Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Endlich wieder Schule: Freude über den Neustart
Nach dem Corona-Lockdown dürfen die Abschlussklassen wieder zum Unterricht – Viele Hygienevorschriften
KREIS RAVENSBURG - Die Tische stehen auf Abstand, jeder in der 10b hat einen für sich allein – Flüstern mit dem Nebensitzer ist da nicht drin. Aus dem Raum gehen darf man nur mit Erlaubnis des Lehrers, alle Naselang muss man sich die Hände waschen, und am Ende putzen Max und Nick mit Desinfektionsmittel jeden einzelnen Tisch wieder sauber. Am ersten Schultag nach fast sieben Wochen sind nicht nur an der Gemeinschaftsschule RavensburgSüd jede Menge Hygienevorschriften zu beachten. Trotzdem: Schüler und Lehrer sind heilfroh, dass sie wieder hier sein dürfen. Ein Blick in den Landkreis Ravensburg.
Zumindest die Neunt- und Zehntklässler, die am 20. Mai ihre Prüfungen machen, dürfen wieder. 89 sind es im Ravensburger Süden an der ehemaligen Barbara-BöhmGemeinschaftsschule, 76 weitere an der Zweigstelle-Nord (Kuppelnau). Ehe sie am Montag endlich wieder gemeinsam im Klassenzimmer auf ihre Prüfungsfächer Mathe, Deutsch und Englisch büffeln können, muss jeder einzeln das Klassenzimmer betreten und die Hände waschen. „Das ist schon ungewohnt mit den Masken, und dass wir in den Pausen nicht raus dürfen“, findet Eva (16) aus der 10a. Klassenkameradin Valentina (17) pflichtet ihr bei und bedauert vor allem, dass sie selbst zu ihrer besten Freundin Abstand halten muss. In den vergangenen Wochen hatte sie häufig Mühe, sich selbst zu motivieren. Und jetzt findet sie es schade, dass die Lehrer wegen der Abstandsregel nicht zu ihr an den Platz kommen und ihr genau zeigen können, wo sie einen Fehler gemacht hat.
Dennoch sind die beiden mindestens so froh wie ihre Mathelehrerin Verena Schmidt, die sich freut, „endlich wieder soziale Kontakte“zu den Schülern zu haben. Weil nur 14 Schüler in einem Raum sein dürfen, hat sie den Unterricht über Video ins nebenan liegende Zimmer übertragen. David (16) findet, mittels Präsenzunterricht könne er sich besser als allein zu Hause auf die Prüfungen vorbereiten: „Nun kann ich wieder direkt Fragen stellen.“Die vergangenen Wochen war das nur über E-Mails möglich – „und da musste man manchmal ein paar Tage auf die Antwort des Lehrers warten“, ergänzt Océane (16). Sie bedauert, dass manche Lehrer nicht vor Ort sein können, weil sie zur Risikogruppe gehören. Für ihren Englischlehrer springt daher nun ein Kollege ein. Der wiederum „manches anders erklärt“, so Océanes Eindruck.
Mathelehrerin Schmidt wiederum hat ein bisschen ein mulmiges Gefühl, nun mit so vielen Menschen in einem Raum zu sein – sie fürchtet, sich im Klassenzimmer womöglich mit dem Coronavirus anzustecken. Da den Schülern lediglich empfohlen wird, den Mund-Nasenschutz auch während des Unterrichts zu tragen, hätten viele Schüler ihn abgenommen.
Schulleiterin Monika Glosser ist dennoch überzeugt, dass es nun „extrem gut und wichtig ist, die Schulen schrittweise wieder zu öffnen“. Denn das Lernen zu Hause sei „eine große Belastung für viele Familien“gewesen. Konrektor Ulrich Schneider-Struben ergänzt: Wenn die Leine zu lang sei, „ist es für viele Schüler schwierig, sich im häuslichen Umfeld selbst zu organisieren“. Nur Aufgaben zugeschickt zu bekommen, überfordere etliche, denn: „Da sieht man dann den Wald vor lauter Bäumen kaum noch.“So ist auch Schneider-Struben erleichtert, dass jetzt wieder „geordnetes Lernen“über frontalen Präsenzunterricht möglich ist.
