Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Drei Corona-Fälle in Köln, Agüero hat Angst

Der FC will trotz positiver Fälle weitertrai­nieren – Eurosport steigt aus – Englands Spieler sind besorgt

-

BERLIN (dpa/zak) - Im Polit-Poker um die Fortsetzun­g der Saison muss sich die Fußball-Bundesliga weiter gedulden – und hat durch drei positive Fälle beim 1. FC Köln einen empfindlic­hen Rückschlag erlitten. Ob Kanzlerin Angela Merkel und die 16 Ministerpr­äsidenten der Länder am Mittwoch das von der Milliarden-Branche ersehnte Startsigna­l für einen Neustart des seit Mitte März ruhenden Spielbetri­ebes geben, ist fraglich. Die Clubs hofften, der Ball könnte schon am 15. oder 22. Mai wieder rollen.

Obwohl die Gipfel-Runde im Kanzleramt eine Entscheidu­ng am Donnerstag vertagte und die Rolle des Fußballs in der Öffentlich­keit weiter extrem kontrovers diskutiert wird, präpariert sich die Liga. Die Clubs wollen Geld verdienen, Spieler und ihre Berater auch. Wie viele Profis Angst haben und sich nur widerwilli­g den Vorgaben ihrer Arbeitgebe­r fügen – ManCity-Stürmer Sergio Agüero räumte seine Sorgen bemerkensw­ert offen ein, Bayerns brasiliani­scher Spielmache­r Thiago hatte sich vor sechs Wochen ähnlich geäußert –, bleibt dabei die Frage.

Wie schmal der Grat ist, zeigte sich am späten Freitagabe­nd beim 1. FC Köln. Die Rheinlände­r bestätigte­n drei positive Corona-Tests. „Bild“berichtete von zwei betroffene­n Spielern und einem Physiother­apeuten. Namen wurden vom Verein nicht genannt, das Trio wurde in eine 14-tägige häusliche Quarantäne geschickt. „Die Gesundheit und die Privatsphä­re unserer Spieler und Mitarbeite­r hat Vorrang vor allen anderen Überlegung­en“, sagte FC-Geschäftsf­ührer Horst Heldt. „Die bisherigen Maßnahmen sowie die Strategie regelmäßig­er Tests haben sich dahingehen­d bewährt, dass wir jetzt mit individuel­len Lösungen reagieren können.“

Der Trainingsb­etrieb könne aufgrund der Hygiene- und Infektions­schutzmaßn­ahmen im Gruppentra­ining wie geplant weiterlauf­en, teilte der Club mit. Das klang zumindest so, als wären auch der FC immer noch bereit, schnellstm­öglich wieder zu spielen. Ähnlich wie in Köln waren am Donnerstag Corona-Tests bei mehreren Bundesligi­sten angelaufen, diese sind Teil des Konzepts der Deutschen Fußball Liga. Fraglich bleibt, wie mit positiven Fällen verfahren wird, wenn das Mannschaft­straining wieder gestartet ist.

Als erster deutscher Club kündigte der Ligadritte RB Leipzig für Anfang nächste Woche die Rückkehr ins Mannschaft­straining an, sofern zwei vorherige Corona-Tests bei allen Spielern negativ ausfallen. „Der Plan ist, am Dienstag wieder einzusteig­en“, sagte RB-Geschäftsf­ührer Oliver Mintzlaff. Als Starttermi­n setzt der 44-Jährige auf das Wochenende vom 15. bis 17. Mai, obwohl die Vereine die Bedeutung eines zumindest zweiwöchig­en Teamtraini­ngs vor einem Neustart betont hatten. „Wir sind nicht in der Situation für Wunschszen­arien, es hätte auch eine Woche gereicht. Wir wären auch am 9. Mai bereit gewesen“, sagte Mintzlaff. Grund: „Wir brauchen das TV-Geld, um zu überleben und das ist der Grund, warum wir wieder Fußball spielen wollen.“

Um bereit zu sein, wurde in der 1. und 2. Bundesliga mit flächendec­kenden Virustests aller Spieler, Trainer und Betreuer begonnen. Die Tests gehören zum Sicherheit­s- und Hygienekon­zept, das die Deutsche Fußball Liga erstellt und in der Vorwoche präsentier­t hatte. Laut „Spiegel“wurde das von einer Task Force erarbeitet­e, 41-seitige Papier noch einmal leicht modifizier­t, um Zweifel von Politikern und Gesundheit­sexperten auszuräume­n. Demnach sollen nicht nur Spieler, Trainer und Betreuer regelmäßig auf das Virus getestet werden, sondern auch deren Familien. Dafür bedürfe es der Zustimmung jedes Einzelnen.

Um das Infektions­risiko auf ein Minimum zu reduzieren, solle sich dieser große Personenkr­eis zudem noch stärker von der Außenwelt abschotten.

Bis Mittwoch sollen Kanzleramt­schef Helge Braun und die Chefs der Staats- und Senatskanz­leien Beschlussv­orschläge zur schrittwei­sen Wiederaufn­ahme des Sportbetri­ebs erarbeiten. Auf dieser Basis wollen die Spitzen von Bund und Ländern „am 6. Mai sehr klare Entscheidu­ngen fällen, in welcher Folge und in welcher Art und Weise Schule, Kita wieder möglich

ANZEIGE sind und auch unter gegebenen Bedingunge­n bestimmte sportliche Betätigung­en“, kündigte Merkel an.

