Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Land wird Unternehmer
Baden-Württemberg will sich vorübergehend an coronageplagten Firmen beteiligen, um sie solvent zu halten
RAVENSBURG/STUTTGART - Um Unternehmen nicht nur während, sondern vor allem auch nach Ende der Corona-Krise zu unterstützen, will die baden-württembergische Landesregierung einen Beteiligungsfonds auflegen. Das Konzept stellten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) und Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart vor. Es gehe darum, den Unternehmen während und vor allem nach der Krise Finanzkraft zu verschaffen, sagte Hoffmeister-Kraut, sie kreditwürdig zu machen und deren Fortbestand zu sichern. Der Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben, die Mindestbeteiligung je Unternehmen soll 800 000 Euro betragen. Die Beteiligung werde gemäß Vorgaben der EU-Kommission bis zum 30. Juni 2021 befristet sein.
Hoffmeister-Kraut verwies darauf, dass der Fonds eine wesentliche Förderlücke des Bundes schließe: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes richte sich vor allem an größere Unternehmen. Der SüdwestFonds hingegen sei gerade für das Mittelstandsland eine enorm wichtige Maßnahme. Im Land gebe es Betriebe, an deren Produktivität extrem viel hänge, ergänzte Finanzministerin Sitzmann. „Wenn diese Unternehmen wegen der Corona-Krise ausfallen, stocken Lieferketten, können andere Unternehmen schwanken oder Regionen finanziell straucheln.“
Potenzieller Kritik an einem zu großen staatlichen Engagement trat Hoffmeister-Kraut entgegen: „Es geht nicht um den Einstieg in eine Staatswirtschaft, der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Eine Beteiligung des Staates ist auch kein Selbstzweck, es geht eben nicht darum, unter dem Deckmantel der Krise den Einfluss des Staates zu verstärken“, stellte die Wirtschaftsministerin klar. Dafür sprächen auch die zeitliche Begrenzung bis zum 30. Juni 2021 sowie viele weitere regulatorische Maßgaben, die für solche Fälle jüngst von der EU-Kommission vorgegeben worden seien. „Der Fonds ist ein Instrument der Krise, zeitlich begrenzt und für die Fälle, in denen normale Kredite und Bürgschaften nicht ausreichen“, warb Hoffmeister-Kraut.
Denn Kritik oder jedenfalls Mahnungen gibt es bereits. Die Rettungsaktion müsse an klare Kriterien geknüpft sein, forderte beispielsweise der baden-württembergische FDPLandesvorsitzende und Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer. „Es darf nur um gesunde Unternehmen gehen, der Staat darf nur über stille Beteiligungen einsteigen und keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit nehmen, und es muss eine klare Ausstiegsstrategie geben“, forderte Theurer, der die Maßnahme ansonsten ausdrücklich begrüßte.
Auch Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrieund Handelskammertags, lobte den Vorstoß. „Den Gedanken, unseren Standort Baden-Württemberg in dieser wirtschaftlichen Ausnahmezeit zu schützen, begrüße ich grundsätzlich. Besonders freue ich mich dabei über den Fokus auf unseren Mittelstand. Staatliche Eingriffe müssen aber stets abgewogen werden und klug erfolgen. Daher kommt es nun auf die konkrete Ausgestaltung an. Denn Ziel muss es auch sein, den Investitionsstandort Baden-Württemberg aus ausländischer Sicht attraktiv zu halten und den Betrieben eine weitere nachhaltige Perspektive zu geben.“
Mahnend äußerte sich Andreas Stoch, Landtagsfraktionschef der SPD. Wichtig sei, nicht ausgerechnet schwarzen Schafen zu helfen. Man dürfe nun keine halben Sachen machen: „Wenn der Staat in dieser Weise in den Betrieben handelt, dann darf er nicht nur fördern, sondern darf auch fordern. Es wäre richtig, die Hilfen an klare Regeln und Mindeststandards zu knüpfen.“Als Beispiel nannte Stoch unter anderem die Sicherung von Arbeitsplätzen und eine klare Bindung der Hilfsmittel an betriebliche Zwecke.
Das sieht der Beteiligungsfonds des Landes nach Angaben von Hoffmeister-Kraut auch vor. So müssten die betreffenden Unternehmen eine wichtige Bedeutung als Arbeitgeber haben und dürften bis zum Jahresende 2019 nicht ohnehin schon in Schwierigkeiten gewesen sein. Auch dürften sie ab Beginn der Beteiligung keine Dividenden ausschütten und keine Manager- und Geschäftsführergehälter erhöhen.
Die Art der Beteiligung ist nach Angaben von Hoffmeister-Kraut nicht fix vorgegeben. Das könnte sowohl eine direkte Beteiligung sein, als auch über Finanzinstrumente mit Eigenkapitalcharakter wie Nachrangdarlehen, Wandelanleihen oder Genussrechte geschehen. Daran geknüpft seien entsprechende Mitspracherechte des Landes. Für die Beteiligung selbst werde das Land eine angemessene Vergütung verlangen, so Hoffmeister-Kraut. Man werde das aber maßvoll handhaben, um die Unternehmen nicht zu belasten. „Wir wollen daran kein Geld verdienen“, sagte die Wirtschaftsministerin.
Für den Fonds sind noch gesetzliche Maßnahmen und die Schaffung von Gremien notwendig; deshalb werde es bis zur ersten Beteiligung noch etwas dauern, sagte Hoffmeister-Kraut. Ist das geschehen, könnten sich betroffene Unternehmen an die entsprechende Anlaufstelle des Landes wenden. Dort würde der Antrag unter wirtschaftlichen und europarechtlichen Vorgaben geprüft. Die Entscheidung treffe dann ein Beteiligungsgremium aus Fachexperten und Vertretern des Landes.
Hoffmeister-Krau wies zudem darauf hin, dass der Fonds branchenoffen sei. Voraussetzungen seien ein ausgewiesener Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr sowie eine Größe von maximal 250 Mitarbeitern. Es könne im Einzelfall jedoch auch Ausnahmen von diesen Voraussetzungen geben.