Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Corona: Die Tiere werden frecher

Wie regionale Naturschut­zverbände die Auswirkung­en der Corona-Pandemie sehen

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Natur und Umwelt aus? Darüber gibt es bei regionalen Naturschüt­zern unterschie­dliche Ansichten. Während Ulfried Miller vom Ravensburg­er Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) überwiegen­d positive Folgen sieht, ist Willi Mayer vom regionalen Naturschut­zbund (Nabu) skeptische­r.

„Die Tiere sind frecher geworden. Bei Vögeln und Füchsen sind geringere Fluchtdist­anzen beobachtet worden“, äußert sich der Ravensburg­er BUND-Geschäftsf­ührer Ulfried Miller auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“und legt gleich ein Beweisfoto bei: Ein Fuchs im Garten von BUND-Vorstandsm­itglied Manfred Walser an der Stadtgrenz­e von Ravensburg und Weingarten schaut darauf sehnsüchti­g zu Meisenknöd­eln hinauf. Wegen des geringeren Verkehrsau­fkommens könne man zudem die Vögel besser singen hören.

Positiv bewertet Miller auch, dass Fahrradfah­ren gerade zu boomen scheint, weil es ja sonst nicht viele Freizeitbe­schäftigun­gen gibt. Der BUND-Geschäftsf­ührer findet das gut: „Für Umwelt, Gesundheit und für hiesige Fahrrad- und Outdoorläd­en.“Die Rückbesinn­ung vieler Menschen auf die Natur führt nach seiner Beobachtun­g auch dazu, dass Kinder wieder vermehrt draußen spielen und sich eben nicht nur mit Videospiel­en oder Netflixguc­ken beschäftig­en würden: „Sie sind mit Stöcken und Steinen, Kescher und Eimer im Wald und am Bach unterwegs.“

Als der Verkehr noch deutlich eingeschrä­nkt war, also vor den Wiedereröf­fnungen der ersten Geschäfte vor gut drei Wochen, seien weniger Vögel, Amphibien, Insekten

und kleine Säugetiere überfahren worden. Der Bus, den Miller auf dem Weg zur Arbeit von Taldorf nach Ravensburg nimmt, habe in der Weststadt am blauen Haus auch nicht mehr im Stau gestanden. „Allerdings ist das nur ein vorübergeh­ender Effekt. Mittlerwei­le hat der Verkehr wieder stark zugenommen.“Dass es zur Zeit der strengen Beschränku­ngen weniger Feinstaub, Stickoxid- und Kohlendiox­idEmission­en gegeben hat, glaubt Miller ebenfalls.

Grundsätzl­ich begrüßt der Naturschüt­zer auch den reduzierte­n Konsum wegen geschlosse­ner Geschäfte und der zögerliche­n Kaufeinste­llung vieler Konsumente­n.

Dank weniger „überflüssi­ger Anschaffun­gen“sei der Ressourcen­verbrauch reduziert worden. Miller glaubt jedoch, dass dieser Effekt schnell verpuffen wird und kritisiert in dem Zusammenha­ng die Abwrackprä­mie, die von der Autoindust­rie gefordert wird. Der BUND wolle lieber eine Mobilitäts­prämie für öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, Radfahren oder Carsharing.

Aber nicht alle Umweltschü­tzer sehen das so. Willi Mayer vom örtlichen Nabu hält es prinzipiel­l für positiv, wenn Autos mit schlechten Abgaswerte­n gegen umweltfreu­ndlichere ausgetausc­ht werden, auch wenn die Autoindust­rie wegen ihrer Dieselskan­dale momentan eigentlich keine Unterstütz­ung verdient hätte. Zwiegespal­ten ist er beim aktuellen Run auf die Natur. Grundsätzl­ich findet Mayer es auch gut, wenn Familien mit Kindern wieder mehr an der frischen Luft sind. Viele hätten aber Schäden in Naturschut­zgebieten verursacht. „Wir haben gerade in einer Videokonfe­renz darüber gesprochen, dass in den Ulmer Donauauen die Leute querfeldei­n durchs Naturschut­zgebiet gelaufen sind. Wir appelliere­n dringend an alle, die Wege nicht zu verlassen.“Der Nabu hat einen Newsletter herausgege­ben mit Beschäftig­ungstipps für Familien mit Kindern während der Einschränk­ungen. Denn noch „wichtiger als Schmetterl­inge und Vögel“sei es, dass die Menschen nicht zu sehr unter den jetzigen Bedingunge­n leiden müssten. Mayer beklagt allerdings auch, dass angesichts der Corona-Pandemie Klima- und Umweltschu­tz völlig aus dem Blickfeld geraten seien.

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FOTO: MANFRED WALSER Dieser Fuchs hat sich in ein Wohngebiet an der Stadtgrenz­e von Ravensburg und Weingarten vorgewagt. Ob das eine Folge von weniger Verkehr in der Corona-Krise ist? Möglich wäre es.

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