Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weingartener Schulen gehen auf Abstand
Nach Corona-Zwangspause öffnen am Montag die Schulen für die Abschlussklassen
WEINGARTEN – Abstandhalten, Hygienevorschriften, geteilte Klassen. Mit diesen Maßnahmen öffnen am Montag die Schulen wieder, die wegen der Corona-Pandemie vor sieben Wochen dicht machen mussten. Die Abschlussklassen sind die ersten, die vom Fernunterricht daheim wieder ins Klassenzimmer zurückkehren können. Freude bei den Lehrern, dass es jetzt wieder losgeht, aber auch Bangen, ob all die Maßnahmen im Schulgebäude fruchten, damit die Schule nicht zum Hort der Ansteckung wird. Ein Besuch in Gymnasium und Realschule.
In die Schule stürmen und Freunde umarmen nach ewig langen Ferien ist das Natürlichste von der Welt. Genau das aber gilt es in Zeiten von Corona, wo Abstand die neue Zuwendung ist, zu vermeiden. Und Schulleitung und Schulträger von Gymnasium und Realschule Weingarten haben sich mächtig ins Zeug gelegt, die Schulgebäude so zu präparieren und umzurüsten, damit der geforderte Abstand von 1,50 Meter und Hygienevorschriften eingehalten werden können. Dazu gehören ein Wegleitsystem mit Einbahnstraßen auf Treppen und Gängen, Desinfektionsmittelspender an Ein- und Ausgängen, ausgetauschte Armaturen auf Toiletten und in Klassenzimmern, die mit Druckmechanik funktionieren, Seifenspender, EinwegHandtücher, Erhöhung der städtischen Putzfrequenz und Sprühflaschen für Tische und Stühle.
„Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut, die Gebäude hygienetauglich auszustatten“, sagt Melita Paul, Rektorin der Realschule. Ein vierseitiger Hygieneplan ging an die Schüler bereits raus. Die ersten, die nun in die „neue Normalität“eingeführt werden, sind die Abschlussklassen 11 und 12 des Gymnasiums, bzw. 9 und 10 der Realschule; also diejenigen, die Ende Mai Prüfungen schreiben. Insgesamt 347 Schüler. „Wir tasten uns langsam vor“, sagt der Rektor des Gymnasiums, Günter Erdmann. Von der Notbetreuung abgesehen gilt für den Rest der Schüler nach wie vor Home-Schooling, wenngleich auch die Jüngeren, nach dem Willen der Kultusminister, bis zu den Sommerferien mal wieder Schulluft schnuppern sollen, jedoch weit entfernt von regulärem Unterricht. Abstand ist also das oberste Gebot. Deshalb wird der Schulbetrieb im Schichtsystem laufen. Das heißt, der Massenstart um halb acht morgens wird entzerrt und dauert bis 8.15 Uhr. Entsprechend staffeln sich die Pausen. Gilt auf dem Schulweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln Maskenpflicht, ist sie in der Schule freiwillig. Um die geforderte Distanz von 1,50 Meter im Klassenzimmer zu gewährleisten, werden Klassen und Kurse geteilt. Höchstens 15 sitzen in einem Raum, allein an einem Tisch. Außerhalb des Klassenzimmers ist dann „vorausschauendes Gehen“auf den vorgeschriebenen Pfaden mit geziemendem Abstand gefragt, wie die stellvertretende Schulleiterin des Gymnasiums, Kerstin Horn, erläutert. Nicht ohne Skepsis, ob das auch wirklich klappt. Denn, im Pulk in die Pause rennen war gestern. Heute müssen Schüler Gruppenbildung vermeiden. Schilder wie „Mit Abstand seid ihr uns am liebsten“und Hygiene-Gedächtnisstützen allerorten erinnern an die
Ausnahmesituation. In die Toilettenräume dürfen nur drei Leute gleichzeitig. Jedes zweite WC ist nur nutzbar, desgleichen nur jedes dritte Pissoir. Und der geforderte Abstand gilt auch an den Waschbecken. Auf die persönliche Hygiene hebt die Schule ganz stark ab. Das beginnt bereits mit der Händedesinfektion am Eingang. Der derzeit für beide Schularten ausschließlich über die Ettishoferstraße erfolgt.
Der Zaun um das Schulareal bleibt zur Kontaktvermeidung mit Spaziergängern im Übrigen geschlossen. Sport findet im Moment keiner statt. Schüler mit einem erhöhten Risiko an Covid-19 zu erkranken, können vom Unterricht befreit werden. Die Entscheidung liegt bei den Eltern.
Gespannt sind die Lehrerinnen und Lehrer nun, ob all ihre Bemühungen und Maßnahmen den gewünschten Erfolg zeigen und die Infektionsrate auch mit der Schulöffnung niedrig bleibt. In jedem Fall freuen sich alle sehr, wie sie sagen, dass es nun wieder losgeht. Dass die Digitalisierung im Unterricht durch die Corona-Krise einen Schub erfahre, sei gut, aber sie ersetze nicht die persönliche Schüler-Lehrer-Beziehung. Unterricht sei mehr als reine Wissensvermittlung. „Lehrer brauchen Schüler.“