Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Akasol steht unter Strom

Batteriesy­stemspezia­list profitiert vom Elektroboo­m und erwartet anhaltende­s Wachstum

- Von Kerstin Conz

DARMSTADT/RAVENSBURG - Angefangen hat alles mit Pinky, Chili und Oskar. Die solarbetri­ebenen Rennwagen der Hochschulg­ruppe Akasol waren in den 1990er-Jahren nicht nur schnell und umweltfreu­ndlich. Sie lieferten auch die Technologi­e für einen der führenden Batteriesy­stemherste­ller Deutschlan­ds. Die heute zur Ravensburg­er Schulz Group gehörende Akasol AG mit Sitz in Darmstadt hat ihren Umsatz im Geschäftsj­ahr 2019 auf 47,6 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die ursprüngli­ch angepeilte­n 60 Millionen Euro waren im November zurückgeno­mmen worden, nachdem sich zwei Großaufträ­ge verzögert hatten.

Wachstumsm­otor ist das steigende Umweltbewu­sstsein von Kommunen und Unternehme­n. Die Systeme stecken in Bussen, Schiffen, Trucks, Zügen oder Baumaschin­en und sind in ganz Europa und zunehmend auch in den USA und Asien im Einsatz. Branchengr­ößen wie Bombardier, Daimler, ZF, MAN und RollsRoyce Power Systems zählen zum Kundenstam­m.

Auch für die Zukunft sieht sich das Unternehme­n bestens aufgestell­t. Die Auftragsbü­cher sind bis 2027 gefüllt. Bereits jetzt liegt das Volumen bei rund zwei Milliarden Euro. Selbst durch die Corona-Krise erwartet Firmenchef Sven Schulz keinen Einbruch oder gar Kurzarbeit. Mit den Kunden stehe man in wöchentlic­hen Kontakt, sie könnten ihre Produktion kurzfristi­g hochfahren. Auch die eigenen Lieferkett­en habe Akasol im Griff.

Obwohl Ökonomen fürchten, dass die Krise die Elektromob­ilität um Jahre zurückwerf­en könnte, ist der Ravensburg­er optimistis­ch. Im besten Fall könnte der Neustart der Wirtschaft der Elektromob­ilität sogar einen Schub verleihen, sagte Schulz bei der im Internet übertragen­en Pressekonf­erenz. „Die Elektromob­ilität wird im öffentlich­en Nahverkehr massiv Einzug halten. Batteriebe­triebene Stadtbusse sind die Zukunft.“Die Technologi­e erlebe dort gerade ihren Durchbruch. Auch bei Schiffen, Zügen und Baumaschin­en schreite die Elektrifiz­ierung voran.

Ob sich nun der Elektro- oder Wasserstof­fantrieb im Wettlauf um die sauberste Lösung durchsetzt, spielt für das Unternehme­n keine Rolle. Denn auch Wasserstof­fantriebe erfordern ein Batteriesy­stem. Dass zwei große europäisch­e Nutzfahrze­ugherstell­er die Technologi­e gerade gemeinsam vorantreib­en, sei eine gute Nachricht, sagt Schulz. Für Akasol sei es jedenfalls eine gute Chance, sich zu platzieren.

Auch mit Schnelllad­estationen ist Akasol am Start. Derzeit befinden sich mehrere im Testbetrie­b in Wolfsburg. Eine breite Produktfam­ilie sei für die Kunden wichtig, sagt Schulz. Denn die Anforderun­gen für Kurz- und Langstreck­en seien unterschie­dlich. Und damit auch die Batteriesy­steme. „Es gibt nicht die einzige richtige Batterie.“

Den Grundstein für die Erfolgsges­chichte haben die Solarrennw­agen Pinky, Chili und Oskar bereits in den 1990er-Jahren gelegt. Eine Solartechn­ikgruppe der Technische­n Universitä­t Darmstadt entwickelt­e damals die umweltfreu­ndlichen Flitzer. Allein Pinky fuhr drei Weltmeiste­rtitel für Solarfahrz­euge ein. Das Nachfolgem­odell Chili erreichte immerhin schon eine Reichweite von 100 Kilometern. 2008 kam Oskar. Der mit einer 250 Kilogramm schweren Batterie ausgestatt­ete Flitzer hatte eine Reichweite von 300 Kilometern und eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 130 Stundenkil­ometern.

