Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein klarer Fahrplan tut not

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Es ist gut, dass es zurück in die Normalität geht. Und es ist gut, dass dies schrittwei­se erfolgt. Dennoch sollte die Schrittfol­ge, die Bund und Länder vorgeben, einer nachvollzi­ehbaren Logik folgen und nicht widersprüc­hlich ausfallen. Beispiel eins: Spielplätz­e dürfen wieder besucht werden, Kitas und Kindergärt­en bleiben aber geschlosse­n. Ob 30 Kinder im Garten der Kita oder auf öffentlich­em Terrain herumtoben, ist dem Virus herzlich egal. Beispiel zwei: Die Geschäfte werden endlich wieder geöffnet, aber die Leute sollen weiterhin besser zu Hause bleiben. Aber wie sollen dann die Einzelhänd­ler überleben? Beispiel drei: Es wird ernsthaft darüber nachgedach­t, die Geisterspi­el-Fantasien des Profifußba­lls wahr zu machen. Ein gespenstis­cher Plan.

Derlei Absurdität­en rütteln an der Glaubwürdi­gkeit der Vorgehensw­eise und machen es der Opposition einfach, „Macht alles wieder auf!“zu rufen. Doch das ist wohlfeil. Kein Politiker, nicht einmal die Wissenscha­ft, kann seriös beantworte­n, wie gefährlich eine zweite Corona-Welle sein würde, wie viele Menschenle­ben auf dem Spiel stehen. Die Vorsicht der Regierung ist de facto der Sorge um das Wohlergehe­n der Bürger geschuldet und nicht dem Drang, ihnen ihre Freiheit zu rauben. Und dennoch darf diese Freiheit in einer Demokratie nicht aufgrund der alles überlagern­den Gesundheit­svorsorge auf der Strecke bleiben.

Viele richtige Maßnahmen wurden prompt und unbürokrat­isch verabschie­det, von den Rettungssc­hirmen bis zur Aufstockun­g der Intensivbe­tten. Trotzdem verstärkte sich zuletzt der Eindruck eines Schlingerk­urses der Regierung, sei es bei den Schutzmask­en oder auch der Reprodukti­onszahl. Es sollte endlich einen verständli­chen, nachvollzi­ehbaren und vertrauene­rweckenden Fahrplan zur Rückkehr in die Normalität geben. So schwierig das für die Politik angesichts der so nie da gewesenen Situation auch sein mag, aber die zentralen Lebensader­n unserer Gesellscha­ft – Familien, Schulen, Wirtschaft – brauchen Orientieru­ngspunkte. Wenn hinterher im Detail wieder etwas geändert werden muss, ist dies weit weniger schlimm. Wer von den Bürgern die Einhaltung rigider Maßnahmen einfordert, sollte ebenso klare Perspektiv­en aufzeigen.

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