Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von Würsten wird heute noch geschwärmt
Die Fleisch- und Wurstwarenfabrik Walser im Gewerbegebiet Mariatal wurde abgerissen
RAVENSBURG - Das Gewerbegebiet Mariatal im Ravensburger Süden hat sich stark verändert: Die Fleisch- und Wurstfabrik mit Werksverkauf, Wohnhaus für Mitarbeiter und Parkplatz wurde abgerissen. Auf dem Areal baut der Pharmadienstleister Vetter nun einen Parkplatz für seine Mitarbeiter. Die Fabrik, die einmal den Fleisch- und Wurstbedarf ganzer Generationen lokal und regional gedeckt hat, ist Geschichte.
Aus dem Auge, aus dem Sinn? Nicht ganz! Viele Eschacher, Weißenauer und Ravensburger erinnern sich noch gut daran, dass sie regelmäßig dort günstig eingekauft haben. Die wechselvolle Geschichte der Fleisch- und Wurstfabrik war eng mit bekannten Namen der Branche verbunden, nämlich den regionalen Traditionsmetzgereien Boos, seit 1977 in Waldburg-Edensbach ansässig (Spezialität „Waldburger Schinken“), sowie den Metzgereien Nabholz, Walser und Schwaderer. So manchem Kunden läuft noch heute das Wasser im Munde zusammen, wenn er etwa an die leckeren Saitenwürste ohne Phosphat, den weithin gerühmten Kartoffelsalat oder die Spätzle der Metzgerei Walser zurückdenkt, die dort in den besten Zeiten des alteingesessenen Ravensburger Unternehmens produziert worden sind.
Am Anfang standen die Namen Boos und Nachbaur (Nabo). Später übernahmen die Walsers die Schlacht- und Produktionsstätte. Zeitweise über 100 Mitarbeiter waren früher in Mariatal in der Schlachterei, Zerlegerei, in Produktion und im Verkauf beschäftigt. Insgesamt, also einschließlich der Filialen, beschäftigte die Familie Walser, der in drei Generationen familiäre Schicksalsschläge nicht erspart blieben, rund 300 Menschen. „Das war damals ein sehr gut geführtes erfolgreiches Unternehmen“, erinnert sich Thomas Wellhäuser, Obermeister der Fleischer-Innung Ravensburg.
Bis um die Mitte der 1990er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde in Mariatal noch geschlachtet, danach dann nur noch auswärts. 2008 entstand noch ein neuer, größerer Laden für den Werksverkauf. Walser tat sich mit der Friedrichshafener Metzgerei Schwaderer zusammen. Später trennte man sich wieder. Schließlich geriet das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste 2016 Insolvenz anmelden. Seitdem lag der Betrieb in Mariatal still.
Doch der Verkauf in den Filialen ging weiter. Für die Ware sorgt seitdem das Schwarzwälder Unternehmen Bösinger Fleischwaren mit Sitz im Landkreis Rottweil, das bei Walser/Schwaderer einstieg. Die Auffanggesellschaft Walser Spezialitäten
GmbH wurde gegründet (Spezialität „Schwarzer Veri“, eine herzhafte Wurst). Von den zahlreichen Filialen von Walser/Schwaderer in der Region bestehen zehn nach wie vor – in Ravensburg allerdings nur noch eine in der Adlerstraße 27, eine weitere in Weingarten.
Übrigens ist die Firma Walser keineswegs die einzige, die aufgehört hat, wenn auch der Name fortbesteht. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg, so gibt Obermeister Wellhäuser zu bedenken, gab es hier 41 Metzgereien in der Gegend. Heute sind es noch ganze drei, allerdings mit zahlreichen Filialen. Als Wellhäuser vor Jahren ins Ehrenamt des Obermeisters gewählt wurde, existierten im Bereich der Metzger-Innung (identisch mit dem Landkreis Ravensburg) noch 56 Innungsbetriebe. Inzwischen ist ihre Zahl auf 31 geschrumpft – nicht zuletzt, weil sich immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan ernähren.