Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Endlich wieder Schule: Freude über den Neustart

Nach dem Corona-Lockdown dürfen die Abschlussk­lassen wieder zum Unterricht – Viele Hygienevor­schriften

- Von Ruth Auchter-Stellmann, Dorothea Halbig und Stefanie Keppeler

KREIS RAVENSBURG - Die Tische stehen auf Abstand, jeder in der 10b hat einen für sich allein – Flüstern mit dem Nebensitze­r ist da nicht drin. Aus dem Raum gehen darf man nur mit Erlaubnis des Lehrers, alle Naselang muss man sich die Hände waschen, und am Ende putzen Max und Nick mit Desinfekti­onsmittel jeden einzelnen Tisch wieder sauber. Am ersten Schultag nach fast sieben Wochen sind nicht nur an der Gemeinscha­ftsschule Ravensburg­Süd jede Menge Hygienevor­schriften zu beachten. Trotzdem: Schüler und Lehrer sind heilfroh, dass sie wieder hier sein dürfen. Ein Blick in den Landkreis Ravensburg.

Zumindest die Neunt- und Zehntkläss­ler, die am 20. Mai ihre Prüfungen machen, dürfen wieder. 89 sind es im Ravensburg­er Süden an der ehemaligen Barbara-BöhmGemein­schaftssch­ule, 76 weitere an der Zweigstell­e-Nord (Kuppelnau). Ehe sie am Montag endlich wieder gemeinsam im Klassenzim­mer auf ihre Prüfungsfä­cher Mathe, Deutsch und Englisch büffeln können, muss jeder einzeln das Klassenzim­mer betreten und die Hände waschen. „Das ist schon ungewohnt mit den Masken, und dass wir in den Pausen nicht raus dürfen“, findet Eva (16) aus der 10a. Klassenkam­eradin Valentina (17) pflichtet ihr bei und bedauert vor allem, dass sie selbst zu ihrer besten Freundin Abstand halten muss. In den vergangene­n Wochen hatte sie häufig Mühe, sich selbst zu motivieren. Und jetzt findet sie es schade, dass die Lehrer wegen der Abstandsre­gel nicht zu ihr an den Platz kommen und ihr genau zeigen können, wo sie einen Fehler gemacht hat.

Dennoch sind die beiden mindestens so froh wie ihre Mathelehre­rin Verena Schmidt, die sich freut, „endlich wieder soziale Kontakte“zu den Schülern zu haben. Weil nur 14 Schüler in einem Raum sein dürfen, hat sie den Unterricht über Video ins nebenan liegende Zimmer übertragen. David (16) findet, mittels Präsenzunt­erricht könne er sich besser als allein zu Hause auf die Prüfungen vorbereite­n: „Nun kann ich wieder direkt Fragen stellen.“Die vergangene­n Wochen war das nur über E-Mails möglich – „und da musste man manchmal ein paar Tage auf die Antwort des Lehrers warten“, ergänzt Océane (16). Sie bedauert, dass manche Lehrer nicht vor Ort sein können, weil sie zur Risikogrup­pe gehören. Für ihren Englischle­hrer springt daher nun ein Kollege ein. Der wiederum „manches anders erklärt“, so Océanes Eindruck.

Mathelehre­rin Schmidt wiederum hat ein bisschen ein mulmiges Gefühl, nun mit so vielen Menschen in einem Raum zu sein – sie fürchtet, sich im Klassenzim­mer womöglich mit dem Coronaviru­s anzustecke­n. Da den Schülern lediglich empfohlen wird, den Mund-Nasenschut­z auch während des Unterricht­s zu tragen, hätten viele Schüler ihn abgenommen.

Schulleite­rin Monika Glosser ist dennoch überzeugt, dass es nun „extrem gut und wichtig ist, die Schulen schrittwei­se wieder zu öffnen“. Denn das Lernen zu Hause sei „eine große Belastung für viele Familien“gewesen. Konrektor Ulrich Schneider-Struben ergänzt: Wenn die Leine zu lang sei, „ist es für viele Schüler schwierig, sich im häuslichen Umfeld selbst zu organisier­en“. Nur Aufgaben zugeschick­t zu bekommen, überforder­e etliche, denn: „Da sieht man dann den Wald vor lauter Bäumen kaum noch.“So ist auch Schneider-Struben erleichter­t, dass jetzt wieder „geordnetes Lernen“über frontalen Präsenzunt­erricht möglich ist.

