Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kita-Situation wird immer prekärer
Stadt fehlen zahlreiche Kindergartenplätze – Neuer Waldkindergarten in Nessenreben
WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten kommt bei der Betreuung von Kindern an ihre Belastungsgrenze. Immer mehr Eltern stellen einen Antrag zur Aufnahme in eine Krippe oder einen Kindergarten. Für das kommende Kindergartenjahr 2020/ 21 braucht es Platz für 321 Kinder. Doch aktuell fehlen zahlreiche Plätze. Daher arbeitet die Verwaltung mit Hochdruck an kurz- bis mittelfristigen Lösungen. Doch die Zeit drängt.
Besonders prekär ist die Situation bei den Kindergartenkindern zwischen drei und sechs Jahren. So braucht es für das kommende Kindergartenjahr in diesem Bereich 166 Plätze. Aktuell stehen aber nur 112 zur Verfügung. Damit stehen 54 Kinder auf der Warteliste. Ein Drittel von ihnen, also 18, werden noch im Herbst drei Jahre alt und hat dann auch rechtlich einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Zwei Drittel der Kinder werden erst im Frühjahr oder Frühsommer 2021 drei Jahre alt.
Einen Anspruch auf Betreuung haben seit 2013 auch Kinder zwischen dem abgeschlossenen ersten und dritten Lebensjahr. Allerdings muss das nicht zwangsläufig in einer Krippe oder Kita geschehen. Auch Tagesmütter können im Auftrag der Kommune diesen Rechtsanspruch erfüllen. Und genau deswegen konnte die Stadt den Anmeldungen im Krippenbereich gerade so gerecht werden.
119 hat es gegeben. Durch die Tagesmütter und die komplette Belegung von zwei Krippengruppen im
Kinderhaus Bullerbü (seit Januar in der ehemaligen Promenadeschule) konnten 119 Plätze bereitgestellt werden, die schon jetzt genutzt werden. Allerdings wurde damit der dringend benötigte Puffer verspielt. Eigentlich hätten die beiden Gruppen erst im Herbst belegt werden sollen.
Das Kinderhaus Bullerbü wurde von der Stadt auch für eine weitere Ganztagsbetreuungsgruppe für Kinder ab drei Jahren aktiviert. Nur so konnte dem Bedarf von 36 Plätzen nachgekommen werden. Das Problem dabei: Durch die Maßnahmen sind schon jetzt sechs der sieben Gruppen des Bullerbü belegt. Und die letzte Gruppe – die dritte Ganztagsgruppe – muss im September 2021 eröffnet werden. Dadurch sind dann alle Gruppen in der Promenade belegt. Schon jetzt wurde das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als Träger beauftragt, zu prüfen, ob eine achte Gruppe als Notgruppe vorstellbar wäre.
Wie prekär die Situation ist, wurde bei der Vorstellung dieser Zahlen in der Gemeinderatssitzung am Montag deutlich. Die Ursachen für die Zuspitzung der Situation sind vielfältig. Höhere Geburtenzahlen (seit 2011 eine jährliche Steigerung von neun Prozent), ein Bevölkerungszuwachs (von 2015 bis 2030 zwölf Prozent erwartet) und die immer frühere Inanspruchnahme von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren waren schon länger bekannt.
Weil nun auch noch das Land entschieden hat, den Einschulungsstichtag vom 30. September auf den 30. Juni vorzuziehen, werden weniger Kindergartenkinder in die
Grundschulen wechseln und dadurch noch ein weiteres Jahr im Kindergarten bleiben. „Wir fischen nicht im Trüben. Wir fischen jedes Jahr neu“, sagte die zuständige Abteilungsleiterin Doris Konya.
Außerdem werden durch das neue Innenstadtquartier Martinshöfe weitere Eltern mit ihren Kindern nach Weingarten ziehen. Nicht zuletzt deshalb soll auch der XaveriusKindergarten abgerissen, neu gebaut und von drei auf fünf Gruppen erweitert werden. Doch selbst das wird nicht reichen, den Bedarf zu decken. Zudem ist bislang noch unklar, wo die 68 Kinder aus den drei Gruppen während der Bauphase interimsweise untergebracht werden.
Daher beauftragten die Stadträte die Verwaltung am Montag mit folgenden Prüfungen: Die zeitweise Reaktivierung der alten Räumlichkeiten des Kinderhauses Bullerbü in der Ravensburger Straße 33. Dort wäre aber nur Platz für maximal 40 bis 45 Kinder. Es bräuchte also noch einen Container auf dem Gelände. Auch kann der ehemalige Kindergarten keine Dauerlösung sein, da die Stadt für den Ausbau der Promenade Fördergelder erhalten hatte – mit der Begründung, dass die Sanierungskosten für das Bullerbü zu hoch wären. Daher kann das Gebäude in der Ravensburger Straße maximal bis Ende 2023 als Kindergarten genutzt werden.
Außerdem wird die Verwaltung nun prüfen, ob ein Neubau eines Kindergartens am Standort Untere Breite möglich wäre. Denn gerade an den dortigen Kindergärten fehlen Plätze. Vorausgegangen war ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion.
Die Verwaltung hatte ursprünglich vorgeschlagen, dort eine zweigruppige Kita in Containern als Interimslösung zu prüfen. Die Stadträte waren sich jedoch – bei einer Enthaltung – einig, dass man direkt in mittelbis langfristige Lösungen investieren solle, auch wenn diese dann natürlich erst einmal deutlich teurer sein werden. „Es wäre schade, wenn man Geld für etwas ausgeben muss, das dann wieder verpufft“, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Brunnbauer.
Ebenfalls auf CDU-Antrag gestrichen wurde die Prüfung, ob das Erdgeschoss des frei gewordenen Verwaltungsgebäudes der evangelischen Kirche in der Abt-Hyller-Straße 14 zu einer Kita umfunktioniert werden könnte. Brunnbauer schlug vor, dass man auch die ehemalige Kita in der Sauterleutestraße reaktivieren könnte. Dem folgte die Mehrheit der Stadträte, sodass die Verwaltung das nun ebenfalls prüfen wird.
Nicht durchsetzen konnte sich die CDU mit ihrem Veto gegen die Errichtung eines neuen Waldkindergartens. Dieser soll bereits kurzfristig Abhilfe schaffen. Durch die Zustimmung der Stadträte werden spätestens ab Januar 2021 zwei zusätzliche Gruppen beim Hofgut Nessenreben eingerichtet, in denen bis zu 20 Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie zehn Kinder zwischen zwei und drei Jahren betreut werden. Dafür wird die Stadt zwei bereits ausgestattete Bauwagen für 142 000 Euro anschaffen. Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf knapp 300 000 Euro. Die Johanniter-Unfall-Hilfe wird die beiden Gruppen betreiben.