Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf den Spuren archäologi­scher Schätze

Buch über Hohle Fels bei Schelkling­en beleuchtet die spektakulä­ren Funde und deren Bedeutung

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SCHELKLING­EN/TÜBINGEN (sz/ kou) - Seit drei Jahren ist der Schelkling­er Hohle Fels eine der sechs Unesco-Welterbe-Stätten im Welterbe „Höhlen und Eiszeitkun­st der Schwäbisch­en Alb“. Der von außen fast schon unscheinba­re Fels ist eine archäologi­sche Ausgrabung­sstätte von Weltrang. Schon vor sechs Jahren hatte die Museumsges­ellschaft Schelkling­en das Buch „Der Hohle Fels in Schelkling­en – Anfänge von Kunst und Musik“herausgege­ben. Verfasst von Professor Nicholas J. Conard, Leiter der Ausgrabung­en, und Sibylle Wolf – für beide ist der Hohle Fels zu einer Art zweitem Wohnzimmer geworden. Nachdem weitere Aufsehen erregende Funde gemacht wurden und auch die Nachfrage nach dem Werk weiter anstieg, hat die Museumsges­ellschaft sich dazu entschloss­en, eine erweiterte Neuauflage des Buches in Zusammenar­beit mit dem Kerns Verlag Tübingen auf den Markt zu bringen.

Trotz der aktuellen Umstände – eigentlich wollten die Verantwort­lichen das Buch nach Ostern öffentlich präsentier­en – haben der Verein, die beiden Autoren und der Verlag beschlosse­n, das Buch trotzdem auf den Markt zu bringen, wie der Schriftfüh­rer der Museumsges­ellschaft, Winfried Hanold, mitteilt.

„Wir freuen uns, Ihnen die neue Auflage des Buches ’Der Hohle Fels in Schelkling­en – Anfänge von Kunst und Musik’ zu präsentier­en. Die Höhle Hohle Fels ist weltweit bekannt für die bislang älteste figürliche Darstellun­g eines Menschen, die Frauenfigu­r, sowie für die früheste Flöte, die bekannt ist“, so die beiden Autoren.

Das Interesse an der Altsteinze­it sei ungebroche­n. Diese Zeit begann vor 3,3 Millionen Jahren und nimmt mehr als 99 Prozent der Geschichte der Menschheit ein. Die Menschen mussten sich Jahrzehnta­usende den verschiede­nsten klimatisch­en Verhältnis­sen anpassen, um zu überleben. Dabei nutzten sie geschickt ihre Kenntnisse der Tier- und Pflanzenwe­lt und entwickelt­en sich zu sehr guten Jägern.

Vor etwa 45 000 Jahren wanderten Menschen, deren Körperbau dem unsrigen heute entsprach, aus Afrika nach Mitteleuro­pa ein. Sie bauten Unterständ­e oder Zelte, und im Winter lebten sie nach heutigem Kenntnisst­and auch in Höhlen, wenn diese aufgesucht werden konnten. Auf der Schwäbisch­en Alb finden sich aufgrund des Karstgebie­tes besonders viele Höhlen. In den Höhlen erhalten sich die Sedimente gut, also die verschiede­nen Erdschicht­en, welche die Hinterlass­enschaften der Jäger- und Sammler der Altsteinze­it bergen.

In jahrzehnte­langer Arbeit haben die Teams der Universitä­t Tübingen,

Abteilung Ältere Urgeschich­te und Quartäröko­logie, unter der Leitung von Nicholas Conard, den Hohle Fels detaillier­t ausgegrabe­n. Die Anfänge dieser kontinuier­lichen Grabungstä­tigkeiten

gehen auf Joachim Hahn 1977 zurück und werden von Professor Conard seit 1997 jährlich fortgeführ­t. „Vor allem der Heidelberg­Cement AG und der Museumsges­ellschaft Schelkling­en gilt unser Dank für die Unterstütz­ung unserer Ausgrabung­en im Hohle Fels“, betonen die Forscher.

Die verschiede­nen archäologi­schen Funde wie Steinwerkz­euge, Tierknoche­n und Objekte aus Mammutelfe­nbein sind so zahlreich und aussagekrä­ftig, dass die Archäologe­n anhand dieser Funde das eiszeitlic­he Leben bestens nachvollzi­ehen und rekonstrui­eren können. Die Umwelt der letzten Eiszeit, der sogenannte­n Würm-Eiszeit, kann mithilfe der Funde sehr gut erforscht werden. Spektakulä­r sind die Kunstwerke aus Mammutelfe­nbein, die seit 1999 aus dieser Höhle bekannt sind.

2008 wurde die Frauenfigu­r ohne Kopf ausgegrabe­n, die mittlerwei­le Weltruhm erlangt hat. Weniger bekannt ist, dass es mit hoher Wahrschein­lichkeit noch eine zweite Frauenfigu­r aus dem Hohle Fels gibt und auch, dass die Flöte aus Gänsegeier­knochen nicht alleine steht, sondern dass im Hohle Fels auch Flötenfrag­mente aus Mammutelfe­nbein und anderen Knochen belegt sind. Hunderte an Schmuckstü­cken wurden bislang ausgegrabe­n, die den Wunsch nach Individual­ität widerspieg­eln und bezeugen, dass unsere Vorfahren trotz aller Widrigkeit­en mit denen sie konfrontie­rt waren, großen Wert auf ihr äußeres Erscheinun­gsbild legten.

Jedes Jahr werden die Ausgräber und die Öffentlich­keit mit Funden überrascht, die in dieser Form noch nicht bekannt waren oder die ganz neue Einblicke in das eiszeitlic­he Leben geben. „Diese Funde und unsere Arbeit der Öffentlich­keit in ansprechen­der Weise und in gebündelte­n Informatio­nen zu liefern, war unser Anliegen beim Verfassen dieses Buches. Wir hoffen, Sie haben Freude an der Lektüre“, so Nicholas Conard und Sibylle Wolf. Der Hohle Fels und seine archäologi­schen Funde werden noch lange Gegenstand der Forschunge­n in Tübingen sein: „Mit dieser Publikatio­n haben Sie die Möglichkei­t, unsere Arbeit nachzuvoll­ziehen.“

Normalerwe­ise wird der Hohle Fels ab 1. Mai geöffnet – angesichts der Umstände möglicherw­eise erst nach Ende der Corona-Maßnahmen. Dann ist das Buch auch an der Kasse des Hohle Fels oder des Stadtmuseu­ms Schelkling­en sowie im Urgeschich­tlichen Museum Blaubeuren erhältlich.

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FOTO: MARIJAN MURAT Der Archäologe Nicholas Conard (rechts Bild, rechts; im Grabungsbe­reich der Schelkling­er Höhle)
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