Nicht nur für die Abschlussklassen: Von Dienstag, 5. Mai, an, dürfen nachmittags auch die rund 40 Fünftbis Achtklässler wieder in die Schule kommen, die sich mit dem Lernen zu Hause schwertun. Oder die, denen die digitalen Voraussetzungen dafür fehlen. Wie Andreas Hettinger, Leiter der Gemeinschaftsschule-Nord erläutert, hätten vor allem Flüchtlingsfamilien nicht immer einen PC. Nach dem ersten Vormittag atmen Schüler und Lehrer an der Ravensburger Gemeinschaftsschule alle irgendwie auf: „Ich habe den Eindruck, dass sich jeder bemüht, die Regeln einzuhalten“, zieht Glosser ein erstes vorsichtiges Fazit. Denn: „Alle wollen, dass es klappt und die Schule für sie geöffnet bleibt.“
Auch für Abiturienten und Elftklässler des Gymnasiums Weingarten hat am Montagmorgen nach dem Lockdown der Unterricht wieder angefangen. Die 136 Schüler wurden zeitlich versetzt in das Schulgebäude eingelassen. Schulleiter Günter Erdmann findet es gut, dass der Unterricht für die älteren Klassenstufen wieder beginnt und
Schulleiterin Monika Glosser freut sich auf den Neustart. Bedenken hat er nicht. Einzige Sorge sei die Abstandsregelung, die eventuell von Schülern nicht korrekt eingehalten werde. „Aber darauf werden wir ja besonders achten“, so Erdmann.
Julia Dollnik, Fachabteilungsleiterin, begrüßt die Schüler am Eingang und weist auf die markierten Laufwege und Desinfektionsregeln hin. „Ich habe ein gutes Gefühl beim Wiederbeginn, weil wir am Gymnasium Weingarten sehr gut auf die neue Situation vorbereitet sind“, sagt Dollnik. Sie freue sich, die Schüler wieder persönlich zu treffen. „Home-Schooling ist kein Ersatz für einen realen Unterricht. Sich direkt sehen, miteinander lachen und sprechen – das macht einen großen Unterschied“, sagt sie.
Das finden auch Sophia und Lukas aus der 11. Klasse. Die beiden freuen sich auf den Unterricht und darauf, ihre Freunde wieder zu sehen. Sie haben aber auch ein etwas komisches Gefühl, seit dem 16. März nun das erste Mal wieder zur Schule zu gehen. Diese gemischten Gefühle werden von drei anderen Schülerinnen bestätigt. „Wir wären uns am liebsten in die Arme gefallen“, so die 17-Jährigen, „aber das geht natürlich nicht“. Es sei eine Mischung aus Anspannung, Neugier und Freude.
Eva ist Abiturientin. „Dass ich mich freue, wäre falsch ausgedrückt. Ich bin froh und glücklich, dass durch den persönlichen Unterricht nun eine noch bessere Vorbereitung auf das Abitur stattfinden kann,“so die 18-Jährige. Sie habe auch ein wenig Bammel, gesteht Eva. Einige ihrer Freunde haben Eltern, die zur sogenannten CoronaRisikogruppe zählen. „Die Entscheidung, entweder in die Schule zu gehen und dadurch das Risiko einzugehen, sich und eventuell auch die Eltern anzustecken, oder zu Hause zu bleiben und dadurch aber vielleicht Wichtiges zu verpassen, ist für viele sehr schwer“, erzählt sie. Eine andere Abiturientin hat keine Bedenken wegen eines möglichen Ansteckungsrisikos: „Der Fokus liegt in den nächsten Wochen auf dem Abitur, das sehen auch meine Eltern so“, erzählt sie. Die Mutter eines Schülers aus der 11. Klasse sagt, sie mache sich keine Sorgen. Sie freue sich für ihr Kind, dass es seine Freunde wiedersehen und am Unterricht teilnehmen kann. Und vertraue im Übrigen der Schule, dass alles mit Vorsicht und ordnungsgemäß ablaufen wird. „Durch den Schulalltag kommt hoffentlich ein Stückchen Normalität zurück in unser Leben“, hofft die Mutter.
Am Bildungszentrum Bodnegg hat die Schule ebenfalls wieder begonnen. Gegen halb Acht steigen aus dem Schulbus der Linie 21 vier Schüler mit Mund- und Nasenschutz – vereinzelt trudeln die Realund Werkrealschüler ein. Auch hier hat zunächst nur ein Teil der Schüler wieder Unterricht. Dazu wird die Woche unterteilt.
Montags, mittwochs und freitags sind die Zehntklässler dran. Die
ANZEIGE neunten Klassen der Werkrealschule dann am Dienstag und Donnerstag. Empfangen werden die Schülergruppen von ihren Lehrern an ihnen jeweils zugeteilten Eingängen. Die Klassen werden so aufgeteilt, dass in einer Gruppe höchstens 13 Schüler sind. Damit sich diese möglichst wenig über den Weg laufen, werden nur wenige, weit voneinander entfernte Räume genutzt. Auch in den Lerngruppen gelten Abstandsregelungen und Maskenpflicht.
Vorrangiges Ziel laut Rektor Alexander Matt: Die Prüfungsjahrgänge sollen nun gut für die Abschlussprüfungen vorbereitet werden. Er zeigt sich optimistisch, dass das klappt, denn die Kollegen seien im März bereits mit dem Stoff durch gewesen.
„Ich habe den Eindruck, dass sich jeder bemüht, die Regeln einzuhalten.“