Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Demo in Liebenau: Klatschen ist nicht genug
Gewerkschaften fordern mehr Geld und bessere Arbeitszeiten für Pflegekräfte
LIEBENAU - Fahnen und Spruchbänder flattern im Wind. Trotz des kalten, ungemütlichen Wetters spazieren am Dienstagvormittag rund 30 Demonstranten, teilweise in lila Regenmäntel gehüllt über den Gehweg vor dem Gasthaus Hirsch in Liebenau. Auf Spruchbändern und auf Plakaten, die sie den vielen vorbeifahrenden Autos präsentieren, fordern sie faire Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Altersvorsorge für Pflegekräfte.
Manche Autofahrer hupen, andere lassen sich, wenn sie an der Ampel warten, schnell ein Flugblatt durch die Seitenscheibe reichen. „Klatschen für Pflegehelden reicht nicht. Es muss auch besser entlohnt werden“, findet Frank Kappenberger vom DGB. „Pflegekräfte standen im Fokus, und wurden beklatscht. Jetzt reden alle nur noch von Lockerungen. Damit das Thema Pflege nicht vergessen wird, demonstrieren wir“, erklärt der katholische Betriebsseelsorger Werner Langenbacher, warum er die Gehweg-Demo organisiert hat. „Wir wollen nicht nur trösten und vertrösten. Es muss sich was ändern, damit wir nicht immer trösten müssen“, findet Langenbacher.
Die Idee der Gehweg-Demo wurde entwickelt, um auf den internationalen Tag der Pflege aufmerksam zu machen und trotzdem die Corona-Vorschriften und Abstandsregeln einzuhalten. Die Demonstranten spazieren auf dem Gehweg hin und her, zu zweit und mit einem anderthalb Meter langen lila Band zwischen sich, damit der Abstand eingehalten wird.
Die Abstandsbänder kommen von Mitarbeitern der LiLA (Liebenau Leben im Alter). Die CoronaKrise hätte für die Mitarbeiter arbeiten bis zum Umfallen, Gesundheitsrisiken und die Dokumentation persönlicher Gesundheitsdaten bedeutet. Die Einstellung der „Liebenau Leben im Alter“eine Prämie dafür nur zu zahlen, wenn deren
Refinanzierung gesichert sei, kritisiert der Betriebsrat der LiLA in einem Flugblatt, das bei der Demo verteilt wird. Die Stiftung Liebenau möchte sich für ihre Tochtergesellschaft nicht am kirchlichen Tarifvertrag orientieren, sondern eigene Bedingungen aushandeln. Die Mitarbeiter der LiLA fordern bessere Bezahlung, gleiche Arbeitszeiten wie bei anderen Tochtergesellschaften der Stiftung und dass die Altersvorsorge an den kirchlichen Tarifvertrag angeglichen wird. Auch eine gute Fachkraftquote sei wichtig, findet LiLA-Betriebsrätin Silke Arnold: „Gute Pflege braucht gute Qualität. Wir sind froh, dass Verhandlungen laufen und hoffen auf einen guten Abschluss.“
„Autos bauen wird besser bezahlt als alte Menschen pflegen“, kritisiert Betriebsseelsorger Langenbacher. Viele Pflegekräfte beklagen sich seiner Ansicht nach aber nicht nur über die schlechte Bezahlung, sondern wünschen sich auch bessere Arbeitsbedingungen. Durch extrem durchgetaktete Arbeitsabläufe und zu wenig Personal blieben den Pflegekräften oft nur noch Minuten, um einen Patienten zu versorgen. „So haben sich viele Pflegekräfte ihren Beruf nicht vorgestellt“, weiß Langenbacher aus zahlreichen Gesprächen.
„Wer Pflegekräfte gesund erhalten will, muss Zwölf-Tage-Schichten abschaffen“, findet Peter Niedergesäss von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und verweist auf eine entsprechende Petition für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Zwölf Tage Dauereinsatz und über den Tag verteilte Arbeitszeiten seien sehr belastend.
„Wir sind systemrelevant“, erinnert ein Demonstrant auf seinem Plakat. „Und dafür brauchen wir Personal statt Bürokratie“, ergänzt die Tafel der nächsten Demonstrantin auf dem Gehweg. Eine Frau verkündet auf einem Plakat als elftes Gebot: „Du sollst nicht an den Mitarbeitern sparen.“