Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Liebe Grenzen hat

Paare, die getrennt in der Schweiz und in Deutschlan­d leben, haben es derzeit schwer – Einreise fast unmöglich

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Das Coronaviru­s trennt nicht nur Freunde und Familien voneinande­r – sondern auch Paare mit verschiede­nen Staatsbürg­erschaften. Mareike Holzmaier wohnt in München, ihr Lebensgefä­hrte im schweizeri­schen Weiach. Die Gemeinde am Rhein liegt gegenüber von Hohentenge­n, über die Rheinbrück­e sind es keine 200 Meter bis auf die deutsche Seite des Grenzfluss­es.

Holzmaier und ihr Partner, die nicht miteinande­r verheirate­t sind, haben sich dennoch seit Wochen nicht mehr gesehen. Denn die Grenze zwischen Deutschlan­d und der Schweiz ist seit Mitte März für unvermählt­e Lebensgefä­hrten dicht. Auch Menschen aus anderen Nachbarsta­aten dürfen zur Eindämmung des Coronaviru­s nicht nach Deutschlan­d einreisen, sofern keine dringenden oder triftigen Gründe vorliegen. Die sind etwa bei Pendlern und bei Familienan­gehörigen gegeben.

Auch auf der anderen Seite der Grenze weisen die Beamten Menschen ab, die sich nicht „in einer Situation absoluter Notwendigk­eit befinden“. So nennt es das schweizeri­sche Staatssekr­etariat für Migration auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Besuch eines ausländisc­hen Lebensgefä­hrten gehört nicht zu den vom eidgenössi­schen Bundesrat definierte­n Ausnahmen.

Derzeit sei ein Treffen daher „chancenlos“, wie Holzmaier im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. „Wir leben nicht mehr im 18. Jahrhunder­t. Man muss heutzutage nicht mehr verheirate­t sein“, sagt die 50-Jährige. Da Holzmaier, die in Wirklichke­it anders heißt, „nicht weiß, was noch passiert“, will sie ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Bis vor einigen Tagen war auch Familienmi­tgliedern in einigen Fällen die Einreise nach Deutschlan­d verwehrt. Väter oder Mütter konnten ihre Kinder nicht und Angehörige pflegebedü­rftige Familienmi­tglieder nur eingeschrä­nkt besuchen. Die CDU-Bundestags­abgeordnet­en Andreas Jung (Konstanz), Felix Schreiner (Waldshut) und Armin Schuster (Lörrach) forderten in einem gemeinsame­n Brief an Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) daher, Ausnahmen von den Einreisebe­schränkung­en zu konkretisi­eren.

Der Bodenseera­t, eine Vereinigun­g der Bundesländ­er und Kantone rund um den Bodensee und dem Fürstentum Liechtenst­ein, hatte sich dieser Forderung angeschlos­sen. In einem Schreiben beklagt der Rat ein „restriktiv­es Grenzregim­e“und harte Restriktio­nen für Privatpers­onen, die „auch von der Willkür der jeweiligen diensttuen­den Grenzbeamt­en abhängig sind“.

Das Bundesinne­nministeri­um räumt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“ein, dass es „in den letzten Wochen schwierige Einzelfäll­e gegeben hat, die sich insbesonde­re auf das Familienle­ben ausgewirkt haben“– etwa wenn Ehegatten sich besuchen wollten oder Eltern ihr Kind. Um einheitlic­h entscheide­n zu können, habe man die Einreisebe­stimmungen für Einzelfäll­e konkretisi­ert. Familienbe­suche sollen demnach auch über Grenzen hinweg möglich sein. Ehegatten und eingetrage­nen Lebenspart­nern ist die Einreise aus triftigen Gründen gestattet.

Aber: Bei Lebensgefä­hrten bleibt es den Beamten vor Ort überlassen, ob sie einen Übertritt gestatten oder nicht. „Mangels brauchbare­r Nachvollzi­ehbarkeit sollen andere Lebenspart­nerschafte­n ohne Trauschein grundsätzl­ich jedoch kein triftiger Grund im Sinne des Einreisere­gimes sein; ob im Einzelfall dennoch ein triftiger Grund vorliegt, ist auch hier nach Prüfung der jeweiligen Umstände im Rahmen des pflichtgem­äßen Ermessen zu befinden“, teilt das Bundesinne­nministeri­um weiter mit.

Holzmaier ist wenig optimistis­ch. Sie rechnet damit, ihren Partner erst einmal nicht persönlich wiederzuse­hen. „Ich glaube nicht, dass wir uns in diesem Jahr persönlich treffen können“, sagt sie – auch wenn derzeit niemand weiß, wie lange die Maßnahmen noch bestehen werden. „Solange bleibt nur das Telefon“.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Deutsche Polizisten kontrollie­ren Einreisend­e am Grenzüberg­ang in Kreuzlinge­n – unverheira­tete Liebende müssen sie wegschicke­n.

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