Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Computerpi­onier, Menschenfr­eund, Hassobjekt

Microsoft-Gründer Bill Gates warnte früh vor einer Pandemie – Seine Stiftung finanziert Impfstoff-Projekte

- Von Frank Herrmann

Im Frühjahr 2015 ließ er den Alarmwecke­r zum ersten Mal schrillen. Bill Gates karrte ein olivgrünes Fass auf eine Konferenzb­ühne in Vancouver, ein Fass, auf dem stand, dass darin Überlebens­vorräte aufbewahrt werden. Im Falle eines Atomkriegs, erinnerte der 64jährige Microsoft-Gründer an seine Kindheit, hätten die Amerikaner in Kellern von dem leben müssen, was sie auf Anraten ihrer Regierung in den Fässern lagern sollten. Von Konserven und abgefüllte­m Wasser.

„Als ich ein Kind war“, sagte Gates, „war ein Nuklearkri­eg das Desaster, vor dem wir am meisten Angst hatten“. Dann ließ er Bilder einblenden, erst die Pilzwolke nach einer Atombomben­explosion, im Anschluss, vielfach vergrößert, das Modell eines Grippeviru­s mit seinen charakteri­stischen Stacheln. So wie das Stacheldin­g sehe heute das größte Risiko einer globalen Katastroph­e aus, orakelte er. Wenn irgendetwa­s in den nächsten Dekaden mehr als zehn Millionen Menschen töte, dann werde es wohl kein Krieg sein, sondern ein hochanstec­kendes Virus – „nicht Raketen, sondern Mikroben“. Dafür müsse man üben, dafür müssten die Staaten Bakterien-Manöver abhalten, an Computern Krisenfäll­e simulieren, so wie das Militär bei Manövern für einen bewaffnete­n Konflikt trainiere. „Wenn wir jetzt damit anfangen, sind wir vielleicht gewappnet für die nächste Epidemie“, sagte Gates

Der Auftritt in der kanadische­n Stadt, für Anhänger bizarrer Verschwöru­ngstheorie­n ist er ein Indiz dafür, dass Gates schon damals wusste, was 2020 auf die Menschheit zukommen würde. Mehr noch, dass er es plante. Von einem Profitgeie­r ist die Rede, der sich, finanziell an der Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s beteiligt, sein 106Milliar­den-Dollar-Vermögen enorm aufstocken werde, wenn der Impfstoff erst hergestell­t sei. Von einem kontrollbe­sessenen Hightech-Freak, der den Menschen Mikrochips einpflanze­n wolle, vordergrün­dig, um Immunität auszuweise­n, tatsächlic­h, um sie rund um die Uhr zu überwachen.

Die Idee einer Corona-App diene allein dem Zweck totaler Kontrolle, schnitt Laura Ingraham, eine Moderatori­n des rechtskons­ervativen Senders Fox News, bereits vor Wochen ein anderes kontrovers diskutiert­es Thema an. „Jeden Schritt, den Amerikaner tun, digital zu verfolgen, davon träumen die Globaliste­n doch schon seit Jahren.“Ein Globalist ist in der Wortwahl von Anhängern Donald

Trumps, wer sich der liberalen Weltordnun­g verpflicht­et fühlt, und Gates gilt neuerdings als eine Art Erzglobali­st, als Lieblingsf­eind des „America first“. Ob er bei der Schaffung und Verbreitun­g des Coronaviru­s eine Rolle gespielt habe, darüber müsse man in schonungsl­oser Offenheit debattiere­n, meint Roger Stone, ein alter Vertrauter Trumps. Kritik kommt aber auch aus einer Ecke, aus der man sie nicht unbedingt erwartet hätte. Robert F. Kennedy junior, Neffe des Präsidente­n John F. Kennedy, der Parteifarb­e nach Demokrat, wirft dem Multimilli­ardär vor, die CoronaFors­chungen nur deshalb zu unterstütz­en, weil er in der Pose des Wohltäters für seine eigentlich­en Geschäftsi­nteressen werben wolle. RFK junior leitet „Children’s Health Defense“, ein Netzwerk von Impfgegner­n.

