Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Biden wehrt sich
Missbrauchsvorwürfe gegen Trump-Herausforderer
Joe Biden hatte das Duell um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei am 25. März noch nicht gewonnen, steuerte aber bereits mit klarem Vorsprung auf den Sieg zu. An dem Tag erzählte die kalifornische Juristin Tara Reade in einem Podcast-Interview davon, wie sich Biden sexuell an ihr verging.
Folgt man der Darstellung der heute 56-Jährigen, dann hat es sich 1993 im Labyrinth der Korridore des Kapitols in Washington zugetragen. Ihre Vorgesetzte hatte sie gebeten, Biden dessen Sporttasche zu bringen. Er habe ihr die Tasche abgenommen und sie im nächsten Moment gegen eine Wand gedrückt. Danach habe er sich an ihr vergangen. Es sei ihr alles so surreal vorgekommen, sie habe doch aufgeblickt zu diesem Politiker, der als Champion der Frauenrechte galt, blendete Reade in dem Interview zurück. Als es vorbei gewesen sei, habe er mit dem Finger auf sie gezeigt und gesagt: „Du bist ein Nichts für mich“. Diese Erniedrigung habe sie als mindestens so schlimm empfunden wie die physische Attacke. Reade, damals 28, war bei Biden eingestellt worden, um Praktikanten zu betreuen. Sie blieb nur neun Monate.
Der dominante Chef, der eine Untergebene seine Macht spüren lässt, indem er sie sexuell angreift und dann auch noch mit Worten demütigt: Es entspricht exakt dem Verhaltensmuster, das die MeToo-Bewegung zum Thema gemacht hat. Die wiederum hat gerade in den Reihen der Demokraten, stärker als bei den
Republikanern, viele Anhänger. Biden selber hat Reades Anschuldigungen wochenlang nicht kommentiert. Doch nachdem auch „New York Times“und „Washington Post“,, nach einigem Zögern ausführlich darauf eingegangen waren, brach er am Freitag sein Schweigen. „Die Fakten in diesem Fall existieren nicht“, beteuerte er seine Unschuld. „Es gibt so viele Ungereimtheiten in diesem Fall. Ich versichere Ihnen, dass es nicht passiert ist. Punkt. Basta.“
Vor einem Jahr war der frühere Vizepräsident schon einmal wegen seines Umgangs mit Frauen in die Schlagzeilen geraten. Es ging um aufdringliche Umarmungen, um Küsse auf den Hinterkopf und darum, dass er an Haaren gerochen haben soll. Eine von denen, die sich damals zu Wort meldeten, war Tara Reade – ohne freilich zu schildern, was 1993 auf den Fluren des Kapitols geschehen sein soll. Dass sie dies ausgerechnet jetzt nachholt, da sich Biden für die Wahlschlacht gegen Donald Trump rüstet, lässt Skeptiker am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zweifeln. Es wirft die Frage auf, ob sie sich vor einen politischen Karren spannen ließ. Allerdings haben zwei ihrer Bekannten unabhängig voneinander bestätigt, dass Reade ihnen bereits Mitte der 1990erJahre von der Attacke ihres Ex-Bosses in Washington erzählte.