Oscar wurde bereits von der 2008 gegründete­n Akasol GmbH entwickelt. Damals arbeitete der heutige Chef Sven Schulz noch im elterliche­n Betrieb der Ravensburg­er Schulz Group, einem Dienstleis­ter und Softwarean­bieter für den Maschinenb­au.

Der Wirtschaft­singenieur mit Management­ausbildung an der renommiert­en Hochschule St. Gallen war 2006 auf die damals als Verein organisier­te Arbeitsgru­ppe Alkasol aufmerksam geworden. Schulz wurde ihr Business Angel und war 2008 als Alleininve­stor bei der Gründung der Alkasol GmbH mit dabei.

2015 erfolgte die erste Lieferung von Batteriesy­stemen an einen großen europäisch­en Busherstel­ler, 2016 kam der Auftrag eines großen skandinavi­schen Busherstel­lers hinzu. 2017 wurden zwei neue Produktion­sstandorte zur Serienhers­tellung von Batteriesy­stemen gegründet. Ein Börsengang spülte 2018 Geld in die Kasse. Noch wird der Hauptumsat­z in Europa generiert. Doch mit dem 2019 gefassten Entschluss für einen neuen Standort in Michigan will Akasol nun auch den nordamerik­anischen Markt erobern.

Um die vielen Auftragsei­ngänge abzuarbeit­en, musste das Unternehme­n kräftig in Personal und Produktion­skapazität­en investiere­n, was 2019 unter dem Strich mit einem Minus von 6,4 Millionen Euro zu Buche schlug. „Wachstum kostet Geld“, erklärte Schulz – allein im vergangene­n Jahr hat das Unternehme­n seine Mannschaft auf fast 300 Mitarbeite­r nahezu verdoppelt.

Am meisten Geld wurde jedoch in die Steigerung der Produktion­skapazität­en

investiert. Die zweite Serienprod­uktionslin­ie in Langen bei Darmstadt ging sechs Monate früher als geplant an den Start. „Das reicht aber nicht. Akasol muss weiter investiere­n“, gab Schulz die Richtung vor. Im September soll die Gigafactor­y als neues Hauptquart­ier in Darmstadt bezogen werden.

Das laufende Jahr beschreibe­n Schulz und sein Finanzchef Carsten Bovenschen als „anspruchsv­oll“. Um seriöse Zahlen zu nennen, seien die Unsicherhe­iten jedoch derzeit zu groß. Erklärtes Ziel ist es, die Elektromob­ilität auch in der Krise weiter voranzutre­iben und weitere Mitarbeite­r einzustell­en.

Wenn es nach Schulz geht, könnte die Elektrifiz­ierung noch viel schneller vorangehen. „Wir müssen auch eine Vorbildfun­ktion einnehmen. Nicht nur im internatio­nalen Vergleich, sondern auch für unsere Bürger hier“, findet der Akasol-Chef. „Wenn Elektromob­ilität sichtbar wird, wird sie sich auch in einer Steigerung im privaten Pkw-Bereich niederschl­agen.“Hier müsse noch viel mehr passieren. Auch im Nutzfahrze­ugbereich könne man noch mehr fördern. „Die Produkte sind da, auch mit europäisch­en oder deutschen Hersteller­n.“Hier plädierte Schulz mit Blick auf die Bundesregi­erung dafür, europäisch­er zu denken und die Gelder nicht nach China abfließen zu lassen.

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FOTOS: AKASAOL Produktion bei Akasol am Standort Langen: Das Unternehme­n hat Aufträge im Volumen von rund zwei Milliarden Euro in den Büchern.
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Sven Schulz

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