Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wiedersehen im Klassenzimmer
Für Abschlussklassen startet am Montag im Südwesten die Schule – Was das bedeutet
STUTTGART - Am Montag beginnt der Praxistest in Baden-Württemberg: Kann ein Schulbetrieb in Zeiten der Corona-Pandemie funktionieren? Was bedeutet das für die Schüler, für die Lehrer und für die Eltern? Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Wer darf wieder zur Schule?
Für alle Schüler, die in diesem oder im kommenden Schuljahr Abschlussprüfungen haben, beginnt am Montag der Präsenzunterricht – auch an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, also den früheren Förderschulen. Insgesamt sind das etwa 330 000 der 1,5 Millionen Schüler. Es gibt nämlich Ausnahmen: Hauptschüler der Klassenstufe 8 müssen noch zu Hause bleiben. Auch an die beruflichen Schulen dürfen ausschließlich die Kinder zurückkehren, die in diesem Jahr ihren Abschluss haben.
Warum gelten für die beruflichen Schulen Sonderregeln?
Weil sie nicht genug Kapazitäten haben. „Unsere Schulen sind total ausgelastet“, sagt Thomas Speck, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands. Das liegt daran, dass die beruflichen Schulen sehr viele Bildungszweige haben, die sich auf wenige Jahrgänge konzentrieren. Speck schätzt, dass trotz der Beschränkung auf Abschlussklassen 50 bis 60 Prozent der Schüler am Montag zurückkehren werden.
Was wird unterrichtet?
Vor allem jene Fächer, in denen die Schüler Prüfungen ablegen werden. Für Gymnasiasten, die erst nächstes Jahr ihr Abi machen, gehört Deutsch und Mathematik auf jeden Fall dazu.
Und alle anderen Schüler?
Für sie geht der Fernunterricht weiDas ter. Bisher war es laut Schüler- und Elternvertreter im Land Glückssache, wie gut dieser lief. Manche Lehrer, zum Teil ganze Kollegien, seien über Wochen abgetaucht, beklagt der Landeselternbeirat. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nimmt nun die Schulbehörden in die Pflicht. Sie sollen an den Schulen nachhaken, wie der Fernunterricht läuft – und Hilfe anbieten.
Bleibt es beim Fernunterricht wie bisher?
Im Grunde ja. Die Lehrer können auf ganz unterschiedliche Weise den Kontakt mit den Schülern halten – per E-Mail, Post, Telefon oder auch über andere digitale Wege. Vorgaben zu Methoden oder Lernmitteln vom Kultusministerium gibt es kaum. Besorgt meldet sich dazu der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink zu Wort. Er verweist auf einen konkreten Vorfall an einer Freiburger Schule, die mit dem Videokonferenz-Programm Zoom gearbeitet hat. Während einer Videoschulstunde seien pornografische Bilder eingespielt worden. Das Programm steht wegen Sicherheitslücken bereits seit Wochen in der Kritik. Brink empfiehlt den Schulen, mit der vom Ministerium zur Verfügung gestellten Lernplattform Moodle zu arbeiten. Datensicherer Video-Unterricht könne das Programm BigBlueButtom bieten, das in Moodle enthalten sei.
Was ist mit Schülern, die nicht erreicht werden?
Für sie richten die Schulen Lerngruppen ein. Sie sollen ebenfalls ab Montag wieder stunden- oder tageweise zum Unterricht an die Schule kommen.
Wann geht es für die anderen Schüler zurück? ist weiterhin unklar. Fest steht nur: auf keinen Fall mehr vor den Pfingstferien. Das gilt nun auch für Viertklässler, wie das Kultusministerium bestätigt. Bislang galten sie als nächste Kandidaten, die an die Schulen zurückkehren dürfen, und zwar noch vor den Pfingstferien.
In anderen Bundesländern startet für sie am Montag wieder der Präsenzunterricht. Auch nach Ende der Ferien am 15. Juni setzt Ministerin Eisenmann auf eine Mischung aus Präsenzund Fernunterricht. Ihr Haus arbeite an einem Konzept, wonach Schüler aller Klassen vor den Sommerferien zumindest tagesweise an der Schule unterrichtet werden.
Reichen die Kapazitäten der Notbetreuung?
Seit dieser Woche ist die Notbetreuung deutlich ausgeweitet worden. Städtetagsdezernent Norbert Brugger geht davon aus, dass die Kapazitäten zunächst trotzdem reichen werden. „Wie es sich entwickelt, kann man noch nicht sagen“, sagt er. Viele Eltern hätten noch keine Bescheinigung vom Arbeitgeber, wonach sie zwingend im Unternehmen präsent sein müssen. „Deshalb gibt es da vielleicht eine Verzögerung.“Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, äußert sich indes besorgt.
Präsenzunterricht, Lerngruppen, Notbetreuung und all das mit gebotenen Abstandsregeln. „Da bekommen wir massive räumliche und personelle Probleme an jeder Menge Schulen“, sagt er. Zumal laut Ministerium insgesamt etwa ein Viertel der Lehrer kein Unterricht an der Schule halten kann, weil sie zu einer Risikogruppe gehörten.
Gibt es Essen an der Schule?
Die Mensen dürfen öffnen. Es gibt aber keinen Kisok- oder Pausenverkauf.
Sind die Kinder an der Schule vor einer Infektion geschützt?
Um das sicherzustellen, hat das Ministerium Hygienehinweise für die Schulen herausgegeben. Demnach muss grundsätzlich ein Abstand von 1,5 Metern eingehalten werden, ausreichend Flüssigseife und Papierhandtücher zur Verfügung stehen. Gibt es das nicht, muss Desinfektionsmittel vorhanden sein. Die Lehrer sollen Schüler zur richtigen Hygiene anleiten. Warmes Wasser ist keine Pflicht – das gibt es auch längst nicht an allen Schulen, sei aber laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auch nicht zwingend. Im Unterricht gibt es ebenso keine Pflicht, Masken zu tragen – außer die Kommune entscheidet das wie in Heidelberg anders.
Wie kann die Abstandsregel im Schulbus eingehalten werden?
Ab Montag soll der Busverkehr normal laufen. Die Stadt- und Landkreise, die dafür zuständig sind, glauben dadurch an Entspannung in den Bussen, wie Nathalie Münz vom Landkreistag erklärt. Denn nur 20 Prozent der üblichen Schülerzahlen nähmen potenziell den Bus. Zudem gelte im Bus Maskenpflicht, wie überall in Bussen und Bahnen im Land. Schwieriger werde es, wenn wieder mehr Schüler Präsenzunterricht haben, so Münz. Um den 1,5-Meter-Abstand einhalten zu können, brauchte es dann laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in der Hauptverkehrszeit etwa das Fünf- bis Sechsfache an Fahrzeugen.
Und was passiert bei einem Infektionsfall an der Schule?
Was dann passiert, ob etwa die Mitschüler zu Hause bleiben sollen, ist nicht landesweit vorgegeben. Infektionen müssen ans Gesundheitsamt gemeldet werden. Über das weitere Vorgehen entscheidet dieses dann gemeinsam mit der Schule.