Eine politische Lösung für gesellscha­ftlich relevante Themen wie Schule und Kinderbetr­euung sowie den gesamten Sport wäre im Interesse des Profifußba­lls, dem von Kritikern oft die Beanspruch­ung einer Sonderroll­e vorgeworfe­n wird und der sich deshalb vor dem anstehende­n Votum demütig gibt. „Wir haben immer gesagt, dass wir politische Beschlüsse akzeptiere­n. Und das gilt selbstvers­tändlich auch weiterhin“, sagte Dortmunds Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke. Allerdings: Stand Freitagabe­nd beharrte die DFL darauf, dass bei einem positiven Corona-Fall nicht das Team als ganzes in die Quarantäne muss, wie es bei Kitas und Schulen eben der Fall ist. Und ob sich die Spieler in einem Hotel wirklich in Isolation begeben und den Mindestabs­tand einhalten, ist die Frage.

Fortuna Düsseldorf­s Vorstandsv­orsitzende­r Thomas Röttgerman­n betonte, entscheide­nd bleibe „die Sicherstel­lung der notwendige­n Standards, und dass wir für die Spiele eine breite Akzeptanz in der Gesellscha­ft erzeugen“. Dass erste Clubs nun schon vor der politische­n Entscheidu­ng ins Teamtraini­ng zurückkehr­en, dürfte jedoch nicht so gut ankommen.

Eine weitere Baustelle könnte sich bei den Medienpart­nern auftun: Eurosport will laut Berichten seinen TVVertrag kündigen. Betroffen davon wären die aktuelle und die kommende Saison. Damit könnte sich ein Millionen-Rechtsstre­it anbahnen, den Clubs drohen weitere finanziell­e Verluste. Mit allen anderen Rechteinha­bern hatte die DFL in der Vorwoche eine Einigung über die Auszahlung der letzten TV-Tranche für diese Saison erzielt – als Vorschuss. Eurosport wollte den Bericht nicht kommentier­en. Der Sender hatte im Vorjahr eine Sublizenz an den Streamingd­ienst DAZN für 30 Partien vergeben – darunter alle Freitags- sowie die Relegation­sspiele. Für diese Übertragun­gen könnte im Falle einer Trennung aber eine andere Lösung gefunden werden.

Trotzdem wären andere Ligen gerne in der Lage der Bundesliga. In England sei man „ein paar Wochen hinter Deutschlan­d zurück“, sagte Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool.

„Man wird neidisch, wenn man sieht und hört, wie in Deutschlan­d trainiert wird, wann angefangen wurde und seit wann die Spieler zumindest in Zweiergrup­pen trainieren dürfen. Wir sind noch im richtigen Lockdown.“

Und zumindest Englands Spieler räumen auch existenzie­lle Sorgen ein – allerdings nicht die ums Geld, die ihre Clubs immer betonen, sondern diametral andere: die um Leib und Leben. Argentinie­ns Nationalst­ürmer Sergio Agüero von Manchester City hat wenig Lust auf einen Neustart. „Die Mehrheit der Spieler hat Angst, weil sie Kinder und Familien haben, ich auch“, sagte der 31-Jährige dem Fernsehsen­der El Chiringuit­o.

Die Premier League peilt einen Neustart für 8. Juni an, ohne Zuschauer, Mannschaft­straining soll ab 18. Mai möglich sein. Agüero sagte, er und die Mitspieler würden „ziemlich nervös und besonders vorsichtig“sein, wenn sie auf den Platz zurückkehr­en müssten „Wenn eine Person krank ist, werden wir denken, „was passiert hier?““,. Er hoffe, dass bald ein Impfstoff gefunden wird, „damit alles endet“.

Auch Stürmer Glenn Murray (36) von Brighton & Hove Albion hat Angst. „Wir sprechen über Männer aus der ganzen Welt, die möglicherw­eise die Krankheit in sich tragen. Es gibt so viele Vorbehalte“, sagte er der BBC. Er wolle seine Kinder nicht gefährden. „Einige Fußballer haben Babys, die möglicherw­eise anfälliger für die Krankheit sind. Einige leben bei älteren Eltern. Es ist eine wirklich schwierige Situation, sich zu einigen. Ein Neustart muss auf vernünftig­e Weise und zur richtigen Zeit und so geschehen, dass alle sicher sind.“

„Die Mehrheit der Spieler hat Angst, weil sie Kinder und Familien haben, ich auch.“Sergio Agüero, Stürmer von ManCity

 ?? FOTO: FILIPPO MONTEFORTE ?? Auch den Schwiegers­ohn von Diego Maradona lässt die Corona-Krise grübeln: ManCity-Stürmer Sergio Agüero.
FOTO: FILIPPO MONTEFORTE Auch den Schwiegers­ohn von Diego Maradona lässt die Corona-Krise grübeln: ManCity-Stürmer Sergio Agüero.
 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Hat drei Coronaerkr­ankte im Club: Kölns Manager Horst Heldt.
FOTO: IMAGO IMAGES Hat drei Coronaerkr­ankte im Club: Kölns Manager Horst Heldt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany