Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Spott, Wut, Zustimmung und Enttäuschung
So sind die Reaktionen im Internet auf die Absage der Unesco-Kommission an den Blutritt
WEINGARTEN - Die Entscheidung der deutschen Unesco-Kommission beziehungsweise der Kultusministerkonferenz der Länder, den Blutritt nicht auf die nationale Vorschlagsliste für das immaterielle Kulturerbe zu setzen (die SZ berichtete), hat für ein großes Echo auf den Online-Auftritten der „Schwäbischen Zeitung“gesorgt. Spott, Wut, Zustimmung, Enttäuschung: Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich – und beinahe immer hoch emotional. Ein Querschnitt.
„Schon fast eine perverse Begründung, eine 900 Jahre alte Tradition nicht zum Kulturerbe zu erkoren, weil nur Männer mitreiten. Wie krank, weil doch gerade dies die Tradition ist. Tradition = Bewahren“, schreibt beispielsweise Raphael E. „Ließe man Frauen zu, wäre es doch gar keine Tradition mehr. Auf was sollte man sich denn für die Vergangenheit berufen?“
Ähnlich sieht das Ralf S. Er schreibt: „Muss eine Tradition geändert werden, solange es so viele Teilnehmer gibt? Wer die Grundlagen der Veranstaltung nicht akzeptiert, geht nach meiner Einschätzung nicht hin. Niemand würde zum Beispiel das Weihnachtsfest abschaffen, weil der Hintergrund bei vielen in Vergessenheit geraten ist. [...] Ist alles schlecht, was uns unsere Eltern und Großeltern beigebracht haben, nur weil es im modernen Zeitgeist als veraltet erscheint?“
Während die meisten der User, die sich für das Festhalten an der reinen Männerveranstaltung starkmachen, Männer sind, gibt es auch einige Frauen, die sich dafür einsetzen. „Ich versteh das Ganze nicht. Wer will denn wem was beweisen, Männer den Frauen oder Frauen den Männern. Können denn Männer nicht etwas nur unter sich machen und genauso Frauen nur unter Frauen?“, schreibt Margot K.
Und Monika S. reagiert trotzig: „Liebe Blutreiter! Pfeift auf diese
Auszeichnung. Der Papst sagt, der Glaube darf nicht museal werden. Ein lebendiger Glaube ist Ansporn genug. Das Kulturlabel könnte den Glauben schlicht manipulieren. Das will niemand.“
Dem entgegnet Tanja E.: „Völlig richtige Entscheidung! Diese Argumentiererei mit ,Tradition’.. ich kann es bald nicht mehr hören. Auch Traditionen verändern sich im Laufe der Zeit. Weshalb muss ein Wandel so oft am Geschlecht haltmachen?“Noch deutlicher wird Roland S., der schreibt: „Schafft diese Veranstaltung für [...] endlich ab. Das hat nichts mit Tradition zu tun.“
Und auch Manfred T. sieht das ähnlich: „Wunderbar. Den MännerMachtveranstaltungen in Oberschwaben wird der Spiegel vorgehalten. Es wird Zeit, sich vom Mittelalter zu verabschieden. Die Allgäuer sind da viel weiter. Da dürfen die Damen gleichberechtigt bei den Umzügen mitmachen.“Das unterstreicht auch Egon R.: „Bei uns in Bad Wurzach reiten seit langer Zeit Frauen mit. Niemand sieht ein Problem damit.“
Mehrfach wird auch das Thema Glaube und Frömmigkeit angesprochen und als Argument angeführt. Das will Jennifer W. nicht gelten lassen: „Die Mitglieder der Blutreitergruppe aus meinem Heimatort zeichnen sich nun nicht gerade durch besondere Frömmigkeit aus. Mag sein, dass es ein paar Prozent der Teilnehmer gibt, die tatsächlich aus tiefstem Glauben und religiöser Überzeugung diese Reliquie quer durch die Wallachei begleiten. Ansonsten ist das Ganze eine Folkloreveranstaltung mit religiösem Touch, ein Hingucker für Touris, grenzwertig für die Tiere und absolut rückständig.“
Einen noch größeren Bogen spannt Wolfgang R., der auch auf das Ravensburger Rutenfest abzielt: „Ob Blutritt oder Trommler. Sie werden einsehen müssen, dass Tradition nicht bedeutet, die Hälfte der Menschen davon auszuschließen“, bezieht er Stellung.