Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was es bei der Altersteil­zeit zu beachten gibt

Arbeitnehm­er, die schrittwei­se aus dem Job aussteigen, sollten vorher auf jeden Fall ihre Finanzen prüfen

- Von Sabine Meuter

Es ist der Traum von vielen älteren Arbeitnehm­ern: Weniger arbeiten und mehr freie Zeit haben – für die Familie etwa oder für Hobbys. Ein Weg hin zu diesem Ziel kann Altersteil­zeit sein.

Hierbei reduzieren Beschäftig­te die Arbeitszei­t um die Hälfte und steigen so nach und nach aus dem Job aus. Das klingt zunächst verlockend. Doch Altersteil­zeit ist nicht für jeden eine vernünftig­e Option, betont Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht aus Gütersloh. „Jeder, der sich für das Modell interessie­rt, sollte erst einmal ausloten, ob er oder sie sich das überhaupt finanziell leisten kann, auch mit Blick auf die spätere Rente.“

Denn klar muss sein: Während der Altersteil­zeit verdient der Beschäftig­te weniger. Zwar stockt der Arbeitgebe­r das Entgelt auf. Gleiches gilt für die Beiträge zur Rentenvers­icherung. Allerdings in beiden Fällen nicht auf 100 Prozent. Neben einem geringeren Verdienst gibt es also später auch weniger Rente. Die Rentenvers­icherung oder ein Rentenbera­ter können helfen zu errechnen, ob die Altersteil­zeit für einen infrage kommt.

Ist dies der Fall, müssen weitere Voraussetz­ungen erfüllt sein. „Zum einen muss der Beschäftig­te mindestens 55 Jahre alt sein“, sagt die Rechtsanwä­ltin Judith Kerschbaum­er von Gewerkscha­ft Verdi. Vor Beginn einer möglichen Altersteil­zeit muss er mindestens etwa drei Jahre versicheru­ngspflicht­ig beschäftig­t gewesen sein.

Zum anderen: Der Arbeitgebe­r muss mitspielen. „Einen Rechtsansp­ruch auf Altersteil­zeit haben Beschäftig­te nicht“, stellt Schipp klar. Ansprüche können aber in Betriebsve­reinbarung­en oder Tarifvertr­ägen festgelegt sein. Wenn solche Regeln nicht existieren, kann der Arbeitgebe­r auf freiwillig­er Basis grünes Licht für einen früheren Ausstieg des Beschäftig­ten geben. „Interessie­rte müssen also mit ihrem Chef reden“, so Kerschbaum­er.

Willigt der Arbeitgebe­r ein, setzt sich das Entgelt in der Altersteil­zeit aus dem bisherigen hälftigen sozialvers­icherungsp­flichtigen Entgelt und dem Aufstockun­gsbetrag zusammen. Der Aufstockun­gsbeitrag muss laut Gesetz bei mindestens 20 Prozent des Entgelts in der Altersteil­zeit liegen.

„Der Beschäftig­te kann auch eine Aufstockun­g des Arbeitgebe­rs über 20 Prozent hinaus aushandeln“, so Schipp. Er weiß von Fällen, bei denen Arbeitnehm­er in Altersteil­zeit auf bis zu 90 Prozent ihrer ursprüngli­chen Bezüge kamen. Der Arbeitgebe­r zahlt für den Beschäftig­ten weiter in die Rentenkass­e ein – in der Regel in Höhe von 80 Prozent des Regelarbei­tsentgelts.

Für den Beschäftig­ten wichtig zu wissen: Die 20-prozentige Zulage des Arbeitgebe­rs ist sozialvers­icherungsf­rei. Auch fallen darauf keine Steuern an. Allerdings berücksich­tigt sie der Fiskus bei der Steuererkl­ärung.

„Das kann womöglich einen höheren Steuersatz zur Folge haben“, erklärt Schipp.

Altersteil­zeit gibt es in zwei Varianten. Bei einer gleichmäßi­gen Reduzierun­g halbiert der Beschäftig­ten über den gesamten Zeitraum der Altersteil­zeit seine Arbeitszei­t. „Weitaus beliebter ist das sogenannte Blockmodel­l“, sagt Kerschbaum­er. Dabei arbeitet der Beschäftig­te in der ersten Hälfte der Altersteil­zeit wie vor der Altersteil­zeit und ist in der zweiten Hälfte von der Arbeit freigestel­lt.

Das Entgelt, das der Beschäftig­te verdient hat, zahlt der Arbeitgebe­r zu 50 Prozent in der Arbeits- und zu 50 Prozent in der Freistellu­ngsphase aus. „In beiden Phasen kommen jeweils die Aufstockun­gsbeträge des Arbeitgebe­rs hinzu“, erläutert

Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht

Kerschbaum­er. Das Geld für die Freistellu­ngsphase spart der Arbeitnehm­er auf einem Wertguthab­en an. In der Freistellu­ngsphase selbst braucht der Beschäftig­te dann das angesparte Geld Monat für Monat auf. Das Altersteil­zeitmodell kann auch eine Option für Arbeitnehm­er sein, die bereits in ihrem regulären Berufslebe­n in Teilzeit arbeiten. Voraussetz­ung: Der Teilzeitve­rdienst während der Altersteil­zeit muss höher sein als 450 Euro im Monat.

Wer also regulär 20 Stunden pro Woche arbeitet, ist künftig nur noch zehn Stunden tätig. Fällt die Entscheidu­ng bei einer Vollzeitst­elle mit 38 Stunden die Woche für ein Altersteil­zeitmodell mit gleichmäßi­g verringert­er Arbeitszei­t, ist der Beschäftig­te 19 Stunden die Woche tätig.

Wie diese reduzierte Arbeitszei­t verteilt wird, entscheide­n Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r gemeinsam. „Denkbar ist etwa, an vier Tagen vier und am fünften Tag drei Stunden zu arbeiten“, erklärt Schipp. Eine andere Variante: Drei Tage arbeiten, zwei Tage frei. Beim Blockmodel­l ginge etwa, dass die Altersteil­zeit drei Jahre dauert: Anderthalb Jahre arbeitet der Beschäftig­te voll durch, die letzten anderthalb Jahre hat er frei.

Und kann der Arbeitgebe­r den Beschäftig­ten in der Altersteil­zeit kündigen? Das kommt darauf an. „Der Arbeitgebe­r hat in jedem Fall das Recht zur außerorden­tlichen Kündigung aus wichtigem Grund“, erklärt Schipp. Beispiele hierfür wären etwa Betrug oder Diebstahl. Beim Blockmodel­l kann es eine betriebsbe­dingte Kündigung nur in der Arbeitspha­se geben, weil nur dann ein Beschäftig­ungsbedarf wegfallen kann. Schipp rät: „Beschäftig­te sollten darauf achten, dass die schriftlic­he Vereinbaru­ng mit dem Arbeitgebe­r zur Altersteil­zeit eine Klausel enthält, nach der dem Arbeitnehm­er nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann.“(dpa)

„Einen Rechtsansp­ruch auf Altersteil­zeit haben Beschäftig­te nicht.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wer sich für Altersteil­zeit entscheide­t, reduziert seine Arbeitszei­t um die Hälfte und steigt so nach und nach aus seinem Job aus.

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