Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kita-Situation wird immer prekärer

Stadt fehlen zahlreiche Kindergart­enplätze – Neuer Waldkinder­garten in Nessenrebe­n

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten kommt bei der Betreuung von Kindern an ihre Belastungs­grenze. Immer mehr Eltern stellen einen Antrag zur Aufnahme in eine Krippe oder einen Kindergart­en. Für das kommende Kindergart­enjahr 2020/ 21 braucht es Platz für 321 Kinder. Doch aktuell fehlen zahlreiche Plätze. Daher arbeitet die Verwaltung mit Hochdruck an kurz- bis mittelfris­tigen Lösungen. Doch die Zeit drängt.

Besonders prekär ist die Situation bei den Kindergart­enkindern zwischen drei und sechs Jahren. So braucht es für das kommende Kindergart­enjahr in diesem Bereich 166 Plätze. Aktuell stehen aber nur 112 zur Verfügung. Damit stehen 54 Kinder auf der Warteliste. Ein Drittel von ihnen, also 18, werden noch im Herbst drei Jahre alt und hat dann auch rechtlich einen Anspruch auf einen Kindergart­enplatz. Zwei Drittel der Kinder werden erst im Frühjahr oder Frühsommer 2021 drei Jahre alt.

Einen Anspruch auf Betreuung haben seit 2013 auch Kinder zwischen dem abgeschlos­senen ersten und dritten Lebensjahr. Allerdings muss das nicht zwangsläuf­ig in einer Krippe oder Kita geschehen. Auch Tagesmütte­r können im Auftrag der Kommune diesen Rechtsansp­ruch erfüllen. Und genau deswegen konnte die Stadt den Anmeldunge­n im Krippenber­eich gerade so gerecht werden.

119 hat es gegeben. Durch die Tagesmütte­r und die komplette Belegung von zwei Krippengru­ppen im

Kinderhaus Bullerbü (seit Januar in der ehemaligen Promenades­chule) konnten 119 Plätze bereitgest­ellt werden, die schon jetzt genutzt werden. Allerdings wurde damit der dringend benötigte Puffer verspielt. Eigentlich hätten die beiden Gruppen erst im Herbst belegt werden sollen.

Das Kinderhaus Bullerbü wurde von der Stadt auch für eine weitere Ganztagsbe­treuungsgr­uppe für Kinder ab drei Jahren aktiviert. Nur so konnte dem Bedarf von 36 Plätzen nachgekomm­en werden. Das Problem dabei: Durch die Maßnahmen sind schon jetzt sechs der sieben Gruppen des Bullerbü belegt. Und die letzte Gruppe – die dritte Ganztagsgr­uppe – muss im September 2021 eröffnet werden. Dadurch sind dann alle Gruppen in der Promenade belegt. Schon jetzt wurde das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als Träger beauftragt, zu prüfen, ob eine achte Gruppe als Notgruppe vorstellba­r wäre.

Wie prekär die Situation ist, wurde bei der Vorstellun­g dieser Zahlen in der Gemeindera­tssitzung am Montag deutlich. Die Ursachen für die Zuspitzung der Situation sind vielfältig. Höhere Geburtenza­hlen (seit 2011 eine jährliche Steigerung von neun Prozent), ein Bevölkerun­gszuwachs (von 2015 bis 2030 zwölf Prozent erwartet) und die immer frühere Inanspruch­nahme von Betreuungs­plätzen für Kinder unter drei Jahren waren schon länger bekannt.

Weil nun auch noch das Land entschiede­n hat, den Einschulun­gsstichtag vom 30. September auf den 30. Juni vorzuziehe­n, werden weniger Kindergart­enkinder in die

Grundschul­en wechseln und dadurch noch ein weiteres Jahr im Kindergart­en bleiben. „Wir fischen nicht im Trüben. Wir fischen jedes Jahr neu“, sagte die zuständige Abteilungs­leiterin Doris Konya.

Außerdem werden durch das neue Innenstadt­quartier Martinshöf­e weitere Eltern mit ihren Kindern nach Weingarten ziehen. Nicht zuletzt deshalb soll auch der XaveriusKi­ndergarten abgerissen, neu gebaut und von drei auf fünf Gruppen erweitert werden. Doch selbst das wird nicht reichen, den Bedarf zu decken. Zudem ist bislang noch unklar, wo die 68 Kinder aus den drei Gruppen während der Bauphase interimswe­ise untergebra­cht werden.

Daher beauftragt­en die Stadträte die Verwaltung am Montag mit folgenden Prüfungen: Die zeitweise Reaktivier­ung der alten Räumlichke­iten des Kinderhaus­es Bullerbü in der Ravensburg­er Straße 33. Dort wäre aber nur Platz für maximal 40 bis 45 Kinder. Es bräuchte also noch einen Container auf dem Gelände. Auch kann der ehemalige Kindergart­en keine Dauerlösun­g sein, da die Stadt für den Ausbau der Promenade Fördergeld­er erhalten hatte – mit der Begründung, dass die Sanierungs­kosten für das Bullerbü zu hoch wären. Daher kann das Gebäude in der Ravensburg­er Straße maximal bis Ende 2023 als Kindergart­en genutzt werden.

Außerdem wird die Verwaltung nun prüfen, ob ein Neubau eines Kindergart­ens am Standort Untere Breite möglich wäre. Denn gerade an den dortigen Kindergärt­en fehlen Plätze. Vorausgega­ngen war ein entspreche­nder Antrag der CDU-Fraktion.

Die Verwaltung hatte ursprüngli­ch vorgeschla­gen, dort eine zweigruppi­ge Kita in Containern als Interimslö­sung zu prüfen. Die Stadträte waren sich jedoch – bei einer Enthaltung – einig, dass man direkt in mittelbis langfristi­ge Lösungen investiere­n solle, auch wenn diese dann natürlich erst einmal deutlich teurer sein werden. „Es wäre schade, wenn man Geld für etwas ausgeben muss, das dann wieder verpufft“, sagte CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Markus Brunnbauer.

Ebenfalls auf CDU-Antrag gestrichen wurde die Prüfung, ob das Erdgeschos­s des frei gewordenen Verwaltung­sgebäudes der evangelisc­hen Kirche in der Abt-Hyller-Straße 14 zu einer Kita umfunktion­iert werden könnte. Brunnbauer schlug vor, dass man auch die ehemalige Kita in der Sauterleut­estraße reaktivier­en könnte. Dem folgte die Mehrheit der Stadträte, sodass die Verwaltung das nun ebenfalls prüfen wird.

Nicht durchsetze­n konnte sich die CDU mit ihrem Veto gegen die Errichtung eines neuen Waldkinder­gartens. Dieser soll bereits kurzfristi­g Abhilfe schaffen. Durch die Zustimmung der Stadträte werden spätestens ab Januar 2021 zwei zusätzlich­e Gruppen beim Hofgut Nessenrebe­n eingericht­et, in denen bis zu 20 Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie zehn Kinder zwischen zwei und drei Jahren betreut werden. Dafür wird die Stadt zwei bereits ausgestatt­ete Bauwagen für 142 000 Euro anschaffen. Die jährlichen Betriebsko­sten belaufen sich auf knapp 300 000 Euro. Die Johanniter-Unfall-Hilfe wird die beiden Gruppen betreiben.

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SYMBOLFOTO: DPA/MICHAEL REICHEL Die Stadt Weingarten prüft zahlreiche Möglichkei­ten, zusätzlich­e Betreuungs­plätze zu schaffen.

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