Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Schulden unausweichlich
Katastrophal fällt die Steuerschätzung aus. Und auch in den nächsten Jahren dürfte die Finanzlage von Bund und Ländern schwierig bleiben. Deshalb wird die deutsche Politik mittelfristig mit höherer Staatsverschuldung zu leben lernen. Für 2020 hat der Bundestag bereits einen Nachtragshaushalt mit zusätzlichen Krediten von 156 Milliarden Euro beschlossen. Die Schuldenbremse wurde ausgesetzt. Doch das tatsächliche Loch im Budget ist tiefer. Es kommen das geplante Konjunkturprogramm und weitere Steuerausfälle hinzu. Das Defizit im Bundeshaushalt könnte am Ende dieses Jahres bei 250 Milliarden Euro liegen. Außer Schulden gibt es keinen Weg, diese Summen zu beschaffen.
2021 wird wohl nicht viel besser aussehen. Vermutlich schlagen die Kosten dieses Jahres in den öffentlichen Haushalten durch, etwa Fehlbeträge der Arbeitslosen- und Krankenversicherung. Die Steuereinnahmen werden weiter niedriger sein als vor der Krise, und Steuererhöhungen kommen wegen der Bundestagswahl eher nicht in Betracht. Auch 2021 könnte deshalb mit einem erheblichen Defizit enden. 2022 normalisiert sich die Lage vielleicht. Dann aber dürfte sich der Fokus wieder auf die nötigen Ausgaben richten: für digitale Infrastruktur, Energiepolitik, Bildung oder den Umbau der Autoindustrie. Kürzungen im Staatshaushalt sind da eher nicht ratsam.
Woher soll also das Geld kommen, um die ab 2023 geplante Rückzahlung der Corona-Schulden von größenordnungsmäßig 500 Milliarden Euro zu finanzieren? Mehr Steuern sind politisch schwierig. Niemand hat Lust, mit höheren Abgaben alte Kredite abzutragen. Für die Schuldenbremse könnte das bedeuten, dass sie formell in Kraft bleibt, praktisch aber umgangen wird. Trotzdem brechen die öffentlichen Haushalte nicht an Überschuldung zusammen. Allmählich wird Deutschland aus den Corona-Schulden herauswachsen. Irgendwann werden wir das Maastricht-Kriterium wieder einhalten. Über den Graben zwischen Einnahmen und Ausgaben führt in den kommenden Jahren nur eine Brücke: mehr Schulden.