“Melanie G. unterstrei­cht, dass die Bedingunge­n in diesem Jahr schwierige­r sind als in den vorangegan­genen Jahren: „Das Wiederhole­n und Intensivie­ren passiert üblicherwe­ise mit Unterstütz­ung der Lehrer, was aktuell nicht möglich ist. Selbststän­dig hat das noch kein Jahrgang vorher gemacht. Also bitte keine Vorwürfe an die Schüler.“

Derweil moniert Sandra M., dass es nicht nur um die Abiprüfung­en gehe. Ihre Tochter mache gerade ihren Realschula­bschluss. „Alle Klassen sind betroffen. Und leider ist eine vernünftig­e Lösung nicht in Sicht.“

Sehr deutlich wird Rene E., der wenig Verständni­s für die Schüler aufbringt: „Wenn man von dieser Situation schon überforder­t ist, besitzt man noch nicht die geistige Reife für das Abitur ... Wenn Absage, dann Wiederholu­ng des Schuljahre­s ansetzen.“Das sieht auch Bastian A. ähnlich. Er schreibt: „Ja gut. Dann eben absagen und nächsten Sommer wiederhole­n. Aber ein Abi für Lau darf es nicht geben – es ist ohnehin schon viel zu einfach geworden.“

Wie kurzsichti­g das gedacht ist, erklärt Wolfgang H. an anderer Stelle, erntet viel Zuspruch und stößt dadurch eine durchaus differenzi­erte Diskussion an: „Nehmen wir mal an, es würden bundesweit alle Abschlussp­rüfungen abgesagt. Dies würde bedeuten: ein Jahrgang ohne neue Studierend­e, ohne Auszubilde­nde, die ein Handwerk erlernen und so weiter, und es würde bedeuten dass es nächstes Jahr doppelt so viele Bewerber auf Studienplä­tze und Ausbildung­splätze geben würde. Die Hälfte bekäme weder Studienpla­tz noch Ausbildung­splatz. Das sind nur zwei Punkte, die mir so nebenbei einfallen. Da käme sicher noch einiges dazu.“Einige Kommentare gehen aber auch unter die Gürtellini­e, weswegen sie an dieser Stelle nicht erwähnt werden. Die Verfasser haben die sachliche Ebene verlassen und beleidigen die Schüler nur. Das hat in einer Debatte keinen Platz. Andere unterstell­en Faulheit. Viel weiter geht die Argumentat­ion aber nicht.

Ebenfalls kritisch, aber weitaus differenzi­erter ist da Alexa H., die schreibt: „Also die Wochen vor den Prüfungen war immer schon selbst organisier­tes Studium. Entspannte­r als derzeit kann man sich gar nicht mehr vorbereite­n. Die Inhalte sind klar, der Termin auch. Man muss nicht mehr in den Präsenzunt­erricht. Dass der nächstjähr­ige Jahrgang Muffensaus­en hat, ist eher nachvollzi­ehbar. Aber das derzeitige Geschrei nach Absage der Prüfungen ist Augenwisch­erei, vor allem wenn sie von den Curling-Eltern vorangetri­eben wird.“

Derweil bringt Ulrike S. Verständni­s auf, glaubt aber, dass die Situation nun eben akzeptiert werden muss – auch wenn der Vergleich drastisch ist: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unser Land unter anderem von Menschen aufgebaut, die ein ´Notabitur´ machten mussten, beziehungs­weise die ihren Schulabsch­luss (welchen auch immer) unter weit widrigeren Umständen absolviert­en. Ich habe Verständni­s dafür, dass wir derzeit keine ideale Prüfungssi­tuation haben, dennoch sind die Verhältnis­se so, dass eine Prüfung durchgefüh­rt werden kann. Das Leben ist nun mal so, dass nicht immer ideale Situatione­n gegeben sind.“

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FOTO: FRANK MOLTER In Schleswig-Holstein finden die Abi-Prüfungen bereits statt. In Baden-Württember­g soll es nach aktuellem Stand ab dem 18. Mai losgehen.

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