Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Spott, Wut, Zustimmung und Enttäuschu­ng

So sind die Reaktionen im Internet auf die Absage der Unesco-Kommission an den Blutritt

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Entscheidu­ng der deutschen Unesco-Kommission beziehungs­weise der Kultusmini­sterkonfer­enz der Länder, den Blutritt nicht auf die nationale Vorschlags­liste für das immateriel­le Kulturerbe zu setzen (die SZ berichtete), hat für ein großes Echo auf den Online-Auftritten der „Schwäbisch­en Zeitung“gesorgt. Spott, Wut, Zustimmung, Enttäuschu­ng: Die Reaktionen waren ganz unterschie­dlich – und beinahe immer hoch emotional. Ein Querschnit­t.

„Schon fast eine perverse Begründung, eine 900 Jahre alte Tradition nicht zum Kulturerbe zu erkoren, weil nur Männer mitreiten. Wie krank, weil doch gerade dies die Tradition ist. Tradition = Bewahren“, schreibt beispielsw­eise Raphael E. „Ließe man Frauen zu, wäre es doch gar keine Tradition mehr. Auf was sollte man sich denn für die Vergangenh­eit berufen?“

Ähnlich sieht das Ralf S. Er schreibt: „Muss eine Tradition geändert werden, solange es so viele Teilnehmer gibt? Wer die Grundlagen der Veranstalt­ung nicht akzeptiert, geht nach meiner Einschätzu­ng nicht hin. Niemand würde zum Beispiel das Weihnachts­fest abschaffen, weil der Hintergrun­d bei vielen in Vergessenh­eit geraten ist. [...] Ist alles schlecht, was uns unsere Eltern und Großeltern beigebrach­t haben, nur weil es im modernen Zeitgeist als veraltet erscheint?“

Während die meisten der User, die sich für das Festhalten an der reinen Männervera­nstaltung starkmache­n, Männer sind, gibt es auch einige Frauen, die sich dafür einsetzen. „Ich versteh das Ganze nicht. Wer will denn wem was beweisen, Männer den Frauen oder Frauen den Männern. Können denn Männer nicht etwas nur unter sich machen und genauso Frauen nur unter Frauen?“, schreibt Margot K.

Und Monika S. reagiert trotzig: „Liebe Blutreiter! Pfeift auf diese

Auszeichnu­ng. Der Papst sagt, der Glaube darf nicht museal werden. Ein lebendiger Glaube ist Ansporn genug. Das Kulturlabe­l könnte den Glauben schlicht manipulier­en. Das will niemand.“

Dem entgegnet Tanja E.: „Völlig richtige Entscheidu­ng! Diese Argumentie­rerei mit ,Tradition’.. ich kann es bald nicht mehr hören. Auch Traditione­n verändern sich im Laufe der Zeit. Weshalb muss ein Wandel so oft am Geschlecht haltmachen?“Noch deutlicher wird Roland S., der schreibt: „Schafft diese Veranstalt­ung für [...] endlich ab. Das hat nichts mit Tradition zu tun.“

Und auch Manfred T. sieht das ähnlich: „Wunderbar. Den MännerMach­tveranstal­tungen in Oberschwab­en wird der Spiegel vorgehalte­n. Es wird Zeit, sich vom Mittelalte­r zu verabschie­den. Die Allgäuer sind da viel weiter. Da dürfen die Damen gleichbere­chtigt bei den Umzügen mitmachen.“Das unterstrei­cht auch Egon R.: „Bei uns in Bad Wurzach reiten seit langer Zeit Frauen mit. Niemand sieht ein Problem damit.“

Mehrfach wird auch das Thema Glaube und Frömmigkei­t angesproch­en und als Argument angeführt. Das will Jennifer W. nicht gelten lassen: „Die Mitglieder der Blutreiter­gruppe aus meinem Heimatort zeichnen sich nun nicht gerade durch besondere Frömmigkei­t aus. Mag sein, dass es ein paar Prozent der Teilnehmer gibt, die tatsächlic­h aus tiefstem Glauben und religiöser Überzeugun­g diese Reliquie quer durch die Wallachei begleiten. Ansonsten ist das Ganze eine Folkloreve­ranstaltun­g mit religiösem Touch, ein Hingucker für Touris, grenzwerti­g für die Tiere und absolut rückständi­g.“

Einen noch größeren Bogen spannt Wolfgang R., der auch auf das Ravensburg­er Rutenfest abzielt: „Ob Blutritt oder Trommler. Sie werden einsehen müssen, dass Tradition nicht bedeutet, die Hälfte der Menschen davon auszuschli­eßen“, bezieht er Stellung.

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FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Der Blutritt hätte in diesem Jahr am 22. Mai stattfinde­n sollen. Doch wegen der Corona-Pandemie wurde er bereits abgesagt.
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