Nicht nur für die Abschlussk­lassen: Von Dienstag, 5. Mai, an, dürfen nachmittag­s auch die rund 40 Fünftbis Achtklässl­er wieder in die Schule kommen, die sich mit dem Lernen zu Hause schwertun. Oder die, denen die digitalen Voraussetz­ungen dafür fehlen. Wie Andreas Hettinger, Leiter der Gemeinscha­ftsschule-Nord erläutert, hätten vor allem Flüchtling­sfamilien nicht immer einen PC. Nach dem ersten Vormittag atmen Schüler und Lehrer an der Ravensburg­er Gemeinscha­ftsschule alle irgendwie auf: „Ich habe den Eindruck, dass sich jeder bemüht, die Regeln einzuhalte­n“, zieht Glosser ein erstes vorsichtig­es Fazit. Denn: „Alle wollen, dass es klappt und die Schule für sie geöffnet bleibt.“

Auch für Abiturient­en und Elftklässl­er des Gymnasiums Weingarten hat am Montagmorg­en nach dem Lockdown der Unterricht wieder angefangen. Die 136 Schüler wurden zeitlich versetzt in das Schulgebäu­de eingelasse­n. Schulleite­r Günter Erdmann findet es gut, dass der Unterricht für die älteren Klassenstu­fen wieder beginnt und

Schulleite­rin Monika Glosser freut sich auf den Neustart. Bedenken hat er nicht. Einzige Sorge sei die Abstandsre­gelung, die eventuell von Schülern nicht korrekt eingehalte­n werde. „Aber darauf werden wir ja besonders achten“, so Erdmann.

Julia Dollnik, Fachabteil­ungsleiter­in, begrüßt die Schüler am Eingang und weist auf die markierten Laufwege und Desinfekti­onsregeln hin. „Ich habe ein gutes Gefühl beim Wiederbegi­nn, weil wir am Gymnasium Weingarten sehr gut auf die neue Situation vorbereite­t sind“, sagt Dollnik. Sie freue sich, die Schüler wieder persönlich zu treffen. „Home-Schooling ist kein Ersatz für einen realen Unterricht. Sich direkt sehen, miteinande­r lachen und sprechen – das macht einen großen Unterschie­d“, sagt sie.

Das finden auch Sophia und Lukas aus der 11. Klasse. Die beiden freuen sich auf den Unterricht und darauf, ihre Freunde wieder zu sehen. Sie haben aber auch ein etwas komisches Gefühl, seit dem 16. März nun das erste Mal wieder zur Schule zu gehen. Diese gemischten Gefühle werden von drei anderen Schülerinn­en bestätigt. „Wir wären uns am liebsten in die Arme gefallen“, so die 17-Jährigen, „aber das geht natürlich nicht“. Es sei eine Mischung aus Anspannung, Neugier und Freude.

Eva ist Abiturient­in. „Dass ich mich freue, wäre falsch ausgedrück­t. Ich bin froh und glücklich, dass durch den persönlich­en Unterricht nun eine noch bessere Vorbereitu­ng auf das Abitur stattfinde­n kann,“so die 18-Jährige. Sie habe auch ein wenig Bammel, gesteht Eva. Einige ihrer Freunde haben Eltern, die zur sogenannte­n CoronaRisi­kogruppe zählen. „Die Entscheidu­ng, entweder in die Schule zu gehen und dadurch das Risiko einzugehen, sich und eventuell auch die Eltern anzustecke­n, oder zu Hause zu bleiben und dadurch aber vielleicht Wichtiges zu verpassen, ist für viele sehr schwer“, erzählt sie. Eine andere Abiturient­in hat keine Bedenken wegen eines möglichen Ansteckung­srisikos: „Der Fokus liegt in den nächsten Wochen auf dem Abitur, das sehen auch meine Eltern so“, erzählt sie. Die Mutter eines Schülers aus der 11. Klasse sagt, sie mache sich keine Sorgen. Sie freue sich für ihr Kind, dass es seine Freunde wiedersehe­n und am Unterricht teilnehmen kann. Und vertraue im Übrigen der Schule, dass alles mit Vorsicht und ordnungsge­mäß ablaufen wird. „Durch den Schulallta­g kommt hoffentlic­h ein Stückchen Normalität zurück in unser Leben“, hofft die Mutter.

Am Bildungsze­ntrum Bodnegg hat die Schule ebenfalls wieder begonnen. Gegen halb Acht steigen aus dem Schulbus der Linie 21 vier Schüler mit Mund- und Nasenschut­z – vereinzelt trudeln die Realund Werkrealsc­hüler ein. Auch hier hat zunächst nur ein Teil der Schüler wieder Unterricht. Dazu wird die Woche unterteilt.

Montags, mittwochs und freitags sind die Zehntkläss­ler dran. Die

ANZEIGE neunten Klassen der Werkrealsc­hule dann am Dienstag und Donnerstag. Empfangen werden die Schülergru­ppen von ihren Lehrern an ihnen jeweils zugeteilte­n Eingängen. Die Klassen werden so aufgeteilt, dass in einer Gruppe höchstens 13 Schüler sind. Damit sich diese möglichst wenig über den Weg laufen, werden nur wenige, weit voneinande­r entfernte Räume genutzt. Auch in den Lerngruppe­n gelten Abstandsre­gelungen und Maskenpfli­cht.

Vorrangige­s Ziel laut Rektor Alexander Matt: Die Prüfungsja­hrgänge sollen nun gut für die Abschlussp­rüfungen vorbereite­t werden. Er zeigt sich optimistis­ch, dass das klappt, denn die Kollegen seien im März bereits mit dem Stoff durch gewesen.

„Ich habe den Eindruck, dass sich jeder bemüht, die Regeln einzuhalte­n.“

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FOTO: ELKE OBSER Damit Platz zwischen ihnen bleibt, hat jeder Zehntkläss­ler an der Gemeinscha­ftsschule einen eigenen Tisch.

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