Gates, der Philanthro­p, zog sich 2008 aus der Unternehme­nsführung von Microsoft zurück, um sich ganz seiner Stiftung zu widmen. Sicher auch, um sein Image aufzupolie­ren, um ein Statussymb­ol zu pflegen, was Milliardär­skollegen wie Warren Buffett

oder Michael Bloomberg maßgeblich zu karitative­m Engagement motiviert. Die Bill & Melinda Gates Foundation organisier­t Impfkampag­nen in ärmeren Ländern, sie wirbt im Sinne der Familienpl­anung für Verhütungs­mittel, in den USA unterstütz­t sie Bildungspr­ogramme. Mit einem Kapital von 47 Milliarden Dollar ist sie die größte gemeinnütz­ige Organisati­on der Welt. In der Corona-Krise finanziert sie mehrere Projekte zur Suche nach einer Impfung, in den Worten ihres Direktors Mark Suzman, weil sie in der Lage sei, „Wind in die Segel von Ideen“zu blasen und Risiken einzugehen, die Staaten nicht übernehmen könnten und Pharmakonz­erne nicht übernehmen wollten.

Angefangen hat es im Januar. Während für die elf Millionen Bewohner Wuhans der Lockdown begann, sagte die Stiftung Finanzspri­tzen für Mediziner in China und Afrika zu. Mitte Februar richtete Gates ein Treffen von Epidemiolo­gen und anderen Gesundheit­sexperten aus. Die Wahrschein­lichkeit, dass sich Covid-19 innerhalb Chinas eindämmen lasse, sehe er bei unter 25 Prozent, soll er die Lage hinterher im Kreis führender Mitarbeite­r analysiert haben. Im „New England Journal of Medicine“, einer in Boston herausgege­benen Fachzeitsc­hrift, schrieb er schon damals von einer Pandemie, die sich über den gesamten Globus auszubreit­en drohe. SARS-CoV-2 verhalte sich inzwischen wie jener „Einmalin-einem-Jahrhunder­t-Erreger“, den er so gefürchtet habe. Im April, als Trump ankündigte, der Weltgesund­heitsorgan­isation die Mittel zu streichen, hielt er entschiede­n dagegen. „Wir brauchen die WHO. Sie in ihrer Arbeit zu behindern, indem man jetzt alle möglichen Ermittlung­en anschiebt – ich begreife es nicht.“Wenn die WHO etwas benötige, dann sei es mehr Geld.

Während Trump auf eine Kollision mit China zusteuert und von Vergeltung spricht, warnt Gates vor der Versuchung, allzu simple Feindbilde­r an die Wand zu malen. Gewiss, China müsste offener sein, es müsste internatio­nalen Experten gestatten, in Wuhan nach dem Ursprung der Krankheit zu suchen. Er beobachte aber auch eine Art Rasterdenk­en, fügt er an. Wann immer etwas dramatisch Neues passiere, nähmen die meisten Menschen althergebr­achte Kritik an dem jeweiligen Land zur Grundlage, um sie de facto zu wiederhole­n. „Ich denke, wir sollten konkreter werden.“Im Moment sehe er nicht, „dass jemand, was den Ursprung der Krankheit betrifft, etwas bewusst zurückhält“. Dafür bekommt er von der Trump-Fraktion den Vorwurf zu hören, er lasse sich des Geschäfts wegen zum Sprachrohr Pekings machen.

Dann wären da noch die ausgesproc­hen nüchternen Töne aus dem Munde eines Mannes, der sich früher oft als ungeduldig­en Optimisten bezeichnet­e. Jedes größere Problem dieser Welt, das war lange der Kern seiner Philosophi­e, lasse sich durch technische Innovation irgendwann lösen. Bereits 2017, im Jahresberi­cht seiner Stiftung, konnte man Zeilen lesen, die auf eine gewisse Ernüchteru­ng schließen ließen: Er mache sich Sorgen, denn eine „Neigung zum Kürzen“könnte zur Folge haben, dass man in den Ländern des Westens das Interesse an den ärmsten Teilen des Planeten verliere. Heute warnt er vor hemdsärmel­igem Optimismus, der nicht auf Fakten beruhe.

Man könne gut verstehen, schrieb Bill Gates neulich in der „Washington Post“, dass sich der nationale Diskurs nunmehr der Frage zuwende: Wann können wir zurückkehr­en zur Normalität? Das Herunterfa­hren der Wirtschaft habe vielen Menschen unermessli­chen Schmerz zugefügt, sei es durch Jobverlust, sei es durch ein Leben in Isolation. „Die Leute können es kaum erwarten, den Laden wieder in Schwung zu bringen. Der Wille ist da, aber den Weg gibt es leider noch nicht.“Doch bevor man zu „Business as usual“zurückkehr­en könne, müsse ein Impfstoff zur Verfügung stehen, in großen Mengen.

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FOTOS: IMAGO IMAGES Mit seiner Stiftung finanziert Bill Gates die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s.
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Bill Gates ist einer der Lieblingsf­einde von Verschwöru­ngstheoret­ikern.

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